Als ich nach Hause fahre, nehme ich einen Umweg. Ich muss unbedingt erst mal das Chaos in meinen Gedanken und in meinen Gefühlen ordnen. So aufgewühlt, wie ich im Moment bin, kann ich nicht zu den Anderen zurück. Sie würden gleich merken, dass etwas vorgefallen ist. Besonders Liane, welche die Fähigkeit hat, anhand der Aura eines Lebewesens die Gefühlslage von eben Jenen zu erkennen. Es ist nicht so, dass ich verheimlichen möchte, was heute passiert ist. Das auf keinen Fall, die Anderen müssen es erfahren, immerhin ist Amia eine Gefahr für uns alle. Nur ist es besser, wenn ich ruhiger bin, während ich ihnen alles erzähle. Solange dieses Gefühlschaos in mir ist, an dem nicht nur Amia Schuld hat, kann ich nicht vernünftig mit den Anderen über das Problem reden.
Während ich über den Highway in einem schwindelerregenden Tempo fahre und dabei den Fahrtwind auf der Haut meiner Arme spüre, immerhin trage ich keine Jacke über mein T-Shirt, denke ich zurück, an die letzten Minuten, die ich bei Milos war.
...
Nachdem ich mit meiner Erzählung fertig war, haben wir alle eine Zeitlang geschwiegen. Doch dann meldete sich die ältere Frau als erstes zu Wort.
"Dann hast du also die Fähigkeit die Gedanken von Menschen und Vampiren zu lesen und außerdem kannst du deine Gedanken übertragen." Es war keine Frage, sondern eine Feststellung. Und auch, wenn ich erst etwas überrascht war, dass sie gerade darauf zuerst zu sprechen kam und ich auch nicht darauf antworten müsste, nickte ich bestätigend. Normalerweise ist das nicht das Erste, was ich einem Menschen, der gerade von der Existenz von Vampiren erfahren hat, sage.
"Das heißt, du kannst jederzeit unsere Gedanken lesen? Was du sicher auch getan hast...", klagte mich Milos gleich an. Und genau dieser Vorwurf war ein Grund, warum ich es lieber nicht gleich am Anfang erzähle.
"Es stimmt, ich hätte eure Gedanken jederzeit lesen können, doch hab ich es nicht getan.", widersprach ich gleich. "Ich nutze diese Fähigkeit eher selten. Eigentlich nur, wenn ich merke, dass Jemand nicht ehrlich zu mir ist oder in Situationen, wo es um unsere Sicherheit geht.", erklärte ich dann noch.
"Ach ja? Und wie oft dachtest du in so einer Situation zu sein oder dass wir nicht ehrlich waren? Wobei letzteres auch seinen Grund hat, immerhin gibt es Dinge, die man nicht gleich Jedem erzählt.", erkundigte sich der Junge neben mir, wobei man ihm anmerkte, dass er meine Worte wohl eher als Ausrede empfand. Seufzend wandte ich meinen Blick von ihm ab und überlegte kurz, ehe ich antwortete: "Bei Cecilia.... eins, zwei Mal. Einmal um herauszufinden, warum sie sich so seltsam verhält, bei Fremden, wenn du nicht dabei bist. Und dann vorhin, weil ich wissen wollte, wie sie es aufnimmt, zu wissen, dass es Vampire wirklich gibt.", bei diesen Worten sah ich das Mädchen an, die den Blick erst leicht geschockt, dann etwas verärgert erwiderte, wobei meiner eher leicht entschuldigend war. Dann schaute ich zu der Großmutter der Zwei und erklärte weiter: "Bei ihnen etwas öfters, muss ich zugeben, aber nur, weil ich wusste, dass sie erkannt haben, dass ich kein Mensch bin. Mich hatte interessiert, wie viel sie wirklich wussten und ob sie mir und den Anderen meiner Art hier gefährlich werden könnten. Ob sie irgendeinen Groll gegen uns haben."
Die Ältere Frau nickte daraufhin nur, sie schien nicht wirklich überrascht oder verärgert. Aus ihren Gedanken entnahm ich auch, dass sie es sich schon gedacht hatte. Zum Schluss sah ich zu Milos, der mich mit zusammengekniffenen Lippen betrachtete, so als glaubte er zu wissen, dass ihm das kommende nicht gefallen würde.
"Und bei dir....", kurz stockte ich, überlegte, ob ich ihm wirklich die Wahrheit sagen sollte. Ich könnte einfach sagen, dass ich es nicht mal versucht hätte. Doch würde er mir dass sicher nicht glauben. Außerdem dachte ich, dass ich unsere Freundschaft noch retten könnte, wenn ich jetzt ehrlich war, auch wenn es gefährlich ist, zuzugeben, dass es mir nicht möglich ist, seine Gedanken zu lesen.
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Vampirherz - Schicksal
VampireEigentlich ist mein Leben nicht gerade aufregend und dass wo ich schon seit 660 Jahren ein Vampir bin. Sicher hab ich in dieser langen Zeit einiges erlebt, aber nichts, was mich jetzt so sehr aus der Bahn geworfen hätte. Bis auf eine Sache und diese...