17. DICIASSETTE

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Und das war es. Seit diesen Worten vor gut einem Monat hatte ich nichts mehr von Damiano gehört. Nicht nur seine Abschiedsworte machten klar, dass es vorbei war. Auch, dass er mich das erste Mal, seit wir uns kannten, bei meinem richtigen Namen nannte und nicht die italienische Form „Giulia" nutzte, die er immer als eine Art Kosenamen verwendete, machte deutlich, dass es kein Zurück gab. Ich hatte es verkackt. Mit meiner komplizierten, viel zu verkopften Art hatte ich es geschafft, den vielleicht größten Fehler meines Lebens zu machen.

Zunächst hatte ich wenig Zeit, wirklich darüber nachzudenken. Dank des spontanen Schichttauschs, damit ich nach Italien fliegen konnte, hatte ich die nächsten Tage mehr als genug zu tun. Dann waren meine Eltern im Urlaub und ich musste den Betrieb mit meinem Bruder allein am Laufen halten, was nicht selten Doppelschichten und Rufbereitschaft bedeutete. Ich stürzte mich also vollkommen in die Arbeit und war erstmal überfordert, als ich gestern das erste Mal einen kompletten Tag frei hatte. Nun hatte ich zwei Wochen Urlaub und nachdem ich den gestrigen Tag hauptsächlich mit Schlafen verbracht hatte, wusste ich heute schon nichts mehr mit mir anzufangen.

Ich hatte mich gerade geduscht und angezogen und setzte mich nun aufs Sofa und nahm mein Handy in die Hand. Während der stressigen Zeit der letzten Wochen hatte ich zwar ab und zu mein Instagram gecheckt, war beim Durchscrollen aber nie wirklich bei der Sache. Anders als heute, wo schon als dritter oder vierter Post ein Bild von Damiano erschien. Bevor ich überlegen konnte, ob mir das gut tat, folgte ich einfach meinem Herzen und klickte auf sein Profil.

Ich lächelte, als ich seine aktuellen Posts sah, auf denen er sich selbst tätowierte. Hatte er es sich nun also doch getraut. Automatisch schaute ich auf mein DIY-Herzchen-Tattoo am Handgelenk und erinnerte mich an unseren ersten Abend. Ich schloss die Augen, strich mit meinen Fingern über die Stelle auf meiner Haut und stellte mir vor, dass es Damiano war. Mit Öffnen der Augen hatten sich diese bereits mit Tränen gefüllt und es dauerte nicht lange, bis sie mir stumm über das Gesicht liefen.

Wie lange wollte ich mir eigentlich noch etwas vormachen? Ich liebte diesen Mann. Ohne, dass ich etwas dagegen tun konnte, hatte ich mich in ihn verliebt. Und scheiße, warum konnte ich es mir so lange nicht eingestehen? Warum kommt die Erkenntnis erst so spät? Es war verdammt nochmal zu spät...

„Fuck!", schrie ich, warf mein Handy gegen die Wand, sodass es lautstark zu Boden fiel, und sank dann schluchzend auf dem Boden vor dem Sofa zusammen.

Es fühlte sich an wie Stunden, die ich heulend zusammengekauert auf dem Boden meines Zimmers verbrachte. Ich war einfach so dumm. Ich hatte ihn gehen lassen, weil ich Angst hatte vor meinen eigenen Gefühlen. Ich, die schon von klein auf unerschrocken durch die Welt ging, die die erste war, die im Schwimmbad vom 10 Meter-Turm gesprungen ist, die irgendwelche Mutproben nachts im Wald mit Leichtigkeit durchgezogen hat, die heute noch ohne Furcht nachts allein unterwegs war und sich nicht von irgendwelchen dunklen Gestalten einschüchtern ließ. Und jetzt plötzlich hatte ich Angst – vor dem schönsten Gefühl der Welt – vor Liebe?

Meine Gedanken drehten sich unaufhörlich. Wie ein Mantra spulten sich die Sätze in meinem Kopf immer wieder von vorn ab. Der Zug war abgefahren. Damiano war weg und würde nicht mehr zurückkommen. Es war zu spät. Es war zu...

STOP! Ich riss die Augen auf und saß kerzengerade da, bevor ich aufsprang und zu meinem Schrank lief. Ich wühlte durch meine Taschen, bis ich die Handtasche fand, die ich bei meinem Besuch in Italien dabei hatte. Ich erinnerte mich plötzlich an den Zettel, den mir Victoria am Tag meiner Abreise gegeben hatte. Ich würde es vielleicht noch brauchen, meinte sie...

Es dauerte nicht lange, bis ich das zerknitterte Stück Papier in den Händen hielt. Eine Handynummer!

Aufgeregt durchquerte ich das Zimmer und sammelte mein Handy vom Boden auf. Trotz der unsanften Behandlung funktionierte es noch, nur ein Riss von einer Ecke bis zur Mitte zierte nun das Bildschirmglas. In diesem Moment störte mich das allerdings nicht, ich hatte wichtigeres zu tun. Schnell tippte ich die Nummer ein, atmete noch einmal tief durch und räusperte mich, bevor ich durchwählte.

Es klingelte drei Mal und mich verließ fast schon wieder der Mut, da wurde der Anruf endlich angenommen.

„Sì?"

„Hey Victoria, hier ist Julia aus Deu-"

„Ciao Francesca, come va?"

„Äh..."

„Per favore aspetta un momento."

Während ich überlegte, was Victoria mir sagen wollte, hörte ich bei ihr im Hintergrund eine Tür ins Schloss fallen. Sie atmete angestrengt und schien auf Absatzschuhen mit schnellen Schritten zu laufen.

„So, jetzt bin ich allein. Sorry, ich war gerade mit den Jungs im Proberaum. Endlich rufst du an! Damianos Laune ist wirklich nicht mehr auszuhalten!"

„Wie... also ich meine... was?", ich war völlig überfordert und wusste nicht, was ich sagen sollte.

„Pass auf, wir haben übermorgen unser letztes Konzert des Jahres in Rom. Es wird sehr groß und voll sein, aber ich organisiere dir einen Backstage-Pass. Komm einfach nach dem Gig backstage zu uns. Ich lasse ihn zwar nicht gerne warten, weil er echt leidet, aber wenn er dich vorher sieht, kommt er wahrscheinlich gar nicht mehr klar und das Konzert ist echt wichtig. Ist das okay für dich?"

Victoria hinterfragte gar nicht den Grund meines Anrufs, sie ging einfach davon aus, dass ich anrief, weil ich Damiano treffen wollte.

„Das klingt toll, aber... was ist, wenn er mich nicht sehen will?", meinte ich kleinlaut.

„Ach was. Natürlich will er dich sehen, er ist verrückt nach dir", Victorias Optimismus war fast schon ansteckend.

„Er hat mir ziemlich deutlich gemacht, dass er das mit uns nicht mehr will..."

„Ja, weil er dachte ‚entweder ganz oder gar nicht', aber es hat danach genau eine Stunde gedauert, bis er es bereut hat."

„Aber er hat sich kein einziges Mal gemeldet..."

„Er war einfach zu stolz, um es vor dir zuzugeben. Ich hoffe, du hast nicht auch so einen Dickschädel..."

Jetzt musste ich schmunzeln. „Doch, normalerweise schon. Aber in diesem Fall kann ich guten Gewissens über meinen Schatten springen."

„Also abgemacht? Schickst du mir noch deinen ganzen Namen? Dann mache ich das mit dem Backstage-Pass klar und kümmere mich, dass die Leute am Einlass Bescheid wissen. Achso, und die Eckdaten zum Konzert schreibe ich dir auch gleich. Ich muss selbst kurz gucken, um wieviel Uhr es losgeht."

„Danke, Victoria", meinte ich aufrichtig und war immer noch geflasht von ihrem Redeschwall.

„Keine Ursache. Aber nenn mich bitte Vic. Ich freue mich schon, dich endlich richtig kennenzulernen!"

FOR YOUR LOVE - Eine Damiano David FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt