Kapitel 22 - zweiter Abschied

371 24 0
                                    

Kilians p.o.v.

Für einen Moment sagte niemand etwas. Meine Worte hingen schwer in der Luft, sickerten in die Herzen meiner Freunde, meiner Adoptivfamilie.
Es war ein schweres Schweigen. War doch jedem klar, worauf das hier hinauslaufen würde. Auf einen zweiten, nun endgültigen Abschied.
Wie Sonja wahrscheinlich bereits befürchtet hatte, war mein Aufenthalt hier nicht von langer Dauer.

Ich sah vielen an, dass sie protestieren wollten. Sagen wollten, dass ich doch bleiben sollte.
Aber der Alpha hatte bereits entschieden. Und ich hatte zugestimmt.
Wir beide waren entschlossen. Nichts würde unsere Meinung ändern.
Und das war den anderen bewusst.

Doch offensichtlich nicht allen.

"Nein!", schrie Charlotte urplötzlich neben mir auf, sodass ich mich ihr erschrocken zuwandte.
Sie hatte die kleinen Arme in einer protestierenden Pose verschränkt.
"Du gehst nicht schon wieder!"
Anscheinend war ihr die Bedeutung meiner Worte erst jetzt klar geworden.
Und ich wollte sie nicht enttäuschen.  Am liebsten hätte ich das wütende Funkeln aus ihren Augen gewischt, hätte sie umarmt und ihr gesagt, dass ich hier bleiben würde. Dass ich nie wieder gehen würde.
Aber das konnte ich nicht.
Und gerade wollte ich ihr das erklären, als sich Derya einschaltete.

"Er muss es tun, meine Kleine", sagte sie mit sanfter Stimme.
"Er tut es, um dich und die anderen zu beschützen."

Aber Charlotte wollte das offensichtlich nicht hören oder vielleicht war es ihr auch egal.
"Kilian soll bleiben!", meinte sie störrisch.

Tom, Charlotte und Nils' Vater, seufzte schwer, stand auf und ging zu seiner Tochter hinüber.
"Er kommt uns besuchen, ja?", sagte er ihr besänftigend lächelnd.
"Er wird nur nicht mehr hier wohnen..."

"Nein!", schrie Charlotte wieder, sprang auf und stampfte wütend mit dem Fuß auf. "Nein, nein, nein!", schrie sie wieder, wobei sie immer lauter wurde und dann rannte sie davon in ihr Zimmer. Tom seufzte erneut, dann blickte er zu Annemarie, seiner Mate.
Sie schienen sich stumm auszutauschen, dann nickte seine Mate.
"Ich gehe zu ihr", meinte sie und ging ihrer Tochter nach.

Wieder war es still. Doch diesmal war es Derya, die die Stille durchbrach, bevor sie allzu lange werden konnte.

"Ich werde Kilian helfen, eine Bleibe zu finden und werde bei ihm wohnen."

Ihr Ton war bestimmt und niemand wollte widersprechen.
Sonja nickte nur matt, bevor sie sich mir zuwandte.
"Es tut mir leid, Kilian", sagte sie traurig, doch ich tat ihre Entschuldigung mit einem Schulterzucken ab.

"Ist ja nicht deine Schuld."
Und das stimmte. Es war niemandes Schuld. Na ja, fast.
Wenn jemand die Schuld trug, dann die Hexen. Damit meinte ich nicht alle, Xenia gehörte ganz bestimmt nicht dazu.
Aber die Hexen, die uns jagten. Die uns unsere Familie entrissen. Uns töteten.
Es war alles deren Schuld.
Ohne sie wäre unser Leben schön. Wir müssten nicht in ständiger Angst leben.
Ständig überaus wachsam sein.
Wir wären frei.

Aber solange es die Hexen gab, konnte es keine Freiheit für uns Werwölfe geben.
Solange es die Hexen gab, konnten wir nicht in Frieden leben.

Ich hatte meine Rache nicht vergessen.
Das würde ich nie.
Auch wenn meine Mate eine der Ihren war, so konnte ich deswegen doch nicht meinen Plan aufgeben.
Und mein Plan bedeutete Vergeltung. Vergeltung an den Hexen für die vielen grundlosen Morde, sie sie begangen hatten.

Und vielleicht.... vielleicht gab es ja einen Grund, weshalb Xenia meine Mate war. Vielleicht war das ein Zeichen...
Ein Zeichen, dass sie mir bei meinem Rachefeldzug helfen konnte?

Derya unterbrach meine Gedanken.
"Ich suche uns eine Wohnung. Du kannst währenddessen deine Hausaufgaben machen, kann ein bisschen dauern."

Damit stand sie auf und ging zu dem Laptop, der auf dem Couchtisch stand.
Nun, zumindest muss ich meinen Rucksack nicht mehr packen, dachte ich.
Gestern war keine Zeit mehr gewesen, ihn auszuräumen und heute Morgen auch nicht.
Und meine Hausaufgaben... Es war ja nicht so, qls hätte ich Besseres zu tun.

With or Without youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt