Kapitel 37 - Das Gespräch

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Xenias p.o.v.

Kilian war ohne Zweifel erschöpft, das sah ich ihm selbst im Halbdunkel an. Vielleicht war es doch keine gute Idee gewesen, ihn gerade jetzt darauf anzusprechen, auch wenn ich nur deswegen hergekommen war.
Er hatte mich zwar gebeten, es zu sagen, aber ich wusste, dass ihm dieser Albtraum zugesetzt hatte.
Nie würde ich vergessen, wie er wild um sich geschlagen und stille Tränen vergossen hatte.
Was auch immer der Grund für diesen Alptraum war, er musste schrecklich sein.
Ich hätte ihn jetzt nicht mit diesem Thema behelligen sollen.
Aber nun war es zu spät.
Also wartete ich schweren Herzens ab.

Kilian fuhr sich ein paar Mal nervös durch die Haare, als müsste er sich erst sammeln. Ich ließ ihm die Zeit, wartete geduldig ab, bis er bereit war.
Wo ich auf dem Hinweg nur so auf die Antwort gebrannt hatte, war da nun nichts mehr außer Sorge um Kilian, dass ich ihn zu weit trieb.
"Du musst nicht..", fing ich schließlich an, doch er hob nur still die Hand und ich verstummte.

"Ich wollte es dir sowieso sagen, also warum nicht jetzt?", fragte er resigniert und seufzte wieder.
Ich biss mir auf die Lippe und wartete geduldig ab.

"Die Markierung…", fing Kilian schließlich an.
"Sie ist uns Werwölfen heilig, denn sie ist ein Zeichen der Vereinigung von Mates. Wenn zwei Mates sich markiert haben, sind sie tatsächlich miteinander verbunden. Jeder Werwolf kann es riechen, denn der Geruch des einen Mates ist mit dem des anderen vermischt. Aber zudem können die Mates auch die Gefühle des anderen spüren."

Die Gefühle des anderen spüren? Das war ja gruselig. Fast wie Gedankenlesen, ein Eingriff in die Privatsphäre, dachte ich unbehaglich.

"Man kann sich natürlich dagegen wehren, kann seine Gefühle abschotten und auch die des anderen", fügte Kilian hinzu. Er musste mein Unwohlsein bei dem Gedanken bemerkt haben.

"Und wie läuft das ab?", fragte ich unsicher. "Also mit dem Beißen? Tut das nicht weh?"

Er wandte den Blick ab und ich konnte es in diesem fahlen Licht nicht genau sagen, aber wenn mich nicht alles täuschte, dann …Dann errötete Kilian gerade. Ich blinzelte. Aber das Bild blieb dasselbe. Kilian war verlegen. Wow. Dass ich das noch erleben durfte. Irgendwie war das süß.

"Nun ja,...", fing er langsam an und tatsächlich: selbst sein Tonfall war voller Verlegenheit.
"Der Mate versucht natürlich, das...Beißen so angenehm wie möglich zu gestalten, aber natürlich ist es nicht ganz ohne Schmerz. Man kann es mit...mit dem ersten Mal Sex bei einem Mädchen vergleichen. Ein kurzer Schmerz, aber danach das schönste Gefühl auf Erden."

Okay, nun leuchteten auch meine Wangen rot. Und ich konnte nichts dafür, aber vor meinem inneren Auge sah ich wieder Kilian vor mir stehen, nur in Boxershorts, wie wir am Bach waren und...verdammt, ich musste das Thema wechseln, sonst fing ich noch an zu sabbern.

"Und was hat es mit dem Gefangensein auf sich?", fragte ich daher schnell. Nur war es nicht geplant, dass meine Stimme dabei so atemlos klang. Hoffentlich bemerkte Kilian es nicht.

Oder vielleicht war es ihm auch egal, denn nun wandte er mir den Blick zu und sah mir fest in die Augen.
"Man fühlt sich bei seinem Mate nicht gefangen, niemals."
Seine Stimme klang so fest und sicher, dass ich nicht anders konnte, als ihm zu glauben.
"Der Mate, der Seelengefährte, ist das Gegenstück von dir, das Puzzleteil, das nur zu dir passt und nach dem du dein Leben lang suchst, ohne es zu wissen. Es macht dich vollständig. Wenn man es erst gefunden hat, will man es nicht missen, will ohne es nicht leben wollen. Es ist wie die wahre Liebe, nur stärker. Und selbst wenn man sich aus irgendeinem Grund von seinem Mate trennen wollte", Kilians Tonfall machte klar, dass er das für unmöglich hielt, "dann kann man das tun. Man ist nicht gefangen. Es wird zwar schwer sein, weil man seine große Liebe verlässt, aber es ist möglich."

With or Without youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt