Prolog

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Mit klopfenden Herzen betrete ich die „The Voice of Germany"-Bühne.
Mein Blick schweift zu den umgedrehten Stühlen der Coaches, bleibt jedoch bei dem von Samu Haber haften. - Dahinter. Dahinter sitzt er. Mein Vater.
Es kribbelt mich in den Fingern, sofort zu ihm zu gehen und ihn zu fragen, warum er meine Mutter und mich verlassen hatte, als ich drei Jahre alt war. – Angeblich.

Schließlich glaubte ich meiner Mutter nie, dass es so war. Es klang einfach viel zu unglaubwürdig, was sie immer versuchte, mir zu verkaufen. Sie war dazu immer viel zu gefasst, als sie mir die Geschichte immer wieder erzählte. Keine Träne rannte ihr über die Wangen, nichts. Nichtmal ein Schniefen. - Und das wäre doch normal gewesen, weil mein Vater sie ja verlassen und sie ihn sehr geliebt hatte. Da ist man doch auch nach Jahren noch traurig, oder?
Doch nun weiß ich endlich, wer mein Vater ist. Mutter rückte erst jetzt damit heraus, wer er wirklich ist. All die Jahre hat sie es mir verschwiegen und alles versteckt, was mit ihm zu tun hatte. Sie hat sogar dafür gesorgt, dass ich meine Geburtsurkunde nie gefunden habe. Wie krank ist das eigentlich?

Aber jetzt muss ich ihn einfach kennenlernen. Weiß er überhaupt noch, wer ich bin? – Ich hoffe es sehr. Schließlich habe ich noch schwache Erinnerungen an ihn, wie er mich im Arm gehalten und mir ein finnisches Lied vorgesungen hatte.

Tief atme ich durch und stelle mich vor das Mikro. Vielleicht schaffe ich es und er dreht sich um, weil er mich in seinem Team haben möchte. Vielleicht aber drehen sich auch die anderen – Fanta 4, Yvonne Catterfeld oder Andreas Bourani – um.
Somit wäre ich auch weiter und könnte vielleicht dennoch meinen Vater kennenlernen. - Ich will endlich die Wahrheit wissen, was damals passierte.
Mein Ziel ist es nicht, die Stimme Deutschlands zu werden, sondern meinen Vater endlich kennenzulernen. Das, was mir 19 Jahre verwehrt war.

Als die ersten Töne von 'Love me like you do' von Ellie Golding erklingen, schlägt mir mein Herz noch hektischer gegen den Brustkorb.

Innerlich versuche ich mich auf Finnisch zu beruhigen. Ich muss ruhig werden, damit ich keine Töne versemmle. – Damit sich wirklich jemand umdreht und ich vielleicht die Gelegenheit habe, mit meinem Vater zu reden.

You're the light, you're the night. You're the color of my blood", singe ich, wobei ich etwas über die Töne stolpere.

Helvetti, minun täytyy olla parempi!
Innerlich verfluche ich mich, da meine Töne einfach verdammt schief klingen. Verdammt, ich muss einfach besser sein!

You're the cure, you're the pain. You're the only thing I wanna touch. Never knew that it could mean so much, so much", singe ich weiter, jedoch diesmal kräftiger. Gut, endlich.
Gefasster und mit kräftiger Stimme setze ich das Lied fort. Meine Aufregung habe ich mittlerweile gut unter Kontrolle. - Zum Glück.
Ich habe nur 90 Sekunden, um zu überzeugen. Und 90 Sekunden können knapp werden.

Meine Augen sind geschlossen, während ich mich der Musik einfach hingebe und mich nun endlich entspanne. Ruhig singe ich weiter.
Die Menge jubelt mal mehr, jedoch lasse ich mich davon nicht aus meiner Konzentration bringen. - Ich muss irgendwie überzeugen, damit ich nicht gleich nachhause geschickt werde und meine Anmeldung hier umsonst war. Wie soll ich sonst mit meinem Vater in Kontakt treten?

„Touch me like you do, to-to-touch me like you do. What are you waiting for?", singe ich den Schluss und öffne langsam meine Augen.
Und dann stockt es mir sofort den Atem. Alle Coaches haben sich umgedreht, doch ich sehe direkt in die blauen Augen meines Vaters, welcher mich ebenfalls stumm ansieht.
„Hei isä", flüstere ich so, dass nur ich es hören kann. Hello Dad.


Song(text): Ellie Golding - Love my like you do

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Hello Dad • Samu Haber | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt