1. ONE

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„Hey! Fans müssen draußen bleiben!"

Es dauerte einen Moment, bis ich die Worte des anzugtragenden Sicherheitsmitarbeiters auf mich bezog. Da hier am etwas versteckten Hintereingang des Hotels jedoch sonst niemand zu sehen war, meinte er wohl oder übel mich.

Etwas genervt blickte ich zu ihm auf. „Was für Fans? Ich wohne seit zwei Tagen hier."

Er zog die Augenbrauen nach oben und machte mir deutlich, dass er mir nicht glaubte. Gleichzeitig baute er sich noch etwas mehr in der Tür auf, damit ich keine Chance hatte, an ihm vorbei ins Innere des Hotels zu schlüpfen.

Gut, ich gebe zu, dass ich mit meinem Aussehen tatsächlich nicht der üblichen Klientel in dem Fünf Sterne-Hotel entsprach. Ich trug fast ausschließlich schwarz und das nicht, weil ich mich irgendeiner Subkultur zugehörig fühlte, sondern einfach, weil es mir gefiel. Allerdings war ich heute trotz der düsteren Farbe klamottentechnisch relativ brav unterwegs... über dem einfarbigen Basic-Top trug ich eine grobe Strickjacke mit Löchern im Oversize-Look, dazu einen Skaterrock und dunkle, leicht durchsichtige Strümpfe. Aufgrund der langen Ärmel der Jacke und des fast knielangen Rocks sah man nicht einmal meine Tattoos an den Armen und auf dem Oberschenkel. Meine Schnürboots, passend zur Handtasche aus schwarzem Leder, hatte ich sogar vor meiner Reise erst geputzt, nachdem sie aufgrund einer feuchtfröhlichen Outdoorparty voller Schlamm waren.

Dennoch war mir immer noch nicht ganz klar, aus welchem Grund ich so harsch abgewiesen wurde. Dabei wollte ich doch einfach nur in mein Zimmer und meine Ruhe haben...

„Die Band ist vor ein paar Minuten vorne zum Haupteingang gekommen, wenn du Glück hast, erwischst du sie noch", meinte der Sicherheitsmitarbeiter dann immerhin etwas sanfter.

Die Fragezeichen standen mir weiterhin ins Gesicht geschrieben. Da der schätzungsweise um die 40 Jahre alte Mann jedoch nicht mehr ganz so bestimmend war wie zu Anfang des Gesprächs, bemühte auch ich mich um eine ansonsten neutrale Miene. Er hielt mich als für einen Fan einer Band, die hier übernachtete? Welche Band?

„Sorry, ich weiß immer noch nicht, was du meinst", gab ich freundlich zurück, betonte das ‚du' aber etwas, da er mich ja auch einfach so geduzt hatte. Ich bin wirklich nicht spießig, aber in diesem Fall hatte sein Duzen etwas abwertendes, da er mich ja offensichtlich nicht als Gast dieses Hotels anerkannte. „Um das Ganze hier abzukürzen, würde ich dir einfach kurz meine Buchungsbestätigung auf dem Handy zeigen und dann würde ich wirklich gern in mein Zimmer."

Ich kramte in meiner Tasche und tastete nach meinem Smartphone, das ich wie immer nur achtlos hineingeworfen hatte. Dabei fand ich auch meine Zimmerkarte, auf der unübersehbar das Logo der Hotelkette aufgedruckt war. Zusammen mit dem Handy nahm ich die Karte aus der Tasche und hielt sie demonstrativ hoch. Schon jetzt weiteten sich die Augen des Sicherheitsmitarbeiters überrascht und als ich ihm wenige Sekunden später das Handydisplay mit der entsprechenden Buchungsbestätigung unter die Nase hielt, fuhr er sich etwas peinlich berührt über das Gesicht.

„Es tut mir leid, Frau-", er spitzelte auf die Anrede in der E-Mail, „Frau Engel, dass ich die Situation falsch beurteilt habe. Darf ich Ihnen als kleine Wiedergutmachung einen Cocktail auf Kosten des Hauses anbieten?"

Nun war ich kurz verwundert über die plötzliche Professionalität und die aufrichtige Entschuldigung des Mitarbeiters. Dann lächelte ich freundlich.

„Den Cocktail nehme ich gerne, aber jetzt können wir auch beim ‚du' bleiben", ich zwinkerte ihm zu und der Sicherheitsmann schien erleichtert über meinen Umgang mit der Situation.

„Alles klar, und sorry nochmal. Wir müssen einfach immer besonders wachsam sein, wenn irgendwelche Promis bei uns wohnen. Sagst du mir noch kurz deine Zimmernummer, dann gebe ich der Bar Bescheid?!"

Ein wenig neugierig war ich ja jetzt schon, welche tolle Band hier im Hotel abgestiegen ist. Ich hielt mich aber mit Fragen zurück, um ihn nicht doch wieder skeptisch zu machen. Daher nannte ich lediglich meine Zimmernummer und verabschiedete mich dann endlich ins Innere des Hotels.

Auf dem Weg durch die Lobby kam ich am Haupteingang vorbei, durch dessen Glastüren ich eine Menschentraube sah, die sich wohl gerade auflöste. Ich ging weiter um die Ecke zu den Aufzügen und sah gerade noch eine Vierertruppe mit zusammenpassenden Outfits in den linken Aufzug huschen. Jetzt wurde mir auch klar, warum der Mitarbeiter so kritisch war. Für Außenstehende würde ich wohl so aussehen, als gehöre ich zu der Gruppe, waren diese doch ebenfalls komplett schwarz und eher rockig gekleidet. Der gebriefte Sicherheitsdienst vermutete in mir aber wohl doch eher ein Fangirl, das seinen Idolen nacheiferte. Man konnte es ihm nicht verübeln. Selbst in Berlin ist die Szene in den letzten Jahren so klein geworden, dass man selten jemand mit diesem Style auf der Straße traf. Dass so jemand wie ich jetzt zum selben Zeitpunkt im gleichen Hotel schlief, war schon ein sehr großer Zufall.

An den Aufzügen angekommen drückte ich den Knopf mit dem Pfeil nach oben und wartete geduldig, bis der rechte Aufzug im Erdgeschoss ankam und seine Türen öffnete, bevor ich in meine Etage fuhr. Der Tag war anstrengend und ich wollte wirklich nur noch meine Ruhe und die Beine hochlegen. Und natürlich meinen Cocktail abholen, aber das hatte Zeit, da die Bar bis 2 Uhr geöffnet hatte.

Zwei oder drei Stunden später war ich nach einem kurzen Nickerchen und ein wenig Musik auf den Ohren deutlich ausgeruhter. Ich nahm die Kopfhörer ab, legte sie auf das kleine Tischchen neben dem Bett und stand auf. Mit wenigen Schritten war ich an der Glastür zu meinem Teil des umlaufenden Balkons angekommen, öffnete diese und trat hinaus. Zwischenzeitlich war es dunkel geworden und ich betrachtete kurz die Lichter der Stadt, als ein helles Lachen die Stille durchbrach. Eine Frauenstimme aus einem Zimmer ein oder zwei Etagen unter mir rief „No, no", dann lachte sie weiter und es schienen weitere Leute in das Gelächter einzustimmen.

„Kann man hier nicht mal abends seine Ruhe haben?! Es ist weit nach 22 Uhr...", ein aufgebrachter älterer Mann kam auf den nebenliegenden Balkon und lehnte sich wie ich an das Geländer vorn, sodass ich ihn trotz des Sichtschutzes sehen konnte. Nun erblickte er mich auch und fragte: „Stört Sie das nicht auch?"

Ich zuckte mit den Schultern. „Ich hatte bis eben die Balkontür zu und habe nichts mitbekommen."

„Sie Glückliche! Das muss diese komische Rockband sein, wegen der heute der Haupteingang gesperrt war, die machen schon den ganzen Abend Radau und-„, er stockte und schaute an mir herab, „Sie gehören da aber nicht dazu, oder?"

FOR YOUR LOVE - Eine Damiano David FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt