Kapitel 39 - Brüderlicher Beschützerinstinkt

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Xenias p.o.v. 

Am nächsten Tag schlief ich lange aus. Was für mich recht ungewöhnlich war, denn normalerweise stand ich in den Ferien und an Wochentagen so um acht oder neun Uhr auf.
Heute war es elf, als mein Bruder in mein Zimmer stürmte und die Rolläden hochmachte.
Ich brummte nur.
"Was ist los mit dir, Nia? Sonst schläfst du doch auch nicht so lange", meinte Aramis misstrauisch.
Ich war noch zu müde, um mir eine Ausrede einfallen zu lassen, geschweige denn überhaupt sinnvolle Sätze hervorzubringen, deshalb brummte ich nur wieder.

Aramis schien das nicht zu interessieren.
"Warst du gestern etwa noch weg?", fragte er streng.
"Hast du diesen Typen getroffen?"
Ich erstarrte und riss die Augen auf. Oh Gott. Woher wusste er von Kilian? Mein Herz pochte schnell und ich war auf einmal hellwach. Ich hatte ihn doch nicht irgendwie verraten, oder? Ich…
"Du hast ihn also wirklich getroffen", sagte Aramis langsam. Er schüttelte nur den Kopf.
"Hast du also herausgefunden, dass er nicht so wie Max ist? Du weißt aber schon, dass das noch lange kein Grund ist, alleine draußen herumzulaufen. Nachts. Wenn Werwölfe unterwegs sein könnten und nur darauf warten könnten…"

Er wusste nicht, wen ich getroffen hatte, fiel mir da auf. Sonst hätte er das bestimmt nicht gesagt. Wenn er wüsste, dass ich sogar herausging, um einen Werwolf zu treffen...ich durfte gar nicht daran denken.
Da ich jetzt schon wach war, setzte ich mich auf und rieb mir gähnend übers Gesicht.
Mir fiel wieder ein, dass ich Aramis ja indirekt von Kilian erzählt hatte, als ich meine Entscheidung getroffen hatte.
Und ganz überbesorgter Bruder, der er nunmal war, machte er sich jetzt Sorgen. Toll. Als hätte ich nicht schon genug Probleme…

"Ich hab aufgepasst", murmelte ich.
"Das zählt nicht", sagte Aramis wütend. Seine braunen Augen, die meinen so sehr ähnelten, funkelten nun wütend. "Du weißt ganz genau, was da draußen lauert und dass wir nachts nicht allein aus dem Haus gehen sollen, weil…"

"..weil da weniger Leute unterwegs sind und es deswegen für die Werwölfe einfacher ist, uns zu töten, ja, ich weiß", gab ich genervt zurück.
"Aber ich hab wirklich aufgepasst. Ich bin nicht dumm, Ramis."

Aramis holte tief Luft und stieß sie dann wieder aus.
"Das weiß ich doch, Nia", schlug er einen sanfteren Tonfall an, "ich mach mir nur Sorgen um dich."

Tja. Was konnte ich dagegen schon sagen?
"Ich weiß, aber du musst nunmal auch akzeptieren, dass ich schon groß bin und ganz gut allein auf mich aufpassen kann."

Sein Kiefermuskel zuckte, aber schließlich gab er nach.
"Versprich mir einfach, dass du das nicht nochmal machst, okay?"

"Okay", seufzte ich. Dann fiel mir etwas ein.
"Wissen Mama und Papa was davon?"

Er schüttelte den Kopf.
"Sie wundern sich nur, warum du so lange schläfst. Aber ich hab nichts gesagt."

"Danke", erleichtert atmete ich aus. Auf ihre Standpauke konnte ich nämlich gut verzichten.
"Aber wenn das noch einmal vorkommt, werde ich es ihnen sagen", meinte da Aramis ernst.
Ich seufzte, nickte aber.
"Verstanden. Wird nicht wieder vorkommen. Versprochen."
Aramis nickte nur. "Das hoffe ich für dich."
Danach wandte er sich ab und ging aus meinem Zimmer. Ich blieb noch einen Moment sitzen, blickte sehnsüchtig auf mein warmes, kuscheliges Bett...bis ich mich dazu aufraffen konnte, es zu verlassen.
Der Gedanke, dass ich heute ja noch Kilian treffen wollte, half zumindest.
Irgendwann war ich schließlich unten im Esszimmer und frühstückte.
Mein Vater las mir gegenüber die Zeitung, und hatte mir nur einen guten Morgen gewünscht ohne mein verspätetes Aufstehen zu kommentieren.
Natürlich konnte Mama das so nicht stehen lassen. Nachdem sie von unserem Garten draußen hereingekommen und ihre Hände gewaschen hatte, entdeckte sie mich am Küchentisch und hob die Augenbrauen.
"Na, sieh mal einer an, da hat es jemand doch noch aus dem Brett geschafft."

With or Without youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt