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Elide

Siebenundzwanzig Männer patrouillierten gleichzeitig die gesamte Basis. Zehn den untersten Stock, den entscheidenden Teil der Basis. Den Teil, in den Graciela den Sprengstoff schmuggeln würde, denn dort konnten sie alle durch die offenen Lüftungskanäle hindurch, welche genau wie die waren, die Elide bei ihrer Gefangenschaft in der letzten Basis erfahren hatte - sie hatte sich an die Luftzüge und die Patrouillenart erinnert, sie wiederholt, eingeprägt, noch bevor sie überhaupt auf die Mission, Grace zu entführen, gekommen war.
Sie packte eine Maschinenpistole und lud sie, bevor sie sich um die Schultern warf und Wurfmesser ebenfalls für den Fernkampf an ihren liken Oberschenkel band, die Dolche packte sie an ihren rechten Oberschenkel, sodass sie im Nahkampf schneller zu ziehen waren. Natürlich hatte sie ihre Krallen, aber die Dolche schadeten wohl kaum. Und wegen der Reichweite, die ihre Krallen ihr nicht boten, trug sie Anubis auf ihren Rücken geschnallt. Peggy, die ebenfalls eine Beretta Modell 12 bei sich trug (und darüber hinaus noch einen Revolver an der Hüfte), musterte das Schwert mit schiefen Blick. "Sollte ich fragen, woher du das hast?"
Elide grinste, während sie sich daran machte, ihr Haar zu flechten. "Eine lange und spannende Geschichte. Ich erzähl's dir sobald wir in Slow Motion von den Explosion weggehen und Russland auf nimmer Wiedersehen sagen."
Sam stieg in den natürlich gestohlenen Bulli ein und reichte Bucky seine Hydra Uniform mitsamt Helm, während er Peggy eine Brosche reichte, die sie als Krankenschwester auswies. Bevor die Tür sich schloss, hob Sam eine Kiste auf Rädern in den Wagen.
Bucky kniff misstrauisch die Augen zusammen. "Und dadrin sollen wir dich hineinschmuggeln?"
Sie nickte, mit dem einzigen Bedenken, dass ihr Schwert vielleicht doch zu groß war. Sie seufzte und legte es beiseite.
"Selbst ohne das Schwert, ist die Kiste zu klein", kritisierte Mr Snow und Sam selbst sah nicht überzeugt zwischen der Kiste und ihr hin und her. Dabei war es nicht die Größe der Kiste an sich, die ihr Unbehagen bereitete, sondern der Gedanke, dass sie eine Panikattacke haben könnte, wenn sie es nicht schaffte, ihren Verstand davon zu überzeugen, dass die Wände sich nicht auf sie zu bewegten und sie zerquetschten.
"Die Kiste ist groß genug, keine Sorge", erwiderte sie und versuchte sich mit den Worten selbst zu überzeugen. "Als Kind bin ich, nachdem ich von zuhause weg lief, von einem Zirkus aufgenommen worden und wegen meiner Hyperflexibilität trainierten sie mich zu einer Kontorsionistin, als die ich dann auch eine Zeit lang aufgetreten bin."
"Du bist also ein Schlangenmensch?" Sam's Stimme klang beinah bitter, als er in die Runde sah. "Noch irgendwelche Talente, von denen ich wissen sollte?"
"Ich kann durch Wände gehen."
"Wissen wir, Graciela, deshalb bist du ja hier."
Das Mädchen gab etwas auf Spanisch zurück, das sie eventuell von Elide in englischer Form aufgeschnappt hatte. Ein kleines Schmunzeln schlich auf ihre Lippen, ehe sie mit den Beinen in die Kiste stieg und ihren Körper so zusammenfaltete, dass Sam die Kiste mühelos verschließen konnte.
"Alles gut darin?", hörte sie Buckys leicht gedämpfte Stimme. 
"Nope. Es stinkt nach Rattenleichen, die in alten, vergammelten Ketchup getunkt wurden."
"Alles klar", kam es erledigt von Sam und sie konnte förmlich sehen, wie Peggy das Gesicht verzog. "Danke für das Bild in meinen Kopf, Dicey."
"Immer gern, Peg'."
"Also dann. Los geht's."

Nach den ersten Metern fragte Elide sich, was der Auslöser für das schlechte Gefühl in ihren Magen war. War es der Geruch? Die Enge? Das Rumpeln? Zweifel was den Plan betraf? Vielleicht war es ein Zusammenspiel aus allen Faktoren, vielleicht auch nur ein Ergebnis eines leeren Magens, es machte keinen Unterschied. Nur noch ein paar Minuten, dann müssten sie dort sein. Nur noch höchstens eine Stunde, dann würde es vorbei sein.
Nun, dies war die Überzeugung, an die sich krampfhaft klammerte und ihr Bauchgefühl sagte ihr, alle anderen Teammitglieder ging es ebenso. Gut, Teammitglieder war vielleicht nicht der richtige Begriff für das, was sie waren. Freunde auch nicht wirklich, immerhin war sie sicher, dass niemand von ihnen freiwillig mit den anderen zusammenarbeiten würde - nun außer Peggy vermutlich. Aber Peggy war, so sehr Elide sie auch schätze, unglaublich gutherzig und naiv. Sie selbst war ein kleines wenig überrascht davon, wie leicht es war, Peggy dazu zu bringen, ihr zu vertrauen und zu helfen. Und dann noch Sam. Oh Sam ... er hatte ja keine Ahnung, was sie in dem Plan eigentlich für ihn vorgesehen hatte.
Als sie die Basis betraten, dauerte es nur wenige Augenblicke, bis sie sich trennten und Sam die Kiste mit ihr weiterschob, den Wachen erzählte, es handle sich um eine Waffenlieferung. Was ja genau genommen nicht einmal eine Lüge war. Sie war ja praktisch eine Art Waffe, gefährlich, wenn man den falschen Knopf drückte.
Kaum waren sie alleine, öffnete Sam die Kiste und sie kletterte aus ihrer unbequemen Position heraus und streckte erst ihre steifen Glieder, bevor sie Sam ein Grinsen zuwarf.
"Bist du so weit?"
Er nickte, langsam und mit einem schlecht überspielten Gesicht, als wäre er von Zweifeln geplagt.
"Ich tu mal so als hättest du euphorisch 'Ja, Elide, ich bin sowas von bereit, Hydra in den Arsch zu treten!' gerufen."
Sam behielt seine geplagte Fresse bei, das sie herausforderte, sie ein kleines wenig zu zerkratzen. Aber noch nicht.
Sie beobachtete ihn dabei, wie er seine Waffen checkte, ehe er voranging und sie folgte, ihre Pistole gezogen, sobald er den linken Gang für frei erklärte. Die Schuhe ihres neuen Anzugs waren so leise auf dem Boden, dass selbst das Wasser, das durch die Leitungen floss, lauter rauschte und sie konnte hören, wie sich Schritte näherten. Sam merkte, wie sie innehielt. "Hörst du was?" Ein sarkastischer Kommentar lag auf ihrer Zunge, sie unterdrückte ihn jedoch, als die Schritte lauter wurden und der Geruch der Männer ihrer Nase erreichte. "Sie sind zu zweit", flüsterte sie.
Sam nickte knapp und lud seine Pistole, ihre Dolche kamen ihm jedoch zuvor und die zwei Hydra Typen landeten dumpf auf dem Boden. Sie beugte sich, um die Dolche aus den Schädeln zu ziehen, da spürte sie wie der Boden unter den schweren Schritten weiterer Wachen erbebte.
Bevor sie sie erreichten, riss sie die nächste Tür auf und zerrte die toten Wachen hinein und verschloss die Tür, nachdem ihr Sam hinein gefolgt war.
Bei dem Raum, in den sie sich nun versteckten, handelte es sich um eine Küche. Silberne Tische, Schränke und Küchengeräte standen auf dem weißen Fliesenboden. Ein Haufen verschiedener Messer hing an der Wand fast über dem Waschbecken - eins davon lag in der Spüle. Wasser brodelte in dem Kocher. Hier war vor kurzem jemand, der sicher gleich wiederkommen würde.
Wie als hätte man ihren Gedanken erhört, kam in jenem Moment ein Mann in Schürze und Haartuch um die Ecke.
Vor Schreck ließ er das Backblech in seinen Händen fallen, es krachte laut klirrend zu Boden.
"Fuck."
Elide griff nach den Messer in der Spüle und warf es direkt in den Rücken des Kochs.
Dann packte sie sich ein weiteres Messer und warf ein anderes Sam zu.
"Sie werden das Blech sicher gehört haben", stellte Mr Neunmalklug fest.
Sie verdrehte die Augen, "Ach, denkst du?", und stellte sich neben die Tür. Keine zwei Sekunden später wurde sie aufgestoßen und weitere Agents stürmten hinein.
Elide erstach den ersten, der hinein kam. Den zweiten riss sie zu sich an die Wand schnitt ihn mit demselben Messer die Kehle auf, während sie hörte, wie Sam zwei Schüsse losließ, was sie hatte vermeiden wollen. "Nutz das Messer! Ist leiser."
Während sie sich unter den Angriff des nächsten Agents hindurch duckte und ihm dabei mit ihren Krallen den Magen aufriss, anschließend nach seinem Nachvornestolpern das Messer in den Hinterkopf jagte, beobachtete wie Sam ein missgünstiges Gesicht machte, die Pistole jedoch wieder einsteckte und sein Küchenmesser nutzte, um es seinem Gegner in die Schulter und anschließend ins Herz zu rammen.
Elide drehte ihr eigenes Messer in den Gedärmen eines anderen Agents, bevor sie es wieder herauszog und blind in den Kopf des Agents warf, der soeben auf ihren Rücken zustürmte.
Ein weiterer Schuss fiel, aber es war nicht Sam, der wieder geschossen hatte, sondern ein bereits auf dem Boden liegender Agent, der auf sie geschossen hatte.
Elide blickte auf ihren Oberschenkel; auf das Blut, das durch den Stoff ihres Anzugs sickerte und das schwarz noch schwärzer färbte.
Dann lächelte sie. "Du und deine Freunde sollten doch wissen, dass es nichts bringt, mich anzuschießen."
Ihr Gegenüber spuckte nur ein Wort aus, bevor seine Lungen den letzten Atemzug ausstießen: "Gift."
Erneut blickte sie auf ihre Wunde hinab, die sich bereits wieder geschlossen und die Patrone ausgespuckt hatte.
Sie beugte sich, um die Kugel hochzuheben, nur um festzustellen, dass die Kugel eine feine Spitze hatte und wusste, dass es sich tatsächlich um eine Giftpatrone handelte. Wie zur Bestätigung wurde ihr schummrig vor den Augen und sie musste sich an der nächsten Tischkante stützen, um nicht zu fallen.
Die Patrone war jedoch klein und ihr Stoffwechsel schnell. Es konnte höchstens fünf Minuten andauern.
Fünf Minuten waren jedoch eine verdammt lange Zeit wenn es um Leben oder Tod - oder zumindest in ihrem Fall Ausschaltung und Gefangenschaft - ging.
Und Sam- oh Fuck.
Sie konnte nichts tun, als eine weitere Kugel ihr Fleisch zerfetzte. Diesmal war es Sam, der ihr in den Arm geschossen hatte.
"Du Bastard. Das war also von Anfang an dein Plan? Mich mit Gift auszuschalten?"
"Du wusstest es?"
Sie schnaubte verächtlich.
"Dass du uns verraten wolltest? Dass du zu Hydra für einen Deal gewechselt bist? Natürlich wusste ich es. Ich hab dich telefonieren gehört, als ich mich heute morgen mit Peggy unterhalten hab."
Als sie die Augen zusammenkniff, um ihre Sicht auf Sams ungläubiges Gesicht zu verschärfen, tippte sie sich auf ihr Ohr.
"Supergehör, schon vergessen?"
"Wenn du es da schon wusstest, warum hast du dann nichts getan?"
"Weil sich mein Plan nicht geändert hat. Ich hatte vor, dich umzulegen, sobald wir die Gänge frei gemacht haben und bei den Sprengsätzen ankommen sind, oder du eben den ersten Schritt versuchst, so wie jetzt eben."
"Naja. Jetzt eben bist du aber nicht in der Lage, mich umzubringen."
Er deutete mit seinem Gehstock auf sie, wie sie angestrengt versuchte, auf den Beinen zu bleiben und klare Sicht zu behalten.
Er trat näher auf sie zu, hob ihr Kinn.
"Wenn du drüber nachdenkst, sind wir gar nicht so verschieden. Du verrietest damals Peggy und die anderen. Nun verrate ich dich und die anderen. Peggy ist sogar auch dabei - ist nun zweimal von Hydra hintergangen worden. Erkennst du das Muster?"
Elide stieß ein Kichern aus. "Süß, wie du denkst, du wärst mit mir zu vergleichen. Aber ich mein, wenn du unbedingt willst: Vergiss dann aber nicht, dass ich von einen der damals Verratenen getötet wurde."
"Du bist zu schwach, um mich zu töten."
Sanfte hob er ihre taube Hand. "Du kannst ja nicht einmal deine Krallen ausfahren."
"Die brauch ich nicht, um dich zu töten", hauchte sie zurück und lehnte sich vor, legte ihre Lippen auf Sams und küsste ihn. Sie konnte seine Überraschung spüren, die ihn davon abhielt, sie wegzustoßen.
Als sie sich wieder zurückzog, starrte er sie verwirrt an. "Elide, was-"
Er hielt inne.
Realisierte.
Elide schenkte ihm ein Lächeln, so zuckersüß wie die Farbe auf ihren Lippen.
"Vergifteter Lippenstift, Darling. Ein Geschenk von Peggy."
Das Gift in ihren eigenen Adern betäubte sie immer noch stark, aber es reichte aus, um Sam so hart nach hinten zu treten, dass er stolperte und mit den Kopf gegen die Kante der Küchenplatte stieß. Sie griff nach dem heiß gekochten Wasser, das sie in sein Gesicht goss und lächelte bei seinem Schmerzensschrei.
Ungeschickt und bereits kurz vor der Ohnmacht tastete er um sich und schaffte es sogar, eins der vielen Messer vom Boden aufzuheben. Es viel ihm jedoch schwer, es wirklich festzuhalten, gelähmt wie er war.
"Sam, Sam, Sam", seufzte sie und kniete sich zu ihm, nur um ihn dann zu zwingen, aufzustehen und ihm das Messer in seinen Händen in die eigene Schulter zu rammen, den Haarschopf zu packen und ihn gegen die Wand zu schleudern.
Erneut packte sie ihn und zerrte ihn wieder auf die wackligen Bein, drückte ihn auf den Tisch.
Sam spuckte Blut bei dem Versuch, seinen Kopf näher an ihr Ohr zu heben.
"Zu spät", hustete er. "Du bist zu spät. Sie haben 'Bucky' bereits wieder zu dem Winter Soldier gemacht. Die Wachen lauerten gleich bei der ersten Kreuzung auf ihn."
Elides Muskeln erstarrten und das Gift ließ nach. Ihr Atem ging wieder schneller. Ihr Augen weiteten sich, die Sicht nun klar auf seine schmerzerfüllten Augen.
Sie hätte es gewusst. Sie hätte die Wachen riechen können, hätte die Kiste, in der sie hineingeschmuggelt wurde, nicht so stark gestunken, dass ihre Nase blind für jegliche andere Gerüche gewesen war.
Die Kiste, die Sam für sie besorgt hatte.
"Du Arschloch", knurrte sie, packte den Haarschopf und schlug seinen Schädel gerade so hart gegen die Küchenplatte, dass er anknackste, jedoch nicht zerbrach.
Seine Augen verdrehte sich und sein Atem rasselte. Blut tropfte auf den Boden.
Elide wünschte, sie hätte Zeit zu fragen, wie er selbst Bucky hintergehen konnte, nach all dem, was sie erlebt hatten, und was mit Peggy und Graciela war, aber die Zeit blieb ihr nicht.
Sie musste Bucky so schnell rausholen, wie es nur ging.
Also testete sie an Sam, ob sie ihre Krallen wieder ausfahren konnte und lief los.

Black Jackal | Bucky FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt