Kapitel 1 - Abstand halten

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Nach der Schule mache ich mich auf den schnellsten Weg nach Hause. Den ganzen Tag über lag meine Aufmerksamkeit bei diesem Jungen, Milos. Ich nahm fast nichts anderes, außer ihm wahr. Etwas, was auch meine Mitschüler bemerkten. Was ich an ihren Gesprächen und Gedanken erfuhr. Obwohl es mir sonst leicht fällt, so etwas unwichtiges auszublenden, gelang es mir heute nicht mehr. Ständig hörte ich etwas von dem, was sie sagten oder auch nur dachten. Gedankenlesen ist nun mal eine meiner Fähigkeiten, wobei dies jeder Vampir beherrscht, wenn es ihm beigebracht wird. Nur dass die sich auf die Menschen konzentrieren müssen, dessen Gedanken sie lesen wollen. Bei mir ist es anders... Ich musste lernen, mich abzuschirmen, da ich die Gedanken immer gehört habe, ob ich wollte oder nicht. Und nicht nur die, der Menschen. Auch die der Vampire, etwas was sonst keinem anderen Vampir möglich ist.

Ich parke meine Harley-Davidson Thunderbike in der Tiefgarage, wo noch einige andere Motorräder und auch die verschiedensten Autos stehen. Unser Vampirclan lebt etwas außerhalb der Stadt in einer großen Villa, umgeben vom Wald. Insgesamt sind wir 7 Vampire und 9 Menschen. Wobei das nur einer kleiner Teil unseres Clans ist. Wir sind auf der ganzen Welt verteilt, so wie auch andere Vampirclans. Der Großteil von uns lebt in Amerika, Los Angeles. Insgesamt besteht unser Clan aus über 200 Vampiren. Das wir hier nur zu siebt sind, liegt daran, dass das hier eine kleine Stadt ist, auch irgendwo in Amerika. Wenn noch mehrere von uns hier wären, würde es auffallen. Und auffallen wollen wir nicht. So können wir vorgeben eine Familie zu sein. Ich als einziger Jugendlicher, zwei geben vor, meine Eltern zu sein, einer mein älterer Bruder, eine meine Cousine und die anderen Beiden, die Eltern von ihr. Die Menschen geben dann einfach vor unsere Angestellten zu sein. Immerhin macht sich so ein großes Haus nicht von allein sauber und niemand glaubt, dass wir selber kochen würden. Was wir auch nicht tun, immerhin brauchen wir Vampire keine menschliche Nahrung. Auch wenn wir diese zu uns nehmen können und es unter den Menschen auch machen, damit wir nicht auffallen.

Der Fahrstuhl bringt mich nach oben, in den Flur ins Erdgeschoss, wo sich die große Wohnstube, das Esszimmer, die Küche, zwei Toilettenräume und ein Raum mit einem Swimmingpool befindet. Vom Flur aus, gegenüber der großen Eingangstür, ist eine breite Treppe, die sich im oberen Teil in zwei schmale Treppen, die jeweils in zwei verschiedene Richtungen gehen, gabelt. Somit führt eine Treppe in den Südflügel und die Andere in den Nordflügel des Gebäudes. Der Südflügel ist für die Menschen, der Nordflügel für uns Vampire. Der Grund dafür ist sicherlich klar.

Denn auch wenn für uns keine große Gefahr von der Sonne ausgeht, meiden wir sie doch so gut es möglich ist. Immerhin schwächt uns die Sonne soweit, dass wir mehr Blut brauchen. Normalerweise reicht es, wenn wir ein bis zwei Mal die Woche den roten Lebenssaft zu uns nehmen. Doch wenn wir tagsüber draußen sind, so wie ich in der Schule, brauchen wir bald jeden zweiten Tag Blut, damit wir nicht wegen Blutdurst verrückt werden und einfach einen Menschen angreifen und womöglich noch töten. Das ist immerhin nicht notwendig. Ein Biss schadet den Menschen nicht und es wandelt sie auch nicht, wie sehr oft behauptet wird. Um einen Menschen zu wandeln gehört schon mehr dazu. Deswegen leben auch Menschen bei uns im Clan. Die wissen, was wir sind und uns freiwillig von sich trinken lassen. Dafür können sie bei uns wohnen, werden von uns versorgt und wir bezahlen alles für sie, sei es Kleidung, das Studium oder Sachen für ihre Hobbys. Natürlich können sie auch arbeiten gehen, wenn sie wollen. Diese Menschen sind auch freiwillig bei uns und können jederzeit gehen und ein anderes Leben anfangen.

Ich begebe mich in die Wohnstube, wo ich mich erschöpft auf die weiße Ledercouch fallen lasse. Toni, der sich als mein Bruder ausgibt und aussieht wie 22 Jahre, sitzt in einem der zwei Ledersessel und schaut nun von seinem Buch, in welches er bis jetzt vertieft war, auf und sieht mich fragend an.

"Ist irgendwas passiert?", erkundigt er sich, während er das Buch zuklappt.

Bist du schon mal jemanden begegnet, von dem du deinen Blick nicht mehr abwenden konntest? Und an den du die ganze Zeit denken musst, obwohl er sogar im selben Raum mit dir ist? Der deine Aufmerksamkeit auf sich zieht, ohne dass du was dagegen machen kannst?

Vampirherz - SchicksalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt