Kapitel 8

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Sirenen. Lichter. Und laute Stimmen.

Dabei fühlte es sich so dunkel und einsam an.

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,,Es tut uns sehr leid für Ihren Verlust. Haben Sie jemanden, bei dem Sie bleiben können?"
Die Krankenschwester die gerade aus dem Raum meiner toten Mutter kam, sah mich an. Sie wirkte fürsorglich und traurig. Doch es war ihr eigentlich egal. Hier starben täglich jede Menge Menschen und sie tat so, als hätte sie mich jetzt zu bemitleiden, jetzt, wo ich doch sowieso am Ende war.

Um auf ihre Frage einzugehen, schüttelte ich den gesenkten Kopf. Ich musste sie nicht anschauen, um zu wissen, dass es sie nicht interessierte und sie bloß ihre Nachtschicht beenden wollte, um von diesem grauenvollem Alltag einmal eine Pause zu bekommen.
Wer will den bitte auch jeden Tag dabei zusehen, wie Menschen sterben? Die einen Schuld, die anderen weniger Schuld.

,,Bleiben Sie jetzt in dem Haus ihrer Mutter?"

Ein erneutes Kopfschütteln. Wie denn auch? Ich hatte kein Geld. Ich hatte nicht nur kein Geld, ich hatte gar nichts. 

,,Haben Sie Geld für eine Unterkunft?"

Zum dritten Mal schüttelte ich meinen Kopf. Ich hätte Geld, wenn ich nicht 4 Jahre lang in einem scheiß Raum gefangen gewesen wäre, aus dem ich nur entkam, wenn ich dafür meinen Entführer befriedigte.
Und wenn das alles nicht geschehen wäre, wäre ich nicht einmal in dieser Situation gewesen. Sowohl mein Vater als auch meine Mutter würden jetzt noch weiter leben. Beide sind nur durch mich gestorben. Es ist und bleibt meine Schuld.

Manche Leute sagen: ,,Zeit heilt Wunden."
Aber stimmte das wirklich? In meinen Augen kompletter Mist.
Wie sollte Zeit in meiner Situation Wunden heilen, wenn es Narben waren, welche mich nun für immer begleiten würden? Nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich.

Irgendwann werde ich vielleicht wieder lachen können. Doch dann denke ich an die Zeit zurück und frage mich, was wohl wäre, würden sie noch hier sein. Und schon sind diese Wunden wieder zu sehen. 

Zeit heilt nichts, sie macht alles nur schlimmer. Denn all diese Zeit hätte man bewusst nutzen können, man hätte glücklich sein können, und wenn man daran auch nur denkt, verschwindet das Glück und es wird durch ewiges Leid ersetzt. 

,,Sie haben also weder ein Zuhause, noch Geld, um sich eines zu beschaffen.", stellte die Krankenschwester noch einmal klar und dieses Mal nickte ich bestätigend. 
,,Das tut mir leid. Ich hoffe, Sie finden irgendwas. Sicherlich gibt es hier irgendwo Orte für Obdachlose, an denen Sie etwas zu essen finden und einen Schlafplatz ebenso."
Ich antwortete nicht, ließ mir diese Worte durch den Kopf gehen und nickte erneut.

Ich saß in einer Gasse, drückte mich an die Mauer und sah dabei zu, wie der Regen auf meinen Körper klatschte und meist den Weg auf den Boden fand.
Während es immer mehr Regen wurde, starrte ich unbemerkt ein Paar an, welches sich mit seinem Baby durch den Regen kämpfte und unter ein Abdach floh. 

Ich machte mir nicht einmal die Mühe, dem Regen zu entkommen. Ich mochte ihn. Er war zwar kalt und es bestand die Gefahr, krank zu werden, aber was änderte das? Ich hatte keine Medizin, aber genauso wenig auch den Willen, überhaupt noch am Leben zu sein.

Eigentlich könnte ich mich jetzt vom bestnächstem Gebäude in den Tot stürzen, aber ich konnte es nicht, ich war dazu einfach nicht in der Lage und ich wusste nicht wieso.
Vielleicht gab es da doch einen Funken Lebenswillen in mir, vielleicht auch Hoffnung, aber es fühlte sich so an, als wäre da draußen irgendwas, was mich am Leben hielt.

Selbst wenn ich es nicht einmal kannte.

𝗙𝗥𝗘𝗘 - 𝚃𝚑𝚎 𝚏𝚎𝚎𝚕𝚒𝚗𝚐 𝚘𝚏 𝚋𝚎𝚎𝚒𝚗𝚐 𝚕𝚘𝚟𝚎𝚍 || 𝑆𝑐ℎ𝑜𝑘𝑖Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt