Martina, Jo und Selma stellten das Auto auf dem Parkplatz vorm Polizeipräsidium ab. Jo und Martina aßen noch eine Kleinigkeit in der Mensa und danach verabschiedete sich Martina von ihren Kollegen und Kolleginnen. Sie hatte die letzten Tage extra mehr gearbeitet, damit sie heute an ihrem Umzugstag genügend Zeit hatte, um alle Dinge zu erledigen. Jo und Schrotti wollten dann nach der Arbeit direkt hinterherkommen.
Jetzt folgte also der unangenehme Teil des Tages. Sie musste zurück in ihr Haus, in dem sie so lange mit Richard zusammen gewohnt hatte. Ihre Gefühle konnte sie gar nicht wirklich einordnen: Angst, vor dem was kommt; Wut darüber, dass ihre Ehe in die Brüche gegangen war; und Traurigkeit darüber, dass die einst so schöne Zeit mit ihrem Mann nun endgültig vorbei sein sollte. Ja, die letzten Jahre waren wirklich schwierig gewesen, und sie machte Richard allein absolut keine Vorwürfe. Sie waren beide daran beteiligt gewesen, wie ihre Ehe verlaufen war, und dennoch verspürte sie einen Hauch von Verachtung über sein jetziges Verhaltung. Trotzdem: nicht alles war schlecht gewesen. Die beiden hatten so viele gemeinsame, und vor allem schöne Momente miteinander . Also kein Wunder, dass ihre Gefühle gerade mit ihr durchgingen.Sie parkte den Umzugswagen direkt vorm Haus, sodass der Weg für alle Sachen, die aus dem Haus getragen werden mussten möglichst gering war. Ein Umzugsunternehmen konnte Martina sich leider nicht leisten. Und um ehrlich zu sein, hätte sie es auch nicht gemacht, wenn es billig gewesen wäre. Was ihre persönlichen Sachen anging, war sie dann doch etwas speziell. Wer weiß, was die unbekannten Umzugshelfer mit ihren Möbeln anstellten. Ihre ehemalige beste Freundin Sophie hatte da schlechte Erfahrungen gemacht, und beschädigte Möbel konnte sie jetzt tatsächlich nicht gebrauchen.
Richard erwartete Martina bereits an der Tür. Auch er würde bei ihrem Umzug mithelfen. Martina graute es schon ein wenig davor, denn die beiden hatten sich die letzten Wochen nicht mehr für so lange Zeit gesehen. Zum Glück war ein Umzug nicht darauf ausgelegt stundenlang miteinander zu plauschen. Und Jo und Schrotti würde ja auch noch vorbeikommen, also würde es schon halb so wild werden. Nichtsdestotrotz musste Martina die erste Stunde allein mit Richard überbrücken. Sie versuchte ein Lächeln aufzusetzen und begrüßte ihren bald Ex-Mann. Der schien bei relativ guter Laune zu sein, denn er schickte ihr ein kleines Lächeln zurück, was für Richard eher außergewöhnlich war. Martina und er verloren keine Zeit mit sinnlosem Gerede und nahmen sich die kleineren Möbelstücke und Taschen vor. Sie hatte schon ganz vergessen wie groß ihr Haus gewesen war und wie viele Sachen sie doch hatte. Vielleicht reichte eine 3-Zimmer-Wohnung doch nicht aus. Aber sie hatte sich so wie so vorgenommen, weniger Sachen zu behalten und eher minimalistischer zu leben. Da kommt ihr der Umzug ganz gelegen. Richard hatte bereits all ihre Koffer in das Gästezimmer geräumt, sodass sie keine Etage mehr überwinden mussten, um die Sachen in den Transporter zu verladen.„Möchtest du einen Kaffee? Du siehst etwas müde aus." Charmant, dachte Martina, aber gegen einen Kaffee hatte sie tatsächlich keine Einwände. Während Richard den Kaffee zubereitete, nahm Martina schon mal zwei kleine Koffer, um sie zum Auto zu tragen. Sie stellte die beiden Koffer erst einmal vor dem Transporter ab, da die größeren Möbelstücke zuerst verladen werden würden. Sie studierte den Innenraum des Transporters und war sich nicht mehr ganz so sicher, ob all ihre Sachen dort hineinpassen würden. In diesem Moment tippte sie eine Hand auf die Schulter.
„Hi Martina, was machst du denn hier? Ziehst du um?"
Sie drehte sich etwas erschrocken um und blickte in zwei blaue Augen. „Selma? Was machst du den hier?"
Selma lächelte an sich herunter: „Ich war gerade joggen. Ich wollte mal eine neue Runde ausprobieren. Und du ... ziehst um?"
Martina war ihrem Blick gefolgt und bei den Beinen der Brünetten stehen geblieben. Verdammt, sie war echt trainiert.
„Martina?",hakte Selma nach.
„Eh, ja ich ziehe aus dem Haus da aus.", sagte sie und zeigte auf das ehemals gemeinsame Haus von Richard und ihr.
„Oh, ähm, brauchst du noch Hilfe beim Tragen?"
„Ja, klar gerne. Ich kann jede Hilfe gebrauchen", antwortete sie ihr.
„Na dann, lass uns keine Zeit verlieren." Selma ging wie selbstverständlich in Richtung des Hauses.Martina schaute ihr noch kurz hinterer und konnte sich ein Schmunzeln nicht unterdrücken. Sie folgte Selma, als Richard gerade aus der Haustür mit zwei Tassen Kaffee trat. „Oh, haben wir Besuch?" Die Tatsache, dass Richard ‚wir' sagte, verunsicherte Martina ein wenig. „Hi, ich bin Selma, eine Arbeitskollegin von Martina." Selma lächelte Richard zu und wollte ihn die Hand geben, bis sie dann merkte, dass er mit zwei Tassen Kaffee in der Hand keine Hand mehr frei hatte. „Hallo,...Selma. Sportlich unterwegs?", antwortet Richard etwas zögerlich, und auch er schaute an Selmas Körper herunter. Martina ergriff das Wort und bot Selma an, ihr auch einen Kaffee zu machen, doch Richard kam ihr zuvor und drückte den beiden die bereits gefüllten Kaffeebecher in die Hand.
Martina nahm auf der Stufe zur Eingangstür Platz und Selma tat es ihr gleich.
„Jetzt weiß ich wieder, woher ich dich kenne, Martina! Ich hab dich, zusammen mit...eh...?"
„Das ist übrigens mein Mann, Richard. Ex-Mann, um genau zu sein", unterbrach sie Martina schnell, um bloß das Thema zu wechseln.
„Oh, eh, das tut mir Leid. Ich...ich wollte dir nicht zu nahe treten.", stotterte Selma.
„Schon gut. Das mit uns beiden war schon lange vorbei und es war an der Zeit, den nächsten Schritt zu gehen."Sie tranken beide einen Schluck von ihrem Kaffee und schauten zu Boden. Martina war nur zu froh, dass Selma nicht weiter darauf einging, woher sie Martina kannte, denn sie wusstet genau, welche Situation die Brünette meinte, und die war ihr wirklich sehr unangenehm. Nicht nur, weil sie bisher noch niemandem davon erzählt hatte, noch nicht einmal Jo, sondern auch, weil sie Selma kaum kannte und sie ihr Privatleben doch lieber privat hielt. Die tranken beide ihren Kaffee fertig aus und machten sich an die Arbeit, Martinas Sachen zum Umzugswagen zu tragen. Als Jo und Schrotti dann auch hinzukamen, um beim Umzug zu helfen, ging alles noch viel schneller und auch die größeren Möbelstücke konnten alle verladen werden.
Es war nun langsam der Abend angebrochen, und alle etwas fertig vom Umzug. Richard war schon vor der letzten Fuhre gleich zu Hause geblieben und hatte sich früher von allen verabschiedet. Und auch Schrotti und Jo wollten sich gerade auf den Weg nach Hause machen, sodass Martina und Selma nun nur noch zu zweit in der neuen Wohnung standen.„Gut, ich glaube für mich wird es auch langsam Zeit zu gehen.", kündigte Selma an und drehte ihre Oberkörper bereits zur Tür.
Martina hielt sie mit ihrer linken Hand leicht zurück und berührte ihre Schulter. „Ich kann dich gern nach Hause fahren, immerhin ist es schon dunkel." Es war tatsächlich bereits stockdunkel, aber was erwartet man auch Anfang März.
„Nein, nein. Du brauchst dir wegen mir keine Mühe machen. Ich schaff das schon. Ich bin ja flink unterwegs.", zwinkerte Selma ihrer blonden Kollegin zu.
„Nein wirklich. Das ist absolut kein Problem. Ich muss den Umzugswagen eh noch wegbringen und mein Auto abholen, da lässt sich ein kleiner Umweg einrichten." Martina nahm ihre Handtasche und die Autoschlüssel und lies keine weitere Diskussion zu. „Aber-." versuchte Selma es erneut, doch Martina war bereits aus dem Zimmer verschwunden. Selma folgte ihr, machte die Haustür hinter sich zu und stieg zu Martina in den Umzugswagen.„Danke.", sie schaute Martina von der Seite an, doch Martina startete nur den Motor und fuhr los. Vielleicht hätte doch lieber Jo Selma mitnehmen sollen. Martina war doch so schlecht in Smalltalk. Sie riss sich zusammen und fing mit der einfachsten und essenziellsten Frage an, wo sie Selma nun hinfahren sollte. Selma kannte den Weg auch ohne Navi, sodass sie Martina durch Stuttgart navigierte.
„Du kennst dich schon gut aus hier in Stuttgart."
„Nunja. Ich habe eine gute Orientierung. Eines meiner Stärken.", antwortete Selma.
„Neben Umzugskartons tragen. Die hattest du ja zum Glück die ganze Zeit im Griff", lachte Martina und bog an der nächsten Kreuzung links ab.
„Hehe. Ich bin gestolpert! Das hatte nichts mit meiner Arm oder Handkraft zu tun."
„Handkraft?", lachte Martina auf und Selma stieg in ihr Lachen ein.Dann wurde Selma plötzlich etwas ernster: „Martina? Darf ich dich etwas persönliches fragen?"
Martina schluckte und wusste nicht genau, was sie darauf antworten sollte. Was würde jetzt nur kommen? „Ehm, ja. Nur zu."
„Vorhin, als ich meinte, dass ich weiß wo ich dich schon einmal gesehen hatte...du-du wirktest eher abgeneigt davon, darüber zu sprechen, weswegen ich dann nichts mehr dergleichen erwähnt habe."
Martina wurde rot. Sehr rot. Und um ehrlich zu sein: sie wollte am liebsten aus dem Auto springen und sich der Situation so schnell wie möglich entziehen.
„Hör mal, Selma", fing sie an. „Niemand weiß davon. Und ich möchte auch, dass das dabei bleibt. Also tu mir bitte den Gefallen und sprich weder in meiner, noch in der Gegenwart anderer darüber." Selma nahm Martinas eher zornige Antwort hin, als sie auch schon bei Selmas Wohnung angekommen waren.
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Rot ist die Farbe der Hoffnung
RomansRichard und Martina sind seit einigen Wochen getrennt. Selma Kirsch kommt neu ins Team der Soko Stuttgart. Nachdem Richard und Martina nun schon seit acht Wochen getrennt waren, hatte Martina endlich eine eigene Wohnung gefunden, um aus dem gemeinsa...