Kapitel 18

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„Komm, lass uns was zusammen singen", wechselt Ben abrupt das Thema, weswegen ich ihn verwirrt ansehe.
„Wie? Jetzt? Wir warten doch auf den Gast-Coach."
„Na und? Warum sollten wir uns diese Zeit nicht schön gestalten? Ach bitte Amanda. Ich würde gerne mit dir singen. Du hast eine wirklich gute Stimme."

Flehend sieht mich mein Teammitglied und leider auch Konkurrent an. Wegen seines Kompliments werde ich etwas rot, was ich jedoch versuche zu verstecken, indem ich meine dunkelbraunen Haare ins Gesicht fallen lasse.
Irgendwie ist Ben wirklich nett und ich kann mir auch vorstellen, dass sich daraus eine Freundschaft bilden könnte. Allerdings sind das alles nur Spekulationen.
Ich seufze auf und sehe ihn dann lächelnd an.

„Na gut. Aber nur einen Song! Und du suchst diesen aus, ich kann mich nie entscheiden!"
Lachend dreht sich Ben zum Klavier und spielt zuerst ein paar Tonleitern, um sich einzuspielen.
„Na gut", meint er währenddessen und macht mir Platz, dass ich mich neben ihn ebenfalls auf den Hocker setzen kann.
Ich öffne schon meinen Mund, um ihn zu fragen, welchen Song er singen will, da fängt er auch schon an. Seine Stimme ist kräftig, ruhig und wirkt ein wenig rau. Ich bekomme eine leichte Gänsehaut, weswegen ich mir leicht über die Arme fahre.
Jetzt verstehe ich die Coaches definitiv, wieso sie alles Mögliche gemacht haben, um ihn hierher zu bringen.

„I could lie awake just to hear you breathing. Watch you smile while you are sleeping. While you′re far away and dreaming."
„Oh, so ein schöner Song von Aerosmith", werfe ich dazwischen, weswegen Ben leicht zu mir sieht.
„I could spend my life in this sweet surrender. I could stay lost in this moment forever", singt er weiter, weswegen ich die Augen schließe und nun miteinsteige.
„Where every moment spent with you is a moment I treasure. Don't want to close my eyes. I don′t want to fall asleep."

Lächelnd singe ich mit ihm weiter, während ich einfach alles gebe. Ich kann es einfach nicht leugnen. Singen ist und bleibt meine Leidenschaft. Viele könnten jetzt meinen, dass ich es einfach im Blut habe, da ich ja Samus Tochter bin. Aber ich habe es als kleines Kind für mich selbst entdeckt. Damals war ich – natürlich – noch ziemlich schlecht, doch ich übte jeden Tag, brachte damit meine Mutter zur Weißglut, weil ich stundenlang probte. Irgendwann gab sie nach und schickte mich zu Gesangsstunden. Damals konnte ich es nicht fassen, dass ich wirklich Unterricht dafür bekam.

„And I don't want to miss a thing", beenden Ben und ich den Song gemeinsam. Natürlich ernten wir dafür keinen Applaus, da alle uns einfach genervt ansehen und sich dann wieder ihren Gesprächen zuwenden, welche sie während des Songs unterbrochen haben.
„Das war der Wahnsinn!", lacht Ben und umarmt mich stürmisch.
Überrumpelt erwidere ich seine Umarmung, da ich einfach nicht fassen kann, dass ich hier einen Gleichgesinnten gefunden habe.
„Das stimmt. Das sollten wir öfter machen", schlage ich ohne nachzudenken vor, weswegen ich mich hastig von ihm löse und ihn entschuldigend ansehe.

„Tut mir leid. Ich wollte nicht so hastig handeln."
Ben jedoch grinst mich an und hält mir seine Hand hin.
„Ich wäre dabei! Allerdings müssten wir uns da etwas überlegen. Schließlich bin ich hier und du eigentlich in Finnland!"
Ich öffne meinen Mund, um etwas zu erwidern, werde jedoch von Mädchengekreische daran gehindert. Verwirrt sehe ich in den Raum und sehe mit großen Augen den Mann an, welcher neben Yvonne steht. Unseren Castcoach.
„Krass", murmelt Ben neben mir nur, was ich mit einem Nicken bestätige.
Denn wir dürfen jetzt vier Tage lang mit einem Weltstar proben – John BonJovi.

♪♫

„Schönen Abend Ihnen noch", verabschiede ich mich freundlich vom Taxifahrer und steige aus.
Dieser nickt mir nochmal zu und fährt anschließend davon. Seufzend schultere ich meine Tasche und starre das Hotel vor mir an. Irgendwie wünschte ich mir, dass die Zeit bei The Voice schon vorbei wäre. Dann könnte ich nämlich im wunderschönen Finnland sein und nicht hier in Deutschland, wo ich ja gefühlt jeder hasst. Bis auf Ben und Michael.
Schwer schlucke ich und fahr mir mit meiner zittrigen Hand durch die Haare.

Michael habe ich, seitdem ich ihn aus meinem Hotelzimmer geworfen habe, nicht mehr gesehen. Zwar schrieb er mir noch eine SMS, doch auf die habe ich nie geantwortet. Ich weiß einfach nicht, was ich tun soll. Schließlich haben wir ja miteinander geschlafen und das bereue ich schon. Er ist ja immer noch ein Badboy.
Ich war bestimmt nur ein Punkt auf seiner Liste, welchen er nun abhaken konnte, weil ich es einfach zugelassen habe, dass wir miteinander schlafen. Ein so großer Fehler.
Allerdings muss ich ihn – zum Glück – nicht mehr so oft sehen, schließlich sind wir nicht mehr im gleichen Team. Auch wenn ich mir irgendwie wirklich eingestehen muss, dass ich mich in ihn verliebt habe. Ich sträube mich noch sehr dagegen, da ich es einfach nicht wahrhaben will, dass ein Badboy mein Herz erobert hat.

Ich zucke aus meinen Gedanken, als mein Handy klingelt. Hastig fische ich es aus meiner Tasche und lächle, als ich sehe, wer mich anruft.
„Isä", begrüße ich Samu und setze mich auf eine Bank, welche vor dem Eingang im Hotel steht, damit ich nicht dumm im Weg herumstehe.
„Auringonpaiste, Tytär. Wie ist es, mit BonJovi zu trainieren?"
Ich muss leicht lachen, da die Stimme meines Vaters etwas eifersüchtig klingt.
„Warum so eifersüchtig, Haber?"

„Ich? Ich bin nicht eifersüchtig, Tytär. Warum sollte ich das sein? Du bist weiter und ich freue mich schon sehr, dich morgen singen zu sehen. Ich bin mir sicher, dass du sie alle umhauen wirst", meint er stolz, weswegen ich etwas auf der Bank kleiner werde.
„Ich denke nicht, Isä", gebe ich dann leise zu, weswegen es eine Weile still bleibt.
Verwirrt, weil Samu nichts mehr sagt, sehe ich nach, ob wir überhaupt noch verbunden sind oder ob die Verbindung abgebrochen ist. Als dies jedoch nicht der Fall ist, frage ich vorsichtig nach, was Samu hätte.

„Warum glaubst du das?", fragt er endlich, weswegen ich erleichtert ausatme, da ich mir schon ausgemalt habe, dass ihm was passiert wäre.
„Ich weiß nicht... Mir geht zurzeit so viel durch den Kopf. Die vier Tage waren schon klasse. Ich habe mich mit Bon Jovi auch gut verstanden, er meinte auch, dass ich es – außerhalb einer Castingshow – weit bringen könnte, aber irgendwie... Isä, es geht mir so viel im Kopf herum. Das alles mit Mutter, meiner besten Freundin, die sich nicht mehr meldet, Michael, die hasserfüllten Blicke von allen Kandidaten, weil ich anders weitergekommen bin, als erlaubt... Ich will nicht ins Halbfinale. Dann hassen sie mich noch mehr, als jetzt. Ich werde morgen zwar singen, aber nicht so gut wie sonst. Ich will rausfliegen, Isä."

Song(text): Aerosmith - Don't wanna miss a thing

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Hello Dad • Samu Haber | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt