Als Elide Yoshidas Anwesen neben dem Winter Soldier betrat, machte ihr Herz einen Sprung. Erst jetzt, wo sie den wertvollen Marmorboden unter den Absätzen ihrer hohen, schwarzen Schuhe hörte, den Geruch von edlen Parfüm vernahm und den teuren Schmuck und die schönen Kleider der eingeladenen Gäste im Schein der Kronleuchter funkeln und glitzern sah, wurde ihr bewusst, wie sehr ihr das gefehlt hatte. Die Zeit in Hydras dunkler, kalter und deprimierender Basis hat sich wie ein Leben in einer Erdhöhle angefühlt – nun kam es ihr vor, als stünde sie in einem Palast aus Kristallen und Gold.
Sie richtete ihren Blick auf die tanzenden Paare in der Mitte und ein kleines Schmunzeln zupfte an ihren Mundwinkeln. ,,Der beste Weg, uns unauffällig umzusehen, ist zu tanzen", sagte sie und sah dabei zu Frosty, welcher zugegebenermaßen gar nicht mal so übel aussah: Sein kinnlanges, dunkelbraunes Haar war trotz der Tatsache, dass er sich auf Cranes Befehl hin gekämmt hatte, ein wenig zerzaust, der elegante, schwarze Smoking betonte nur seine breiten Schultern. Seine eisigen, blauen Augen sahen sie auf die Art und Weise an, als hätte sie über etwas unmögliches wie fliegende Schweine geredet.
Schließlich antwortete er mit emotionsloser Stimme: ,,Ich bin kein guter Tänzer."
Elide verdrehte die Augen, packte Bucky an der Hand und zog ihn mit auf die Tanzfläche. Zwar war es nicht unbedingt die Art von Musik, zu der sie liebend gern tanzte, sondern eher Mozart-inspirierte Musik, allerdings wollte sie sich die Gelegenheit zu tanzen keineswegs entgehen lassen.
Tanzen war Freiheit, Tanzen war eine Blüte oder ein Vogel in der Luft. Die Bewegung zu spüren war neuer Atem für Elides Körper. Sie konnte tanzen, bis der Schweiß auf den polierten Boden tropfte und ihr Spiegelbild rosa Wangen zeigte.,,Für jemanden der angeblich nicht tanzen kann, bist du gar nicht so schlecht", sagte sie amüsiert und leise genug zu Bucky, damit kein anderes Tanzpärchen, das an ihnen vorbei schwebte, aufmerksam auf sie wurde. Doch ehe er etwas erwidern konnte, blitzte etwas in ihrem Blickfeld auf. ,,Ich hab Yoshida gefunden", flüsterte sie. Der Kommunikator in ihrem rechten Ohr begann zu Rauschen. ,,Gesellt euch zu ihm", folgte Cranes Anweisung, der sie auch nachgingen.
Begleitet von ihrem mehr oder weniger gesprächigen Freund, verließ sie die Tanzfläche und trat zwischen die viel jüngeren Frauen, die den etwa vierzigjährigen Mann wie Fliegen umwimmelten.
Sie verkniff sich jedoch einen unhöflichen Kommentar, senkte stattdessen kurz ihren Kopf zur Begrüßung. ,,Wir wünschen Ihnen alles gute zum Geburtstag, Mr Yoshida", sagte Elide mit honigsüßer Stimme und klimperte mit ihren langen, schwarzen Wimpern, um die Interesse des Mannes zu wecken, der so offensichtlich von der jungen Frauenwelt begeistert war. Der Japaner verzog die schmalen Lippen zu einem Lächeln. Seine dunklen Augen wanderten an ihr auf und ab und es kostete sie alle Mühe, ihm nicht auf der Stelle ihre Krallen in seinen Hals zu jagen.,,Wie war Ihr Name noch gleich?", verlangte er zu wissen, ohne dabei den Blick von ihrem Körper zu nehmen. ,,Elaine Salvadore", erwiderte sie (gezwungen) lächelnd, ,,und das ist Bryan Baines." Nun nahm Yoshida doch endlich den Blick von ihr und sah zu dem Winter Soldier, der ihn mit dem Ausdruck einer ausdruckslosen Steinskulptur musterte. Der Japaner zog die Brauen hoch. ,,Oh, Sie sind also in Begleitung", stellte er mit hörbarer Enttäuschung fest und sah schnell wieder zu ihr. Elide nickte. ,,Er ist mein Laborpartner ... und wie Sie sehen, ist er ziemlich schüchtern, deshalb redet er nicht sonderlich viel in Gegenwart von Fremden", fügte sie hinzu um endlich zum Thema zu kommen, und ignorierte Buckys Blick, den er ihr zuwarf. Eine kleine Stichelei musste eben sein.
,,Sie sind in der Wissenschaft tätig?", fragte er überrascht. Nicht, nur überrascht, sondern schon eher erschrocken. Nicht etwa wegen dem Umstand allein, sondern deshalb, weil sie eine Frau war. Sie schluckte sich einen bissigen Kommentar hinunter und behielt ihr Lächeln aufrecht.
"Ja und um ehrlich zu sein, bin ich eine große Bewunderin Ihrer Arbeit." ,,Tatsächlich? Sie haben also meine Werke gelesen?"Oh Oh, schoss es Elide durch den Kopf. Und dieses eine Mal war sie doch ganz froh darüber, Cranes Stimme in ihrem Ohr zu hören. ,,Yoshida hat zwei Werke veröffentlicht: Eines handelt von Onkologie und bezieht sich spezifisch auf Spontanremission, das andere handelt von Regeneration", informierte der Brite sie und da sie noch nie zuvor von Onkologie oder Spontanremission gehört hatte, erzählte sie: ,,Das habe ich und ich kann nicht leugnen, dass mich ihr Buch über die Regeneration fasziniert hat. Ehrlich, Sie haben mich damit schwer beeindruckt."
,,Es scheint mir, als wäre regenerative Heilung eines Ihrer Themengebiete?" Sie nickte und damit log sie nicht einmal. Zumindest nicht direkt ... immerhin hatte sie tatsächlich Erfahrung mit einem regenerativen Heilungsfaktor: Sie kann körperliche Schäden ohne anhaltende Nebenwirkungen innerhalb von Sekunden heilen und regenerieren.,,Gut, Sinclair. Beweg' ihn dazu, euch einzuladen", meldete Crane sich wieder und Elide nickte leicht mit dem Kopf, auch wenn er es nicht sehen konnte. ,,Es würde mir und meinem Partner wirklich eine Ehre sein, wenn wir uns in Ruhe über das Thema austauschen könnten", sagte sie schließlich, als weitere Gäste auf sie zutraten und sich mit dem Geburtstags"kind" unterhalten wollten. ,,Die Ehre ist mir ganz meinerseits. Ich nehme an, Ihr reist bald ab. Wie wäre es also, wenn wir uns in den nächsten Tagen in meinem Labor treffen?" ,,Das wäre hervorragend", meinte sie und diesmal war das Lächeln auf ihren Lippen ehrlich gemeint. Sie fasste in ihre schwarz glitzernde Handtasche, zückte eine Visitenkarte und reichte sie Yoshida. ,,Meine Telefonnummer." ,,Vielen Dank. Ich werde Sie kontaktieren, sobald sich die Gelegenheit bietet." Damit verabschiedeten sie sich und Elide ließ erleichtert das freundliche Lächeln fallen, das sie dem Japaner vorgespielt hatte.
Zurück im Hotelzimmer, beredeten sie den weiteren Ablauf der Operation in Details und nachdem das erledigt war, und die Uhr Mitternacht schlug, verwandelte Elide sich in eine Fee.
Kleiner Scherz.
In Wahrheit verwandelte sie sich in einen todmüden Zombie im roten Schlafkleid. Doch egal wie müde sie auch war, sie fand keine Ruhe. Unruhig und gelangweilt wälzte sie sich in dem ziemlichen großen Bett, legte ab und zu die Füße auf ihr Kopfkissen oder machte Kerze, oder sie hing wie eine Fledermaus kopfüber vom Bett und beobachtete Crane, der auf dem Boden pennte. Vielleicht sollte sie sich auch auf den Boden legen? Schlief sie dann genauso schnell ein?
,,Was machst du da?", murmelte der schlafende Hydra Agent plötzlich, der doch nicht so ganz schlief. Oder redete er im Schlaf?Elide zuckte mit den Schultern, ehe sie ebenfalls leise antwortete: ,,Ich liege kopfüber auf dem Bett." ,,Das ist mir schon klar. Ich frage mich nur, warum." ,,Ich kann nicht schlafen." ,,Brauchst du nen' Teddybär?", hakte Crane nach und sie konnte den Spott in seiner Stimme hören. Nun war klar, dass er nicht schlief. ,,Brauchst du zufällig 'ne Sterbehilfe?", konterte sie und drehte sich zurück auf den Bauch. Crane öffnete seine Augen. ,,Ich kann nicht schlafen, weil dieser Boden nicht besonders bequem ist. Was ist dein Grund? Alpträume?" ,,Sehr lustig", schnaubte sie. ,,Aber wenn der Boden an deiner Schlaflosigkeit Schuld ist, kannst du auch ins Bett kommen."
Crane zog ungläubig die Brauen in die Höhe. ,,Hast du mich gerade wirklich gebeten, zu dir ins Bett zu kommen?", hakte er nach. ,,Bist du schwerhörig? Und du wirst natürlich auf der anderen Seite des Bettes schlafen." Daraufhin zögerte der Brite einen Moment, bevor er schließlich zu ihr ins Bett kroch, sich aber wie abgemacht auf die andere Seite legte. Tatsächlich brauchte es keine fünf Minuten, da schlief der Agent bereits. Frustriert starrte Elide an die kahle Decke des Hotelzimmers. Währenddessen fragte sie sich, ob Bucky bereits schlief oder ob er ebenso schlaflos im Bett lag. Ne, sicher pennte der ... obwohl ... schlafen Winter Soldier überhaupt? Nachdenklich kaute sie auf der Unterlippe herum, bis sie letztendlich aufstand und barfuß auf den kleinen Balkon trat. Die kalte Luft drang in ihre Haut ein, kühlte ihr Blut und versank wie nasser Beton im Knochenmark. Anders als die meisten Menschen - wobei sie sich fragte, ob sie überhaupt noch als solcher galt - empfand sie die eisige Kälte als angenehmer und beruhigender, als Wärme. Auf irgendeine Art und Weise hatte ihr Kälte schon immer dabei geholfen, sich vollkommen zu entspannen, selbst wenn es Winter und kein heißer Sommer war, in welchem man sich mit Eiscreme, kalten Getränken und Schwimmen abkühlen wollte.
Sie schloss die Augen und atmete die frische Luft ein, genoss, wie ein paar vordere Haarsträhnen in ihr Gesicht wehten und wünschte sich für einen Moment lang, dieses Augenblick in Bernstein einfangen zu können. Würde sie es können, so würde sie es tun. Von hier oben aus wirkte der Rest der Welt so klein und unbedeutend und ungefährlich. Leider wusste sie nur zu gut, dass sie nach dem Auftrag wieder zurück zur Basis musste, wo sie gefangen war wie ein Tiger im Zirkuskäfig. Ihr war bereits der Gedanke gekommen, einfach zu verschwinden, jetzt sofort. Aber die würden sie finden, und sie hatten den Code. Abgesehen davon: Was würde es bringen, jetzt wegzulaufen? Sie hatte keinen Ort, wo sie sich niederlassen könnte, und sie hatte auch niemanden da draußen. Sie versank zwar nur ungern in Selbstmitleid, allerdings musste sie sich selbst eingestehen, dass sie sich einsam und verloren fühlte. Wie ein Puzzlestück, das nicht ins Bild passte.
Erst nachdem die Sonne ihr ersten Strahlen erblicken ließ, und der Himmel sich in ein sattes orangepink färbte, verließ Elide den Balkon und legte sich ins Bett, um sich noch ein - zwei Stunden auszuruhen.
(Bild oben: Elide's Kleid)
Hey there! Wie findet ihr das Kapitel? Schreibt's bitte in die Kommentare :)
(Lol, fühle mich wie ne YouTuberin xD)Frohes Neues euch allen :D

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Black Jackal | Bucky FF
FanfictionElide Sinclair ist eine Gefangene Hydras, ein Experiment Hydras und Hydras liebste Waffe, was sie dem Supersoldaten-Serum zu verdanken hat, das durch ihre Venen pulsiert. Um nicht gefoltert zu werden, geht sie einen Deal mit Hydras Führung ein, der...