Kapitel 54 - "Mit oder ohne dich"

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Kilians p.o.v.

Eine Woche später waren wir der Lösung des Rätsels immer noch nicht wirklich näher gekommen. Und das war wirklich frustrierend. Mehr noch, es wurde sogar so langsam bedrückend, denn in weniger als zwei Wochen war der Hexenkreis und wir hatten immer noch keinen Plan, wie wir Anton zu einem Geständnis bringen sollten. Geschweige denn mehrere Pläne, wie wir es vorhatten.

Alles, was wir bisher zusammengebracht hatten, war viel zu risikoreich und gefährlich. Denn es hatte tausend Schwachstellen.
Seufzend legte ich den Kopf auf die Sofalehne. Wir waren diesmal in meiner Wohnung und das aus gutem Grund. Heute war Samstag und heute Nacht würde der Vollmond in all seiner strahlenden Größe aufgehen. Damit wären meine Kräfte und Instinkte stärker als jemals zuvor, weshalb ich Vorsichtsmaßnahmen erhoben hatte: wir würden hier in der Wohnung weiter rätseln, Derya würde da sein und eine Markierung verhindern. Draußen im Wald könnte ich nämlich für nichts garantieren. Weshalb ich auch einen Sicherheitsabstand zwischen Xenia und mir eingerichtet hatte. Wir waren beide am jeweiligen Ende der Couch. Und trotzdem pochte alles in mir darauf, ihr näher zu kommen und sie zu markieren. Von meinen geballten Fäusten hatten sich bereits halbmondkreisförmige Rillen in meiner Haut gebildet. Ich wusste wirklich nicht, wie ich ihren Wunsch eines Vollmonddates erfüllen sollte.

Schon letzten Freitag hatte ich mich bei unserem Sonnenuntergang-Date ein zweites Mal in einen Wolf verwandeln müssen, um sie nicht zu markieren. Frustriert war ich hin und her gelaufen, was Xenia zwar zum Kichern gebracht, mich aber ganz und gar nicht amüsiert hatte. Und dass sie mir heute endlich die Erlaubnis geben würde, sie zu markieren, bezweifelte ich. Ja, wir hatten uns ziemlich angenähert, aber Xenia war noch immer nicht für die Markierung bereit, das spürte ich. Also würde ich ihren Wunsch erfüllen. Nur hatte ich noch keine Ahnung, wie ich mich genügend zusammenreißen sollte. Als ich dazu eingewilligt hatte, musste ich wohl kurzzeitig unter akuter Dummheit gelitten haben. Oder Wunschdenken.

Na ja, wie auch immer, ich hatte noch ein paar Stunden Zeit, mir darüber Gedanken zu machen, denn wir hatten erst einmal 16 Uhr.

Allerdings war das vermutlich nicht einmal unser größtes Problem.
Vor einigen Tagen hatte ich bei meinen Kontakten angefragt und niemand kannte den ehemaligen besten Freund von Anton und dessen Seelengefährtin. Unter anderem deshalb war ich gerade dabei, meinen ganzen Mut zusammenzunehmen, um einen Vorschlag zu machen, der Xenia vermutlich nicht besonders gefallen würde.

Schließlich holte ich tief Luft und sprach es einfach aus:
"Was, wenn es einfach keine Lösung gibt?"

Xenia schüttelte den Kopf, während sie noch immer grübelnd über einem Notizblock saß.

"Nein, es gibt eine Lösung, wir müssen sie nur finden", murmelte sie.

Vorsichtig probierte ich es nochmal:
"Aber es kann ja auch sein, dass der Friede zwischen unseren beiden Arten...gar nicht wirklich möglich ist."
Das veranlasste Xenia dazu, den Kopf zu heben. Stirnrunzelnd blickte sie mich an.

"Wie meinst du das?"
Ich biss die Zähne zusammen. Um ihr das zu erklären, musste ich ihr von meiner Familie erzählen. Denn ich wollte, dass sie mich verstand und nicht einfach für ein blutrünstiges Monster hielt. Denn so würde es ihr bestimmt vorkommen, wenn ich ihr einfach von meinem eigentlichen Vorhaben erzählte. Ich wollte nicht, dass sie mich so sah. Sie musste es verstehen und dafür musste ich ihr dieses Stück meiner Vergangenheit enthüllen, so schwer es auch war. 
Also holte ich tief Luft und kündigte ernst an:

"Ich muss dir was sagen."
Xenia nickte abwartend, Besorgnis schlich sich in ihre Miene.
Tief holte ich Luft. Wappnete mich für die Bilder und Gefühle, die ich sogleich mit meinen Worten heraufbeschwören würde. Dann blickte ich sie ernst an.

With or Without youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt