Kapitel 44 - Sorge

240 17 0
                                    

Xenias p.o.v.

Besorgt saß ich auf meinem Bett und starrte das Handy vor mir an, darauf wartend, dass es klingelte. Aber nichts geschah. Und das bereits seit gefühlten Stunden. Oder wie lange auch immer ich schon hier saß und auf eine Nachricht von Kilian wartete.

Es wäre mir sogar egal, was er schrieb. Ob es ein: mir geht's gut, wollen wir uns morgen treffen?, war oder was anderes, Hauptsache, er schrieb etwas.
Aber bisher war da nichts.

Und so machte ich mir weiter Sorgen.
Natürlich hätte ich dem ein Ende machen können, indem ich ihn mithilfe meiner Magie stalkte, aber das wäre eine Verletzung seiner Privatsphäre und war somit tabu. Meiner Meinung nach sollte man Magie nicht missbrauchen, und schon gar nicht auf Kosten anderer. Also war die Nutzung von Magie gerade nicht akzeptabel. Zumindest für mich. Leider gab es genügend Hexen und Hexer meiner Art, die mit fadenscheinigen Argumenten genau das taten.

Aber ich dachte mir immer, wenn ich damit anfing, kleine inakzeptable Dinge zu rechtfertigen, wo führte das dann hin? Würde ich dann nicht irgendwann schreckliche Dinge rechtfertigen? Meiner Meinung nach schon. Also fing ich gar nicht erst damit an.

Nachdem ich noch eine Weile länger auf das schwarze Display meines Handys gestarrt hatte, wurde es mir schließlich zu blöd. Er wollte mir entweder nicht schreiben oder er konnte einfach noch nicht. Natürlich. Er hatte ja gerade ziemlich viel zu verarbeiten, da war es egoistisch, eine Nachricht von ihm zu verlangen. Auch wenn es mir wehgetan hatte, als er mich weggeschickt hatte, so konnte ich ihn doch verstehen. Vermutlich hätte ich auch zuerst allein sein wollen. Besonders, da wir uns noch gar nicht lange kannten.  Und selbst wenn, in einer Beziehung brauchte man seinen Freiraum. Auch wenn ich ihm nur allzu gerne beigestanden hätte bei dieser Entdeckung. Aber ich konnte ihn zu nichts zwingen, auch nicht zu seinem Besten. Wenn es das denn überhaupt war. Wer wusste schon, ob ich ihm hätte helfen können.

Da ich mich ablenken musste und dabei etwas Nützliches tun wollte, griff ich nun nach meinem Handy, machte es an, ging auf WhatsApp, öffnete den Chat mit Lilian und schrieb:
Hey, ist noch was von dem Schokokuchen von gestern übrig? Wenn ja, könnte ich schnell vorbeikommen?😊

Ganz unauffällig, wie ich fand. Wenn ich erst bei ihr war, blieb das hoffentlich so.
Die Antwort kam nur Minuten später:
Ja, klar, du bist hier immer willkommen ☺️

Okay, super, danke, ich mach mich dann mal auf den Weg 😊, schrieb ich und leistete meinen Worten auch gleich Folge. Auf, dass wir mit dem Mysterium um die Prophezeiung weiter kamen.

Auf dem Weg zu Lilian dachte ich weiter über die Prophezeiung nach. Besonders die Worte von Mutter Erde geschaffen spukten mir im Kopf herum. Erst Derya und jetzt auch Kilian? Wie viele Hexen hatten sich noch mit dem Feind, den Werwölfen, vereint? Wie viele Mischlinge gab es noch? Und wie hatten sie das vor ihrer Art verheimlichen können?

Vielleicht sollte ich Derya das mal fragen, sie musste es schließlich wissen. Aber besonders um Kilian machte ich mir Sorgen. Denn für mich mochte es nicht schlimm sein, dass er ein Teil Hexe war, für ihn jedoch schon. Ich wusste nicht, was er fühlte, hatte ich etwas Ähnliches ja nie selbst erlebt. Aber was wäre, wenn mir gesagt wurde, dass ich zum Teil Werwölfin wäre? Dass meine Eltern dies vor mir verborgen hätten? Dass ich einen Teil des Feindes in mir tragen sollte?
Ich konnte es mir kaum vorstellen. Kilian hatte nun viel zu verarbeiten. Und obwohl ich ihm dabei bestimmt nicht helfen konnte, obwohl er deutlich gemacht hatte, dass er allein sein musste, wäre ich nun am liebsten bei ihm. Hätte es ihm irgendwie leichter gemacht. Aber was würde es schon helfen, was ich sagte?

Denn ich hatte gut reden, ich war selbst eine Hexe.
Ich konnte nicht nachempfinden, wie es ihm ging, konnte ihm keinen Rat anbieten, sondern ihn höchstens trösten. Was er offensichtlich nicht wollte. Und auch wenn ich es verstehen konnte - jeder brauchte nunmal irgendwann seine Ruhe - trotz dessen, gab es mir einen leichten Stich, dass er mich nicht bei sich haben wollte. Was total dumm war. Aber ich konnte meine Gefühle nunmal nicht ändern.
Seufzend ließ ich von dem Thema ab und richtete meine Gedanken stattdessen auf den weiteren Verlauf der Prophezeiung. Ich hatte den Zettel mitgenommen und nahm ihn nun aus der Hosentasche, da ich die Prophezeiung nicht auswendig kannte.

With or Without youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt