16. SEDICI

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Die nächsten Tage konnte ich oft nicht richtig genießen. Wir gaben beide unser Bestes, doch die Anspannung war deutlich spürbar. Eine lautstarke Diskussion wie am ersten Abend gab es zwar nicht mehr, wir waren aber mehrmals kurz davor. Ich hielt mich jedoch immer zurück, schließlich wollte ich die kurze gemeinsame Zeit nicht mit Streiten verbringen, und Damiano schien es genauso zu gehen.

An unserem letzten Abend bestellten wir Essen und als es geliefert wurde, bat Damiano mich, es anzunehmen. Er gab mir sein Portemonnaie und ich lief aus dem Haus, um den Lieferanten am Gartentor zu empfangen. Ich zahlte, er drückte mir das Essen und Restgeld in die Hand und verabschiedete sich. Auf dem Weg zurück ins Haus sortierte ich das Geld in das Portemonnaie. Als ich einen Schein in das entsprechende Fach schieben wollte, fiel ein kleiner gefalteter Zettel heraus. Ich hob ihn auf und entdeckte rechts unten auf dem Notizzettel das Logo des Hotels in Berlin, in dem wir übernachtet hatten. Ohne groß nachzudenken faltete ich das weiße Papier auf und erkannte meine Handschrift.

„Grazie, idiota. xoxo"

Ich strich vorsichtig über das schon recht zerknitterte Papier. Er hatte es aufgehoben. Nicht nur das, er trug es anscheinend seit einem halben Jahr jeden Tag mit sich herum. Diesen eigentlich unbedeutenden Notizzettel, der von mir damals nur als kleiner Spaß gedacht war, nachdem wir in seinem Hotelzimmer das Thema mit den italienischen Beschimpfungen hatten. Irgendwie war es nun seit unserem Wiedersehen zu einem Insider geworden und ich nannte ihn manchmal so, aber dass wir uns überhaupt noch einmal treffen war in unserer ersten Nacht ja nicht abzusehen.

Ich behielt den Zettel in der Hand, während ich zurück ins Haus ging. Damiano saß schon ungeduldig am Küchentresen.

„Du hast meinen Zettel aus Berlin aufgehoben", ich wedelte mit dem kleinen Papier.

Damiano zuckte mit den Schultern. Beiläufig antwortete er: „Erinnerung an eine wunderschöne Nacht."

„Aber... damals konntest du doch noch gar nicht wissen, dass wir uns nochmal wiedersehen..?"

Wieder ein Schulterzucken. „Ist doch egal. Aber jetzt gib doch mal das Essen her, ich habe soo Hunger!" Mit diesen Worten stand er auf und nahm mir die Tüte mit den gelieferten Speisen aus der Hand.

Er stürzte sich auf sein Essen und fuhr mit einem anderen Thema fort. „Victoria hat mir vorhin geschrieben, dass sie morgen schon etwas früher kommt. Wahrscheinlich werdet ihr euch dann noch kurz sehen. Ist doch okay, oder?"

Ich nickte langsam. Meine Gedanken waren noch beim vorherigen Thema, ich merkte aber, dass er nicht mehr darüber sprechen wollte. Das musste ich wohl oder übel akzeptieren.

Der restliche Abend verlief sehr ruhig und wir gingen relativ früh schlafen. Ich hatte so viele Gedanken im Kopf, dass ich zunächst gar nicht in den Schlaf fand. Durch Damianos gleichmäßige Atemzüge kam ich etwas zur Ruhe und ich hatte den Drang, mich noch fester als sonst an ihn zu kuscheln. Ich wusste nicht warum, aber irgendwie dachte ich, dass es vielleicht das letzte Mal sein würde, dass ich ihm so nah sein konnte.

Am nächsten Morgen war die Stimmung sehr gedrückt. Wir sprachen nicht viel miteinander und als Victoria anreiste, ging Damiano nach unten zu ihr, während ich meinen Koffer packte. Ich kam gerade mit meiner Kulturtasche aus dem Bad, da stand er wieder im Zimmer.

„Ich hatte gehofft, dass wir bis zum Ende deines Besuchs auf ein Ergebnis kommen", sprach er dann das Thema an, vor dem wir uns seit Stunden – oder eher seit Tagen - drückten.

Ich legte die Kulturtasche in meinen Koffer und nickte. „Ich weiß. Es... es geht nicht... noch nicht...", brachte ich leise hervor und schaute ihn schuldbewusst an.

Damiano nickte resigniert. Er fragte schon gar nicht mehr nach den Gründen, da es ohnehin immer dasselbe war. „Ich lasse dich mal noch in Ruhe fertig packen."

Dann verließ er das Zimmer und es dauerte einen Moment, bis ich mich wieder meinem Koffer widmen konnte. Ich war in diesem Moment einfach nicht bereit, etwas Verbindliches mit ihm einzugehen, aber ich konnte nicht erklären, warum ich eine so massive Blockade hatte, die uns beiden im Weg stand.

Nachdem ich alle meine Sachen verstaut und den Koffer geschlossen hatte, trug ich ihn aus dem Zimmer und die Treppen nach unten. Ich blickte zur offen stehenden Eingangstür und sah Damiano draußen stehen. Sein Blick ging ins Leere und er zog fast schon hastig mehrmals an seiner Zigarette. Als ich meinen Weg fortsetzen wollte, sah ich aus dem Augenwinkel, wie jemand in der Küche von einem Hocker am Tresen aufstand und auf mich zukam.

Sie hielt einen gelben Post-It in der Hand, den sie mir nun hinhielt. „Hey, ich weiß nicht, ob du mich noch kennst. Ich bin Victoria, wir hatten uns in Berlin kurz am Fenster gesehen. Hier, der Zettel ist für dich, den wirst du vielleicht noch brauchen."

Ich war überwältigt von ihrer freundlichen und offenen Art und auch ein wenig überfordert, da meine Gedanken nach wie vor um Damiano kreisten und wie es bei uns weitergehen sollte. Als ich daher den Zettel nach einigen Momenten noch nicht annahm, steckte sie ihn einfach in meine Handtasche.

„Bis bald", lächelte sie und ich gab mein bestes, das Lächeln zu erwidern, bevor sie wieder in der Küche verschwand.

Ich setzte meinen Weg fort und es fiel mir mit jedem Schritt schwerer. Draußen stand ich vor Damiano und als ich auf ihn zugehen und ihn umarmen wollte, wich er zurück.

„Also dann, ciao."

Ohne eine Antwort abzuwarten, drehte er sich um und wollte wieder ins Haus gehen.

„Damiano!", ich versuchte, ihn am Arm festzuhalten, erwischte aber nur den Ärmel seines Pullovers. Seufzend blieb er stehen und drehte sich wieder zu mir, vermied es jedoch, mir in die Augen zu sehen. „Ich will dich nicht verlieren", meine Stimme war kurz davor zu versagen und der Kloß in meinem Hals wurde immer größer.

„Warum sagst du das?", seine Stimme war so kalt, doch anhand seiner Gestik bemerkte ich, dass er große Mühe hatte, seine Emotionen zurückzuhalten. Er zog an seinem Pulloverärmel, den ich immer noch in der Hand hielt, und nestelte dann mit seinen eigenen Fingern daran herum.

„Weil es die Wahrheit ist", wisperte ich und schaute zu Boden, da ich es aufgegeben hatte, seinen Blick einzufangen.

Damiano schnaubte und erhob dann die Stimme, sodass ich kurz zusammen zuckte. „Du verstehst es einfach nicht. Ich würde alles tun für dich, für deine Liebe. Aber du schaffst es einfach nicht, zu uns zu stehen. Du hattest so viele Chancen... ich kann das nicht mehr."

Die Verzweiflung, die in seinen Worten mitschwang, traf mich ungebremst und ich spürte, wie meine Wangen heiß wurden und mir Tränen in die Augen stiegen. Ich wusste nicht, was ich antworten sollte, und biss mir auf die Unterlippe.

„Ernsthaft? Nicht mal jetzt kannst du was dazu sagen?", nun gewann die Wut in ihm die Oberhand und als ich langsam den Kopf hob, merkte ich, dass er mich jetzt doch anschaute. In seine wütend glitzernden Augen blickend konnte ich die Tränen nicht weiter zurückhalten und sie bahnten sich den Weg über mein Gesicht.

„Damiano, bitte...", ich streckte meine Hand zu ihm aus, doch er wich einen Schritt zurück.

Er schüttelte verbittert den Kopf. „Es ist zu spät.Ich bin raus. Mach's gut, Julia."


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Hallo ihr Lieben und DANKE DANKE DANKE für 2,2K Reads *-*
Oder, wie man in Italien sagen würde, GRAZIE MILLE :) 

Und jetzt müssen wir alle ganz stark sein. Diese kleine Story wird voraussichtlich diese Woche zu Ende gehen. Tatsächlich schreibe ich gerade schon am letzten Kapitel. Wahnsinn. Irgendwie bin ich jetzt schon traurig... Vielleicht ist die Reise mit Ende dieser Story noch nicht ganz vorbei, aber ich möchte nichts versprechen... wir werden sehen :)

♥♥♥

FOR YOUR LOVE - Eine Damiano David FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt