Kapitel 15

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Völlig neben der Spur starre ich das Mädchen an. Das darf doch nicht wahr sein. Jetzt wird es langsam hinten höher als vorne!
Warum redet sie MEINE Mutter mit ‚Mom' an?
Was soll diese Scheiße hier? Was hat sie mir noch alles verschwiegen? Dass sie etwa nicht meine leibliche Mutter ist?

Ich schließe meine Augen und atme ein paar Mal tief durch, um mich zu beruhigen. Als ich sie wieder öffne, lächle ich erst meine Mutter und dann dieses Mädchen zuckersüß an. Gespielt freundlich halte ich ihr meine Hand hin.
Offiziell müssen noch einige Prüfungen durchlaufen werden, bis ich wirklich meinen richtigen Nachnamen, Haber, wiederhabe, dennoch stelle ich mich mit diesem vor. Schließlich war das von Geburt an mein Name.

„Ich bin Amanda Alexia Haber. Die Tochter von Samu Haber, dem Sänger von Sunrise Avenue, wenn du es nicht weißt. Und du bist? Hm... warte. Ich glaube, ich kann es mir selbst zusammenreimen. Wenn du Mutter so anredest, wie du sie hast, dann wirst du wohl meine Halbschwester sein, von der ich nichts wusste, habe ich recht? Ach ja. Dein Vater wird wohl dieser verdammte Mistkerl rechts hinter mir sein?"
Ich höre meine Mutter und Daniel nach Luft schnappen, was mich irgendwie innerlich grinsen lässt. Sollen sie nur sauer sein, das ist mir egal.

Das Mädchen, was für mich immer noch namenlos ist, sieht mich mit großen Augen an, als könnte sie nicht glauben, was ich da gesagt habe. Nun ja, so wie ich sie einschätze, tut sie es auch nicht. Schließlich ist Daniel ihr Vater. Und der scheint nicht der Hellste zu sein.
Genervt lasse ich meine Hand sinken und drehe mich zu meiner Mutter um. Kalt sehe ich sie an, wobei ich lieber weinen würde. Mein ganzes Leben hat diese Frau zerstört. Sie hat mir jahrelang verschwiegen, wer mein Vater ist und was wirklich passiert war. Sie hat Samu als den Bösen dastehen lassen, obwohl sie das Böse in sich trägt. Und Karma ist wohl wirklich eine Bitch, denn die böse Königin wurde vom Spielbrett verbannt und mit einer tödlichen Krankheit ins Krankenhaus eingeliefert. Ich wünschte, Samu hatte mich damals mitnehmen können, hätte das alleinige Sorgerecht bekommen. Dann wäre mein Leben viel schöner abgelaufen. Oder?

„Amanda.... das ist Lily. Sie ist deine 16-jährige Halbschwester. Wir haben sie dir verschwiegen, da wir dachten, dass du auch nichts von Daniel die ganze Zeit wusstest, aber da du ja mal ein Gespräch mitbekommen hast... Du erinnerst dich bestimmt, dass ich dich, als du sechs warst, in ein Internat gesteckt habe. Drei Jahre lang. In dieser Zeit war ich mit Lily schwanger und habe mich anschließend um sie gekümmert. So konnten wir sicher gehen, dass du es nicht erfährst... Und mein Name ist seit 19 Jahren nicht mehr Walsh, sondern Schmidt, wie Daniel."

Mein Blick wird noch kälter. Sie hat doch einen Sprung in der Schüssel.
Erst verlässt sie vor 19 Jahren meinen Vater, heiratet kurze Zeit später diesen Idioten von Daniel und bekommt dann auch noch ein Kind mit ihm, was sie mir die ganze Zeit verschwiegen haben. Allerdings würde das irgendwie ein wenig erklären, warum sie meine Mutter nicht fanden. Schließlich hat sie einen anderen Nachnamen.

„Und warum... warum Samu dich nicht fand... Das lag daran, dass ich alles dafür getan habe, dass er es eben nicht tut. Du weißt doch, dass ich bei der Gemeinde arbeite. Ich habe da Zugriff zu allen Bewohner der Stadt, weswegen ich deinen Nachnamen änderte. Zu Schmidt. So hat dich keiner gefunden. Auch als die Polizei da war, um die Listen zu holen, habe ich dich rausgelöscht. Er sollte dich nicht finden. Du warst schließlich mein Engel. Er sollte dich mir nicht wegnehmen. Und falls du dich fragst, warum auf deinen Zeugnissen immer Walsh stand... Ich habe viel Geld gezahlt, dass du als Schmidt in der Schule aufgenommen wirst, aber in Klassenlisten und Zeugnissen als Walsh auftauchst."

Fassungslos starre ich sie an und versuche das, was sie mir gerade gesagt hat, zu verarbeiten. Sie ist verrückt. Vollkommen verrückt.
„Vihaan sinua. En halua enää nähdä sinua. Jos purra ruohoa, en välitä", sage ich tonlos zu ihr, weswegen sie bei jedem Wort weißer wird und mich verletzt ansieht. Doch das ist mir egal. Sie hat mich mein ganzes Leben verletzt und belogen. Jetzt tun diese Worte ihr auch nicht mehr so viel. Ich hasse dich. Ich will dich nicht wiedersehen. Wenn du ins Gras beißt, dann ist es mir egal.

„Ich hoffe, du wirst bald diese Welt verlassen. Du hast genug Schaden angerichtet. Emily Walsh oder Schmidt. Es ist mir egal. Du bist für mich schon gestorben. Wage es ja nicht, dich nochmal bei mir zu melden. Ich will nichts mehr mit dir zu tun haben. Das, was du getan hast, macht niemand mit einem völlig klaren Verstand."

Ich drehe mich ohne ein weiteres Wort um und verlasse das Zimmer. Hinter mir lasse ich mit einem lauten Krach die Tür zufallen. Im Moment ist es mir egal, dass ich in einem Krankenhaus bin. Es ist mir alles egal. Ich will mich nur noch ins Bett verkriechen. Und weinen. Viel.
Wie ein Zombie gehe ich durch die Gänge, bis ich wieder im Wartebereich der Besucher ankomme. Samu springt sofort auf, als er mich erkennt. Doch als er mich sieht, wird er weiß im Gesicht und er sieht mich besorgt an.

„Auringonpaiste", spricht er mich leise mit dem finnischen Wort für 'Sonnenschein' an und geht auf mich zu.
Mit leeren Augen sehe ich ihn an. Mein Herz droht nun, ganz zu brechen. Ich habe heute so viel erfahren, was ich lieber nie hätte.
Doch als ich den Blick sehe, den mir Samu zuwirft, bricht mein Herz endgültig. In seinen Blick mischt sich Sorge, Angst, Liebe und auch Verständnis.

„Isä", flüstere ich schluchzend und lasse mich sofort in seine ausgestreckten Arme fallen.
Als er diese um mich schließt und mir sanft über den Rücken streicht, bricht meine Mauer ganz ein und ich fange an zu weinen. Leise, aber viel. Samu redet beruhigend auf Finnisch auf mich ein, dennoch scheint es kein Ende zu geben. Ich weine mir meine Seele und den ganzen Frust der letzten neunzehn Jahre vom Leib. Mittlerweile habe ich angefangen zu zittern, weswegen mein Vater mir seine Jacke um die Schultern legt und sich anschließend setzt, wobei er mich auf seinen Schoß zieht.

Ihm scheint es nicht zu stören, dass ich schon zweiundzwanzig Jahre alt bin und damit eigentlich viel zu alt für so etwas bin. Aber mich stört es auch nicht. Warum denn auch? Ich hatte ihn eigentlich mein ganzes Leben nicht, wir müssen viel nachholen.
Ich vergrabe mein Gesicht in seinem T-Shirt und weine weiter. Solange, bis ich erschöpft, jedoch zitternd in seinen Armen eingeschlafen bin.

 Solange, bis ich erschöpft, jedoch zitternd in seinen Armen eingeschlafen bin

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