Eine kühle Brise wirbelte ein paar Blätter auf und spielte neckisch mit meinem Haar. Ich nahm einen tiefen Atemzug der frischen, von dem Regen letzter Nacht gesäuberten Luft und betrachtete den Sonnenaufgang, der den Himmel in bunte Farben tauchte.
Gelb, orange, rosa, hellblau... Der Anblick war eigentlich ganz schön, änderte aber nichts an der Tatsache, dass es Montag Morgen war, und ich mich auf dem Weg in die Hölle befand... die Schule.Widerwillig schlurfte ich durch die Straßen des Dorfes. Die alten Reetdachhäuser zogen nur an mir vorbei, wie das Band eines Filmes. Nicht selten tuckerte ein Auto vorüber.
Der Bürgersteig, auf dem ich ging, setzte sich aus vielen, quadratischen Steinplatten zusammen und da ich nichts besseres zutun hatte, versuchte ich im gehen nicht die Linien dazwischen zu berühren.Über meine Kopfhörer lauschte ich meiner Playlist, überwiegend bestehend aus Evanescence, Three Days Grace, Skillet und natürlich Linkin Park.
Ich sah erneut zum Himmel, wo ein paar kleine, weiße Wolken vorüberzogen. Manchmal wäre ich auch gern eine Wolke...
Dann bräuchte ich nur weinen, um mich in Luft aufzulösen.Nein... so durfte ich nicht denken... Nicht, wenn ich doch viel lieber einer der Vögel dort oben wäre, die gerade in ihrem Schwarm in V-Formation den Himmel passierten. Wenn ich fliegen könnte, wäre ich längst raus aus meinem tiefen, dunklen Loch, bis hoch hinaus über die Wolken gesegelt, wo die Freiheit grenzenlos war. Und hätte ich die Welt dann von oben gesehen, hätte ich vielleicht endlich verstanden, wie schön sie doch war.
Doch ich war nun mal nur ein Mensch und nicht zum Fliegen geschaffen.
Ich kroch am Boden.Ich näherte mich der Schule, einem mehrstöckigen Gebäudekomplex, der mehrere hundert Quadratmeter umfasste.
Es war ein Gymnasium, das von der fünften bis zur dreizehnten Klasse reichte.
Die Fassade setzte sich aus alten, grauen Ziegelsteinen zusammen und wurde von symmetrisch angeordneten Fenstern unterbrochen. Die Pausenhöfe bestanden aus dreckigem Asphalt. Eine ätzende Gestaltung für eine ätzende Schule.
Ich betrat das Hauptgebäude.Kopf hoch, lächeln und Ärmel runter.
Wobei...
Ich ging ein wenig aufrechter und versuchte tatsächlich mir einzureden, dass heute ein besserer Tag werden würde. Nicht gut, aber besser.
Cassiel meinte, ich solle etwas an meiner Einstellung ändern und immer versuchen das beste aus der Zeit zu machen, die mir blieb.
Als ich daraufhin noch immer faul auf meinem Bett herumlag, hatte der Junge doch tatsächlich angefangen, mir die Haare zu kämmen und dabei gestrahlt, als hätte er sich damit einen Lebenstraum erfüllt.Auch hatte er mir das Versprechen entlocken können, mit dem Ritzen aufzuhören. In seiner Anwesenheit war mir das auch gar nicht schwer gefallen. Wenn er bei mir war, brauchte ich es nicht. Doch ich bezweifelte, dass ich es aus eigener Kraft schaffte diese Sucht zu überwinden.
Motiviert wie eh und je stapfte ich durch die Eingangshalle, in der sich sämtliche Schüler, sämtlicher Altersklassen in ihren Cliquen versammelten, schwatzend und sich amüsierend.
Ich ließ meine Blicke über die vielen, unterschiedlichen Gesichter schweifen. Es war schon irgendwie faszinierend. Es gab so viele Menschen auf dieser Welt und trotzdem war jeder individuell.
Jeder hatte seine eigenen Träume und Wünsche; jeder hatte seine eigenen Sorgen und Ängste; jeder hatte Dinge, die er gut oder eben nicht so gut konnte. Niemanden gab es zweimal, niemand war perfekt. Nur leider versuchte es jeder zu sein.
Wobei die Definition von perfekt eine große Spannweite hatte. Ab wann war man perfekt? Wenn man alles konnte, wusste und dem heutigen Schöhnheitsideal entsprach? Oder war es einfach das Gefühl, mit sich selbst zufrieden zu sein? Egal was es war, ich war es nicht.
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Du bist nicht allein
Teen FictionEr würde mich festhalten. Er würde sich mit aller Kraft an mich klammern und zurückzerren. Wenn es sein musste, würde er mich nie wieder los lassen. So ein Mensch war er. Er würde nicht zulassen, dass ich sprang... Camio leidet nun seit mehreren Jah...