Jeder Schritt, den ich mich von ihm entfernte, fiel mir schwerer, als der vorherige, so als würde ich durch Zement wandern.
Ich kämpfte mit dem Verlangen, mich auf der Stelle umzudrehen und Cassiel um den Hals zu fallen.
Doch ich durfte nicht. Wenn ich jetzt blieb, würde ich ihn kaputt machen.Ich rannte los. Weg von Cassiel, der kein Ton mehr herausbrachte.
Ich ließ ihn zurück und lief der vertrauten Einsamkeit in die Arme. In die Arme eines alten Freundes, der mich nie mehr loslassen würde, der mich erdrücken und mir die Kehle zuschnüren würde, bis ich erstickte.
Es tat so weh. Ich wollte nie wieder zurück zu ihm. Ich wollte bei Cassiel bleiben, der mich vor ihm beschützte.
Den er würde mich zurück hinter das Geländer der Brücke treiben und mich hinunter schubsen.Und trotz dessen kam ich ihm entgegen und entfernte mich immer mehr von meinem Schutzengel.
Cassiel wird ohne mich glücklicher sein.
Diese Worte waren wie Messer in meinem ohnehin schon kaputten Herzen. Sie wiederholten sich in meinem Kopf immer wieder, wie ein kaputtes Tonband, welches das Lied des Teufels spielte.Cassiel brauchte mich nicht. Ich war ihm nur eine Last; eine Last, die ihn zerquetschte. Er hatte das nicht verdient. Er hatte es verdient, glücklich zu sein.
Und ich verletzte ihn nur. Er litt darunter, mich zu lieben; er litt unter meinen Depressionen, fast, als wären die Dämonen auf ihn übergesprungen.
Ich wollte ihm meine Nähe nicht länger antun.Am Himmel bildeten sich dunkle Wolken und schon bald schüttete es aus Eimern.
Ich sprintete über das Kopfsteinpflaster und merkte, wie die Anstrengung an meinen Muskeln zog. Der Regen prasselte in Strömen auf mich nieder, als würde der Himmel über mir zusammenbrechen, wie die Flut aus Schmerz und Selbsthass im selben Moment, welche mir im Regen unsichtbar in Form von flüssigen Diamanten übers Gesicht lief .Ich stolperte über einen spitzen Stein, meine Beine gaben unter mir nach. Ich fiel auf den Boden und schirfte mir Knie und Ellenbogenauf, sodass es blutete, doch den Schmerz nahm ich kaum war. Ich blieb liegen, denn ich hatte nicht die Kraft aufzustehen.
Ich kann nicht mehr...
Ich rollte mich zusammen und zitterte am ganzen Leib. Meine Finger krallten sich in den matschigen Erdboden und suchten nach Halt. Der Regenguss peitschte mir unbarmherzig ins Gesicht und durchnässte meine Kleidung.
Ich kroch am Boden und doch fiel ich tiefer, da ich niemanden mehr hatte, der mich auffing.
Ich schrie und doch blieb ich stumm, da ich die einzige Person verlassen hatte, die meine Hilfeschreie hören konnte.
Ich starb, denn gerade hatte ich das Einzige von mir gestoßen, das mich bisher noch am Leben gehalten hatte.Es soll aufhören!
Ich wünschte die Regentropfen würden meine Sorgen wegspülen und der Wind meine Seele davon tragen. Dann wäre ich endlich frei. Dann könnte ich endlich fliegen.
Ich wusste nicht, wieviel Zeit verging, in der ich einfach nur da lag und weinte, doch irgendwann rappelte ich mich auf und ging nach Hause, trotz dass ich mich lieber von der Brücke stürzen würde.
Schon bevor ich das Haus betrat vernahm ich das Geschrei aus dem Inneren.
Meine Eltern waren zuhause, wobei die Beschreibung zuhause am aller wenigsten auf diesen Ort zutraf. Ich fühlte mich hier nämlich alles andere als willkommen.Ich wollte nicht, doch ich trat über die Türschwelle und schlich mich an meinen streitenden Eltern vorbei in mein Zimmer, wo ich mir Kopfhörer einsetzte und mir die Ohren mit Musik zudröhnte, um das Geschrei und diese klaffende Leere tief in mir drin zu übertönen.
Ich hatte nicht die Kraft zu weinen, selbst das Atmen erschien mir auf einmal wie Schwerstarbeit.Mein Blick viel auf meinen Nachtschrank; auf die Schublade, in der ich meine Schlaftabletten aufbewahrte.
In meinen Kopf nahmen jene schrecklichen Gedanken Form an, von dessen Umsetzung mich einzig und allein Cassiel bisher hatte abhalten können. Sie verbreiteten sich wie eine dunkle, klebrige Masse in meinem Hirn, hinderten mich am klaren Denken.
Jene Gedanken, dessen Umsetzung meinen Tod bedeuten würden.
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Du bist nicht allein
Teen FictionEr würde mich festhalten. Er würde sich mit aller Kraft an mich klammern und zurückzerren. Wenn es sein musste, würde er mich nie wieder los lassen. So ein Mensch war er. Er würde nicht zulassen, dass ich sprang... Camio leidet nun seit mehreren Jah...