Kapitel 13

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Ich ziehe meine Jacke fester um mich, als ich das Flugzeug verlasse. Fast habe ich vergessen, wie das Wetter in Helsinki ist. In Deutschland kann man sich da eh nie beschweren. Viel Sonne, warm und manchmal regen.

Mein Blick fällt auf den bewölkten Himmel, als würde dieser wissen, dass in mir ein Chaos herrscht, da es so aussieht, als würde bald ein Sturm aufkommen.
Seufzend sehe ich nach hinten, wo gerade mein Vater ebenfalls das Flugzeug verlässt. Eigentlich habe ich ihn angerufen, weil ich einen Rat brauchte. Da Anja im Moment ja nicht mit mir redet, bleibt mir nur noch Samu übrig, mit dem ich über Männer reden kann. Es wird zwar etwas unangenehm werden, mit ihm darüber zu reden, dennoch brauche ich jemanden. Alles in sich hineinzufressen ist wirklich nicht gut.

Nachdem er mir am Telefon gesagt hatte, dass er meine Mutter besuchen will, verstand ich ihn zuerst nicht. Warum will er es überstürzen? Als es eine Stunde später an meiner Hotelzimmertür klopfte und Samu davorstand, war ich mir irgendwie sicher, warum er jetzt zu meiner Mutter fahren möchte. Er will endlich die Wahrheit wissen. Nach all den Jahren.
Als ich mich aber immer noch nicht wirklich rührte, packte er für mich ein paar Sachen ein. Fast hätte er mich selbst in einen Koffer gepackt, aber das hat er dann doch gelassen. Dafür hat er meine Hand gepackt und mich hinter sich her geschliffen. Als wäre dies nicht schon peinlich genug, musste natürlich hinter der Rezeption Michael stehen und mich schelmisch angrinsen, was ich nur mit einem Augenverdrehen kommentierte.

Nun sind wir, nach einem guten Zwei-Stunden-Flug in einem Privatjet hier. In Helsinki, in meiner Heimat, welche mir aber irgendwie befremdlich vorkommt. Weil ich vielleicht das erste Mal wirklich mit meinem Vater hier bin?
Während dem Flug fragte ich mich jedoch auch, warum er jetzt diesen Zeitpunkt ausgesucht hatte. Klar, er will die Wahrheit wissen, aber dennoch läuft immer noch ‚The Voice of Germany'.

Um mir nicht weiter den Kopf zu zerbrechen, fragte ich Samu kurzerhand. Daraufhin meinte er, dass erst in einigen Wochen, nicht wie ich dachte in paar Tagen, die Proben für die Sing Offs beginnen. Und diese Zeit möchte er nutzen, um endlich herauszufinden, was damals wirklich passierte. Nur dass ich schon weiß, dass meine Mutter ihn wegen jemand anderes verlassen hatte.

Ich werde aus meinen Gedanken gerissen, als jemand sanft meinen Arm nimmt und mich zu einem Taxi zieht, welches schon für uns bereitsteht. Samus strahlend blaue Augen sehe mich ernst an.
„Mikä sairaala?", fragt er mich ruhig, obwohl ich mir denken kann, dass er innerlich tobt.
Schließlich wird er jetzt gleich seine ehemals große Liebe treffen, nachdem sie ihn einfach verlassen hatte.

Ich schlucke und sage dem Taxifahrer dann die Adresse des Krankenhauses. Schließlich will nicht nur Samu Klarheit, sondern auch ich.
Der Fahrer nickt und fährt schweigend zum anderen Ende der Stadt. Mein Vater und ich schweigen auch.
Ich zu meinem Teil, weil ich nicht wirklich weiß, was ich sagen soll und Samu... Samu bestimmt, weil er nach so vielen Jahren endlich die Wahrheit herausfindet.
Kurz sehe ich zu ihm. Ein paar seiner blonden Strähnen fallen ihm matt in die Stirn. Es sieht fast so aus, als hätte Samu keine Kraft gehabt, irgendwas zu tun.

Ich nehme sanft seine Hand und drücke sie leicht. Eine stumme Bestätigung dafür, dass ich – egal was passiert – zu ihm stehen werde. Schließlich hat meine Mutter nicht nur ihn belogen, sondern auch mich. Und das soll nun ein Ende haben.
Dankbar sieht mein Vater mich an. Man kann genau erkennen, wie fertig diese Situation ihn macht.
Vielleicht war es ja wirklich überstürzt, von einem Tag zum anderen nach Helsinki zu fliegen, vielleicht aber auch nicht.

Ich bin auf der einen Seite richtig froh darüber, da ich somit Michael eine Weile aus dem Weg gehen kann. Sein Grinsen heute Morgen, als er an der Rezeption war, hat gereicht.
Das gestern Nacht war einfach der größte Fehler meines Lebens. Warum habe ich mich einfach hinreißen lassen? Warum habe ich ihn an mich rangelassen?
Ich zucke zusammen, als mein Handy in meiner Tasche klingelt. Es kündigt eine SMS an. Augenverdrehend, da ich mir denken kann, wer es ist, ziehe ich es heraus. Ein weiterer Fehler war es, ihm meine Handynummer zu geben. Ich tat es nur aufgrund den Battles. Jetzt würde ich es am liebsten rückgängig machen.

‚Du hast heute in der Früh aber sehr eilig mit Samu das Hotel verlassen. Was ist los? Kneifst du plötzlich und brichst ‚The Voice' ab? Oder ist es das, was gestern zwischen uns war?'

Ich schnaube leiser auf und verstaue mein Handy wieder. Ihm werde ich ganz sicher nicht antworten. Schließlich geht es ihn ja auch nichts an.
„Auringonpaiste", reißt mich die warme Stimme meines Vaters aus meinen Gedanken. Blinzelt sehe ich auf, als ich ihn erkenne, wie er schon halb aus dem Auto gestiegen ist. Verdutzt sehe ich ihn an, bis mir auffällt, dass wir schon im Krankenhaus angelangt sind. Seufzend schnalle ich mich ab und steige ebenfalls aus. Samu redet noch schnell mit dem Taxifahrer, welcher nickt, auf die Seite fährt und den Motor abstellt. Anscheinend soll er warten.

Schwer schlucke ich und sehe zu Samu, welcher mich schweigend ansieht. Vorsichtig strecke ich meine Hand nach ihm aus, welche er ergreift und sich leicht daran klammert. Ihm scheint es anscheinend jetzt schon fertig zu machen, meine Mutter zu sehen. Aber mir geht es nicht anders. Was ist, wenn wir heute schon herausfinden, warum sie Samu einfach so verlassen hat? War der andere Kerl wirklich der Grund oder belügt mich meine Erinnerung?

„Ei ole väliä mitä tapahtuu nyt. Kannatan teitä, isä", verspreche ich ihm, weswegen er mich in seine Arme nimmt.
Aber ich halte mein Versprechen. Egal, was jetzt passiert. Ich werde ihn unterstützen. Meine Mutter hat nicht nur Samu den Grund verschwiegen, sondern auch mir.
Ich küsse Samus Wange und löse mich von ihm. Schweigend gehen wir rein. Als die Empfangstussi Samu erkennt, springt sie sofort auf und wird leicht rot. Sie begrüßt ihn herzlich hier im Krankenhaus, was einfach nur fehl am Platz ist. Nebenbei klimpert sie noch mit ihren Augen, weswegen ich meine Augen verdrehen muss. Herrgott nochmal! Im Krankenhaus flirten? Was läuft bei der nur falsch?

Weiterhin schweigend ziehe ich Samu zu den Treppen und gehe mit ihm in den zweiten Stock. Lieber gehen, als im Aufzug nochmal so etwas zu erleben, wenn noch jemand nach oben fahren möchte.
„Pysy täällä. Haen sinut ylös", bitte ich meinen Vater, als wir im Wartebereich für Besucher sind.
Er nickt stumm und drückt mir einen Kuss auf die Stirn. Ich lächle leicht und drehe mich um. Er soll erst hier warten. Ich muss zuerst mit meiner Mutter alleine reden, dann werde ich ihn holen. Aus irgendeinem Grund muss ich leicht grinsen. Man, bin ich auf ihr Gesicht gespannt! Schließlich kann sie ja nicht wissen, dass Samu ebenfalls heute dabei ist.

Kurz bleibe ich stehen und atme tief durch, damit ich nicht mit so ein dämliches Grinsen im Gesicht das Zimmer meiner Mutter betrete. Die Tür steht ein wenig offen, was mich nicht wundert. Vielleicht ist eine Krankenschwester gerade bei ihr.
Ich fahre mir durch die Haare und will gerade klopfen, als mich die Stimme meiner Mutter innehält. Moment. Sie redet Deutsch?

„Ich habe das Gefühl, dass Amanda in Deutschland was anderes macht, als Wohnungen anzusehen. Ich denke, sie sucht Samu. Er ist schließlich gerade in Deutschland wegen dieser einen Sendung. Wie heißt sie? ‚The Voice of Germany'? Ich hätte ihr nie sagen sollen, wer ihr Vater ist, Daniel."

Ich kneife die Augen zusammen und runzle die Stirn. Wer zum Teufel ist Daniel?
„Du hast nicht richtig nachgedacht, meine Liebe. Aber sie ist nicht dumm. Irgendwann hätte sie es bestimmt herausgefunden", erwidert dieser Daniel

Es zieht mir den Boden unter den Füßen weg und ich habe das Gefühl, dass ich sehr tief falle. Auf einmal weiß ich wieder, wer Daniel ist. Denn diese Stimme habe ich schon einmal gehört. Als ich elf Jahre alt war.
Dort in diesen Raum sitzt der Grund, warum meine Mutter Samu damals verlassen hatte.

 Dort in diesen Raum sitzt der Grund, warum meine Mutter Samu damals verlassen hatte

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Hello Dad • Samu Haber | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt