11 Jahre zuvor
Amanda sieht sich gerade ihre Lieblingsserie im Fernsehen an, als es an der Tür klingelt.
„Ich gehe!", ruft sie laut durch das Haus, während sie aufspringt.
Die 11-Jährige hüpft mit kindlicher Freunde zur Tür, um diese zu öffnen. Jedoch nur einen Spalt breit. Ihre Mutter sagte ihr von klein auf, sie sollte die Tür nie ganz öffnen, da man nicht weiß, wer davorsteht.
„Hei?", murmelt sie leise auf Finnisch und sieht den Mann mit kurzen, dunklen Haaren und den braunen Augen an.
Dieser geht vor ihr auf die Knie und lächelt sie freundlich an.
„Hallo Amanda, ist deine Mutter da?", fragt er auf Deutsch, weswegen das junge Mädchen die Stirn runzelt.
Warum redet er Deutsch? Ist er etwa nicht aus Finnland?
Amanda öffnet den Mund, um zu antworten, wird aber von ihrer Mutter Emily unterbrochen, welche hinter ihr auftaucht.
„Was suchst du hier?", faucht sie wütend und drückt ihre Tochter sanft aber bestimmt von der Tür weg.
Unsicher und verwirrt sieht das kleine Mädchen hoch zu Emily, weswegen diese seufzt und ihr einen Stups Richtung Treppe gibt.
„Geh hoch in dein Zimmer. Jetzt!"
Amanda zuckt zusammen, da die Stimme ihrer Mutter wütend klingt. Natürlich fragt sie sich sofort, was sie wohl falsch gemacht hätte, da Emily nur dann mit ihr in einen solchen Ton redet. Hastig zieht sie den Kopf ein, nickt kurz und geht mit schlurfenden Schritten ein paar Stufen nach oben, stoppt jedoch, als sie ihre Mutter wieder reden hört. Leise drückt sie sich gegen die Wand, um nicht gesehen zu werden.
„Du solltest doch nie herkommen! Amanda sollte dich nie sehen! Was fällt dir ein?"
„Ich wollte dich unbedingt sehen, Emily. Wann sagst du es ihr?"
„Ich habe ihn vor acht Jahren verlassen. Sie fragt schon immer, wo ihr Vater sei. Ich erzähle ihr immer wieder die gleiche Geschichte, doch langsam weiß ich einfach nicht mehr, was ich tun soll."
Das junge Mädchen schlägt sich lautlos ihre Hand auf den Mund, als ihr bewusst wird, dass sie lauscht und dies verboten ist. Schnell läuft sie die restlichen Stufen nach oben und rennt in ihr Zimmer.♪♫
Meine Mutter hatte Samu wegen eines anderen Mannes verlassen.
Diese Erkenntnis trifft mich wie ein Schlag in die Magengrube. Als kleines Kind habe ich diese Wörter einfach nicht verstanden, unbewusst habe ich dieses Ereignis in meinen Leben verdrängt, bis es mir jetzt wieder eingefallen ist. Meine Mutter ist einfach eine verlogene Schlange.
Mit leicht zitternden Händen fahre ich mir durch die Haare und sehe zu meinem Vater. Doch so wie er verzweifelt dasitzt, die Augen leicht gerötet vom Weinen und am ganzen Körper zitternd, kann ich es ihm einfach nicht sagen. Ich muss es geheim halten. – Noch.
„Ich habe dich all die Jahre gesucht. Keiner hat dich oder Emily gefunden. Ich wusste nicht wieso, schließlich hat sie ja Finnland nie verlassen und ihren Nachnamen nicht geändert. Das weiß ich ja erst jetzt, deswegen wundert es mich noch mehr, dass man euch nicht gefunden hatte. Jedes Jahr an deinem Geburtstag war ich nicht ich. Meine Teamkollegen wussten nie, was sie mit mir machen sollten. Ich dachte sogar ein paar Jahre, dass du tot seist, weil du einfach verschwunden bist. Doch als du heute gesungen hast und ich diesen Flashback hatte, wusste ich, dass uns beide was verbindet. Ich hatte noch nie bei jemanden eine Erinnerung. Noch nie. Als ich dich sah, war mir sofort klar, dass du meine Tochter bist, da du so viele Ähnlichkeiten mit deiner Mutter hast", rattert Samu hastig auf Finnisch herunter, sodass ich ein wenig Probleme habe, ihn zu verstehen. So schnell hat er das gesagt.
Mir laufen ein paar Tränen über die Wangen, welche ich hastig wegwische. Auch der Finne gegenüber von mir wischt sich das Gesicht trocken und redet weiter.
„Ich wäre am liebsten aufgesprungen, hätte dich umarmt und nie wieder losgelassen. Ich war so froh, dass du noch lebst und vor mir stehst. Aber ich wusste, dass es nicht geht. Das hätte alle Regeln gebrochen. Deswegen habe ich gehofft, dass du in mein Team kommst."Leise schluchze ich auf, da mich meine Gefühle gerade überrennen. Samu breitet einladend seine Arme aus, weswegen ich mich sofort an ihn kuschle und die Augen schließe. Ein Gefühl der Geborgenheit umgibt mich und ich drücke mein Gesicht mehr in sein T-Shirt. Vorsichtig drückt er mir einen Kuss auf die Haare, wiegt uns leicht hin und her.
„Es tut mir so leid, dass ich alles von dir verpasst habe. Deine Einschulung, deinen Abschluss. Einfach alles", flüstert er und drückt mich fest an sich.
Ich schweige jedoch. Wir beide wissen genau, dass es nicht seine Schuld ist, sondern die meiner Mutter.Wir sitzen lange schweigend da, bevor ich mich leicht von ihm löse. Aufgelöst vom vielem Weinen sehe ich meinem Vater an, welcher mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht streicht. Schwach lächle ich.
„Kiitos, että kerroit minulle kaiken", bedanke ich mich für seine Ehrlichkeit. Er hat mir ohne zu zögern die ganze Wahrheit gesagt, was ich sehr schätze.
„Luonnollisesti", meint Samu schwach lächelnd, als mir eine Idee kommt.
Vielleicht kann er dann die Sache besser mit einem Song verarbeiten? Ich springe auf und hole meine Gitarre aus dem Koffer. Verwirrt sieht mich der Sunrise Avenue Sänger an, doch ich deute ihm nur, noch kurz zu warten.Ich setze mich bequem aufs Bett und spiele kurz alle Saiten an, bevor ich eine Melodie beginne. Federleicht streichen meine Finger über die Saiten, während ich alle Noten richtig spiele. – Ein Glück, dass ich diesen Song schon so lange liebe und den Text sowie die Melodie auswendig kann.
„Yesterday...", beginnt mein Vater zitternd zu singen, weswegen ich aufsehe und leicht lächeln muss.
Doch dann schüttelt er den Kopf und hält mir seine Hände hin. Ich höre auf zu spielen und gebe ihm meine Gitarre. Kurz darauf ertönen erneut die Töne. Samu schließt die Augen und spielt ebenso federleicht die Melodie, als würde er sie auch auswendig kennen.
„Yesterday, all my troubles seemed so far away. Now it looks as though they're here to stay. Oh, I believe in yesterday", beginne ich zu singen und schließe meine Augen, um mich etwas besser konzentrieren zu können.
Ich versuche, meine Gedanken komplett auszuschalten und mich nur auf den Song und die Melodie zu konzentrieren.„Suddenly, I'm not half the man I used to be. There's a shadow hanging over me. Oh, yesterday came suddenly."
Erneut versucht Samu zu singen, doch seine Stimme zittert immer noch, weswegen er es nach ein paar Wörtern wieder lässt. Gefühlsvoll singe ich weiter, mit dem Wissen, dass mein Vater mir komplett zuhört und die Nachricht dahinter versteht. – Schließlich sind die Probleme von einem Tag zum anderen präsenter geworden.
„Oh, I believe in yesterday", ende ich und öffne dann erst wieder meine Augen.Samu spielt noch die letzten Töne und sieht mich dann mit einem schwachen Lächeln an.
„Kiitos", bedankt er sich leise.
Und gerade im Moment fühle ich mich meinem Vater näher, als meiner Mutter, die ich mein ganzes Leben schon kenne.Song(text): The Beatles - Yesterday
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Hello Dad • Samu Haber | ✓
Fanfiction》𝐀 𝐰𝐞𝐚𝐤 𝐫𝐞𝐦𝐢𝐧𝐝𝐞𝐫 𝐨𝐟 𝐲𝐨𝐮 𝐢𝐬 𝐛𝐞𝐭𝐭𝐞𝐫 𝐭𝐡𝐚𝐧 𝐧𝐨𝐧𝐞. - 𝐈𝐬𝐚̈《 Amanda Walsh wächst bei ihrer Mutter auf, zu ihrem Vater hat sie keinen Kontakt, er verließ die Familie, als sie noch ein kleines Kind war. Als Amandas Mutter...