Kapitel 40 - Zweisamkeit

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Kilians p.o.v.

Sie war eine Stunde zu früh da. Absichtlich oder unabsichtlich? Ich wagte nicht zu fragen.
"Ich hab uns ein paar Snacks hingestellt und dachte, wir könnten vielleicht einen Film gucken?"

Vor dem Wohnzimmer blieb ich stehen und sah sie fragend an.
Wenn sie etwas anderes tun wollte, würde ich nicht nein sagen. Das Date sollte ihr gefallen, ich wollte ihre Wünsche nicht übergehen.
Doch sie zuckte nur mit den Schultern.

"Das hört sich gut an. Was hast du denn zur Auswahl?"

Ich grinste.
"Alles, was Netflix zu bieten hat."

Allerdings nur dank Derya. Nachdem ich ihr heute Morgen meine Pläne für mein Date mit Xenia erzählt hatte, hatte sie sich gleich darum gekümmert, dass Netflix bei uns funktionierte.
Entweder mochte sie mich wirklich oder Xenia war ihr ans Herz gewachsen. Oder aber sie wollte nur, dass wir wieder Frieden zwischen Hexen und Werwölfe brachten.
Wenn ich nicht an Xenia gedacht hatte, hatte ich an diese Prophezeiung denken müssen.
Doch ich kam einfach nicht darauf, was sie uns sagen wollte. Zu sagen, dass mich das frustrierte, war noch milde ausgedrückt.
Aber wie auch immer, darum konnte ich mich später kümmern.
Diese Zeit jetzt gehörte mir und Xenia und ich wollte sie voll ausnutzen und genießen und nicht mit Gedanken an andere Dinge verschwenden.

Zusammen setzten wir uns auf die Couch, mit einem kleinen Abstand, der mich allerdings nicht daran hinderte in Versuchung zu geraten, wie Xenia wahrscheinlich dachte.
Verdammt, ich hatte nicht gelogen, als ich gesagt hatte, dass ich jederzeit in Versuchung war.
Ich war mir dieser perfekten Stelle an ihrem Hals nur allzu genau bewusst…

"Kann ich dich was fragen?", kam es da plötzlich zögerlich aus Xenia heraus, während sie stur auf den Fernseher starrte, mit der Fernbedienung in der Hand.
Sie war bereits auf Netflix und suchte nach Filmen.
"Klar. Du kannst mich alles fragen, was du willst", erwiderte ich.

Sie nickte und befeuchtete sich die Lippen. Mist. Ich sah weg und den Trailer von Aquaman an, der gerade auf Netflix gezeigt wurde.
"Ich hab nachgedacht und…", Xenia stockte kurz, aber ich wartete geduldig ab.
"Na ja...bei der Markierung…"
Unwillkürlich spannte ich mich an und mein Blick schoss zu ihrem Hals. Verdammt. Ich dachte, wir hätten dieses Thema geklärt. Wenn sie noch öfter darüber sprach...ich ballte die Hand zur Faust und zwang meinen Blick wieder zum Fernseher.
"Wo würdest du mich beißen?"

Überrascht blinzelte ich.
"Was?"
Ich wandte ihr den Kopf zu und sah sie fragend an. Doch ihr Blick blieb auf den Fernseher gerichtet, und ich konnte sehen, wie ihre Wangen rot anliefen.
"Du hast gesagt, dass man sich beißt, aber keine Stelle genannt. Ich meine, gibt es eine bestimmte Stelle oder ist das je nach Werwolf anders, also je nach Vorliebe? Oder…"

Okay, ich hatte tatsächlich vergessen, wie unwissend sie war.
Dabei musste ich so langsam wissen, dass sie keine Werwölfin war und nichts von unseren Bräuchen wusste.
Trotzdem. Ich hätte nie gedacht, dass mir diese ganze Matesache einmal so peinlich sein könnte.
Nun starrte auch ich auf den Fernseher, wo gerade der Trailer von einem anderen Film lief. Ich bekam kaum was davon mit.
"Es gibt eine besondere Stelle, die ist für jeden Werwolf gleich."

Ich konnte nichts dagegen tun, dass vor meinem inneren Auge das Bild ihres hübschen elfenbeinfarbenen Halses auftauchte und diese eine Stelle...ich biss die Zähne zusammen und holte tief Luft, beruhigte mein klopfendem Herz ein wenig.
"Sie liegt am Hals."

"Was?", kam es da erschrocken von Xenia. Fragend drehte ich ihr den Kopf zu und erkannte, dass sie mich schockiert ansah.
"Dann beißt ihr einem also in den Hals wie ein Vampir? Was ist mit der Halsschlagader? Und saugt ihr dann das Blut aus wie …"

"Nein!", protestierte ich fest. Oh Gott, auf was für Gedanken kam sie nur? Blut trinken...igitt, nein, danke.
"In jedem Werwolf ist es quasi instinktiv angelegt, die richtige Stelle zu finden, man kann die Halsschlagader gar nicht treffen. Und wir trinken auch kein Blut", bei der Vorstellung verzog ich angewidert das Gesicht.
"Es ist nur ein kurzer Biss, wir lecken über die kleine Wunde und sie schließt sich auch sofort wieder. Ganz und gar nicht wie ein Vampir."

Sie schien nur halbwegs überzeugt, nickte aber. Dann richtete sie ihren Blick wieder auf den Fernseher und suchte weiter.
Ich fuhr mir frustriert durch die Haare.
Sie sollte es verstehen und vor allem: keine Angst davor haben. Vielleicht war das egoistisch gedacht, aber wie jeder Werwolf seine Mate wollte ich sie markieren. Und dafür brauchte ich ihre Einverständnis, sie sollte es schließlich auch wollen. Nie könnte ich ihr die Markierung aufzwingen.

Gerade wollte ich dazu ansetzen, ihr zu erklären, dass sie wirklich keine Angst davor zu haben brauchte, als ich Schritte aus dem Treppenhaus hörte.
Nach dem Gang zu schließen, musste es Derya sein. Sie hatte noch etwas einkaufen wollen und kam jetzt zurück. Na toll. In ihrer Anwesenheit wollte ich ungern dieses Thema anschneiden. Am Ende ermahnte sie mich nur wieder, dass ich Xenia nicht drängen sollte.
Also seufzte ich und sagte zu Xenia:
"Derya kommt."

Überrascht drehte Xenia mir den Kopf zu, bis ihr wohl wieder einfiel, woher ich das wusste.
Da wurde auch schon ein Schlüssel ins Schloss gesteckt und herumgedreht. Derya kam mit einer vollen Tüte herein.
Ich hätte ihr angeboten, beim Tragen zu helfen, aber sie war eine Werwölfin. Solch ein Angebot hätte sie nur beleidigt, also unterließ ich es.
"Kann ich dir helfen?", fragte stattdessen Xenia hilfsbereit und war schon halb aufgestanden, als Derya nur den Kopf schüttelte und ihr bedeutete, sich zu setzen.

"So alt bin ich noch nicht, dass ich keine Tüte tragen kann", meinte sie zwinkernd.
Sie ächzte nicht einmal, als sie sie in die Küche trug und dabei war diese Tüte rappelvoll.
"Bleibst du zum Abendessen, Xenia?", fragte Derya.

"Wenn es keine Umstände macht,", erwiderte Xenia schüchtern.

"Papperlapapp", meinte Derya daraufhin, "natürlich bereitet es keine Umstände. Magst du Spaghetti Bolognese?"

"Ja, klar."

"Wird gemacht", erklärte Derya. "Sagt, habt ihr schon über die Prophezeiung nachgedacht?"

Ich runzelte die Stirn. Musste sie das erwähnen? Ich wollte die Zeit mit Xenia nicht mit Kopfzerbrechen über diese Prophezeiung verschwenden.
Aber offensichtlich war Derya der Meinung, dass ich genau das tun sollte.
"Was frage ich überhaupt, natürlich nicht", sie kam aus der Küche herausgelaufen und blickte uns mit den Händen in den Hüften streng an.
"Aber ihr müsst verstehen, wie wichtig das Ganze ist. Ihr könnt noch immer euer Leben und eure Liebe genießen, wenn ihr eure Aufgabe erledigt habe. Aber davor müsst ihr etwas tun. Damit es überhaupt ein Danach für euch geben kann."

Ich biss die Zähne zusammen und wollte ihr gerade mitteilen, dass sie uns unsere Aufgabe auch einfach sagen konnte. Sie war eine vates, sie könnte uns bestimmt mehr als nur behilflich sein.
Doch bevor ich den Mund öffnen und ihr genau das vor die Füße werfen konnte, schaltete Xenia sich schon ein.
"Du hast ja recht." Wie bitte? "Du hast die Prophezeiung nicht zufällig schriftlich?"

Derya lächelte sie zufrieden an.
"Tatsächlich ja. Ich habe mir gedacht, dass ihr es lieber auf dem Papier haben wollt."

Sie holte einen Zettel aus ihrer Hosentasche, faltete ihn auf und reichte ihn Xenia.
"Wenn ihr meine Hilfe brauchen solltet, ruft mich, in ein paar Dingen kann ich euch helfen, wenn auch nicht in allen."

Xenia nickte dankend und studierte den Zettel, bevor sie sich mir zuwandte.
Ich starrte nur Derya verständnislos an.
"Und wieso hast du uns dann Netflix besorgt, wenn wir uns um die Prophezeiung kümmern sollen?", fragte ich sie dezent genervt.

Sie grinste mich nur zuckersüß an.
"Für den Fall, dass ihr sehr schnell auf eine Lösung kommt. Und wenn nicht, kann ich es immer noch gebrauchen."
Und mit einem Zwinkern kehrte sie wieder in die Küche zurück.
Ich schüttelte nur den Kopf, bevor ich mich schließlich Xenia zuwandte.
So hatte ich mir unser zweites Date nicht vorgestellt. Hoffentlich bekamen wir diesen Scheiß schnell enträtselt.

With or Without youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt