Martina trat aus der Eingangstür zum Präsidium und fand Selma um die Ecke an einer Mauer lehnend. Sie wusste nicht, was sie Selma sagen würde, aber irgendwie musste sie das wieder in Ordnung bringen, denn das, was sich da gerade zwischen ihnen anbahnte war mehr als nur eine Affäre. Und wenn sie ehrlich mit sich war, dann war es das auch nie. Selma blickte nur zu Boden und sah nicht auf, als sie Martina neben sie ebenfalls an die Mauer lehnte.
„Weißt du...", begann Martina. „Ich habe mich noch nie so wohl bei jemandem gefühlt wie bei dir. Ich war am Sonntag, nachdem wir uns verabschiedet haben im Park spazieren."
„Ich dachte du warst bei Richard?", fragte Selma sanft.
„Wollte ich, aber der Dummkopf war nicht da."
Selma antwortete nur mit einem einfachen „Oh".
„Jedenfalls saß ich auf einer Kinderschaukel und habe mich wie eine Teenagerin gefühlt, die bis über alle Ohren verliebt ist."
„Wenn du damit auf unseren Altersunterschied anspielen willst, dann ist das kein guter Scherz.", Selma konnte sich ein kleines Lächeln nicht verkneifen. Martina ebenfalls nicht.
„Ich will damit sagen, dass ich mich noch nie so leicht gefühlt habe, wie an diesem Sonntag. Vielleicht sind es die Hormone, die mit mir durchgehen, aber das ist mir egal, weil ich mich endlich, nach 25 Jahren, so richtig fallen lassen kann und es sich gut anfühlt. Selma...", Martina drehte sich nun zu Selma und sah sie an.
Es war nie eine Affäre für mich, von Anfang an nicht.!"
Selma blickte zu Boden, doch Martina konnte ein kleines Lächeln sehen, was über ihre Lippen huschte.
„Was haben und Jo da eigentlich besprochen, dass du mich erwähnt hast?", fragte Selma schließlich.
Martina atmete tief ein. „Es ging um Richard."
„Schlimm?" Selma verzog etwas das Gesicht.
Martina spitzte ihren Mund. „Nunja...sagen wir, du hattest mit deiner Vermutung Recht."
Selmas Augen weiteten sich.
„Nein.", sagt sie etwas lauter.
„Doch." Sagte Martina.
„Mist, und nun?"
„Nun werde ich mit Richard reden müssen. Heute. Ich will es so schnell wie möglich hinter mich bringen und ihm alles erklären und herausfinden, wie viel er wirklich mitbekommen hat. Mal davon abgesehen verdient er nach so langer Zeit eine Erklärung, auch wenn die letzten Jahre schwierig waren."
„Das klingt vernünftig." Selma drehte sich nun zu Martina um und umschloss mit einer Hand ihren Oberarm und lächelte sie an. „Hast du Lust mit deiner Affäre heute Abend etwas essen zu gehen?"
Martina spitzte wieder ihren Mund. „Liebend gern", sagte sie und wollte sich vorbeugen, um Selma zu küssen, doch die beiden beschlossen, sich doch noch etwas zurückzuhalten.
„Laters.", sagte Selma und ein Schmunzeln überkam ihre Lippen.
Als Martina sich umdrehte, um wieder ins Präsidium zu gehen, sah sie eine Gestalt hinter dem Busch auf der anderen Straßenseite verschwinden. Martina runzelte die Stirn. Doch Selma schien nichts gesehen zu haben, denn die ging wortlos an ihr vorbei in Richtung Eingang.
„Kommst du?", rief Selma schließlich.
Martina schüttelte ihren Kopf und folgte Selma schließlich.Nach der Arbeit fuhr Martina direkt zu Richard. Sie beschloss, das Ganze nicht länger hinauszuzögern. Wenn sie einmal nach der Arbeit zu Hause ankommen würde, wäre es schwer, sich wieder aufzuraffen und sie würde es doch einen anderen Tag machen. Und bis zu ihrem Date mit Selma heute Abend würde sie es auf jeden Fall schaffen. Also setzte sie sich in ihr Auto und düste los.
An der Haustür angekommen, atmete sie noch einmal tief durch. Was konnte schon schief gehen? Sie waren ihrem noch-Ehemann keine Rechenschaft schuldig und konnte ihr Leben so gestalten, wie sie es möchte. „Alles wird gut. Alles wird gut. Und selbst wenn nicht, gibt es immer eine Lösung.", ermutigte sich Martina in ihrem Kopf.
Sie betätigte die Klingel und es dauerte eine Weile, bis sie Richard durch die halbdurchsichtige Glastür kommen sah.
„Martina.", sagte Richard neutral.
Vielleicht gab es Hoffnung und er hat nichts mitbekommen. Vielleicht müsste sie ihm jetzt noch nicht alles erklären. Vielleicht könnte sie es doch noch etwas hinauszögern, bis sie und Selma sich etwas besser kennengelernt haben.
„Richard, hallo. Ich-", zögerte sie. „Kann ich reinkommen?"
„Immer gerne." Richard bedeutete ihr mit einer Handbewegung an ihm vorbeizugehen.
„Möchtest du etwas trinken? Ein Glas Wasser?", fragte er.
„Gerne.", sagte Martina. Ihr war kotzübel. Noch nie hatte sie solche Angst vor einem Gespräch.
Sie setzte sich auf die Couch und wartete dort, bis Richard mit zwei Gläsern Wasser ankam und sich neben sie setzte.
„Wie gehts dir?", fragte sie und bereute die Frage sogleich. Wie soll es ihm schon gehen? Sie haben sich getrennt, und waren nicht gut aufeinander zu sprechen. Warum etwas vorheucheln?
„Gut, gut. Es wird langsam. Ich sehe einen Therapeuten."
Martina wurde noch übler, doch war etwas überrascht.
„Martina.", begann Richard. „Ich glaube ich habe dir nie gesagt, dass ich weiß, dass auch ich meinen Beitrag geleistet habe in unserer Ehe. Oder besser nicht geleistet habe." Richard schaute kurz zu Boden. „Ich will nur, dass du weißt, dass ich immer für dich da sein werde, wenn es brennt. Oder auch so. Ich...ich habe in den letzten Wochen viel nachdenken können und die Therapie tut mir wirklich gut.", er lachte. „Nie hätte ich mal gedacht zur Therapie zu gehen!"
Martina schaute ihn an und konnte noch nicht so wirklich glauben, was Richard ihr da erzählte.
„Richard, ich-", begann sie, doch Richard unterbrach sie.
„Martina, ich weiß Bescheid. Oder besser ich kann es mir denken."
Martina schaute ihn entgeistert an.
„Ich war am Sonntag bei dir, um mit dir zu sprechen, wegen der ganzen Sachen die noch hier sind und...ja und, damit wir uns endlich mal aussprechen können. Hör mal, du bist mir keine Rechenschaft mehr schuldig. In der Therapie habe ich gelernt loszulassen. Loszulassen, was ich nicht kontrollieren kann. Und so schwer es mir fällt, dich nach all diesen Jahren loszulassen...du verdienst es glücklich zu sein. Und mir ist egal, ob das ein Mann oder eine Frau ist.
Martina schaute auf. „Woher?"
Richard lachte. Denkst du wirklich du kannst mir noch etwas vormachen nach all den Jahren?"
„Richard.", sagte Martina und brach in Tränen aus.
Richard nahm Martina in seinen Arm. Wie hatte sie das verdient? Wie konnte er so entspannt damit umgehen?
„Dein Therapeut muss ziemlich gut sein.", scherzte sie schließlich, immer noch Richards Arm.
„Das nehme ich jetzt einfach mal als Kompliment.", lachte Richard.
Martina löste sich aus seiner Umarmung und schaute ihm ernst in die Augen.
„Oh, nein so war das nicht gemeint. Ich...bewundere dich wirklich, dass du diesen Schritt gehst."
Die beiden sahen sich für einige Zeit schweigend an.
„Bist du glücklich, Martina?"
Martina wartete einen Moment mit ihrer Antwort, doch Richards sanfter Blick verriet ihr schließlich, dass sie ihm die Wahrheit sagen konnte. „Ja." Und ihr lief eine weitere Träne nach unten.
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Rot ist die Farbe der Hoffnung
RomantizmRichard und Martina sind seit einigen Wochen getrennt. Selma Kirsch kommt neu ins Team der Soko Stuttgart. Nachdem Richard und Martina nun schon seit acht Wochen getrennt waren, hatte Martina endlich eine eigene Wohnung gefunden, um aus dem gemeinsa...