Kapitel 1

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*Hinweis: Dies ist Teil einer Serie! Lest zuerst "Inferi"!

Die Welt ist voller Geheimnisse.

Seit Tausenden von Jahren existiere ich und doch stoße ich auf so viele Situationen, so viele Vorfälle, Vorkommnisse, die ich weder verstehen noch erklären kann. Die Menschen haben Erklärungen gefunden, für die Dinge, die sie nicht verstehen konnten, und so wurden wir erschaffen.

So sind die Götter, Mythen, Legenden und Folklore entstanden. Wir waren die Erklärungen für alles, was ihr Verständnis weitaus überstieg, und selbst in unserer heutigen Zeit, in der die Wissenschaft alle ihre Probleme löste, stießen sie immer noch auf dieses gelegentliche Experiment, das eine Lichtkugel aus dem nichts erschuf. Sie testeten und testeten und testeten, bis sie nicht mehr zum Testen hatten. Und das Licht schwebt noch immer.

Mysteriöses faszinierte mich.

Nehmen wir zum Beispiel Cerberus. Irgendwie ist er von einem frechen Playboy zu einem liebevollen und fürsorglichen Liebhaber geworden. Tatsächlich ist das jedem meiner Brüder im Laufe von zwei Jahren widerfahren. Malachi fand seine große Liebe in Adrian, dem Halb-Titanen, der aus Versehen in unsere Welt gestolpert ist, und das hat ihn für immer verändert. Theo, mein jüngster und unausstehlichster Bruder, verliebte sich in einen ehemaligen ägyptischen Gott, der sich gerne herumkommandieren ließ. Zelios, der Bruder, der immer still war, noch bevor ihm Hades seine Stimme genommen hatte, verliebte sich in dem kleinen Wasserdämon, jetzt Orakel, um den er sich in den letzten Jahren gekümmert hatte. Sogar Kain und Abel fanden irgendwie zu einander, um es noch einmal zu versuchen und sich gegenseitig zu vergeben. Es war erstaunlich, wie dieses Rudel Undankbarer es geschafft hat, etwas zu finden, das sie zum Lächeln brachte, etwas, das ihre tobenden Seelen beruhigte.

Und ich habe nie verstanden, wie oder warum das passiert ist.

Es war bloß ein Lächeln von jemandem nötig gewesen, von dem sie nicht einmal wussten, dass dieser jemand ihnen was bedeutete. Ein lebensverändernder Vorfall, der sie weicher, weiser und mitfühlender werden ließ.

Ich beneidete ihr Glück.

Was für eine mysteriöse Anomalie. Ich fragte mich, wie es sich anfühlen würde, wenn mich jemand anlächeln würde, als ob ich für diesen Jemand das Wichtigste auf der Welt wäre. Wie es sich wohl anfühlte, jemanden zu küssen? Jemanden zu umarmen? Von jemanden gehalten, geküsst und geliebt zu werden? Wie sonderbar.

Ich seufzte und legte meinen Bleistift auf das rote, ledergebundene Tagebuch, das vom jahrelangen Gebrauch an den Ecken ausgefranst war. Es war jedoch neuer, verglichen mit den anderen achtundsechzig, die auf dem Bücherregal hinter mir standen. Neben meinem kleinen Bett, das die restliche Hälfte des Zimmers einnahm, und neben einem Fenster, das keiner Vorhänge bedarf, da es draußen so dunkel und leer war. Ich kniff mir in den Nasenrücken, stützte meinen Ellbogen auf den wackligen Schreibtisch aus Eichenholz ab und überflog die Papiere, die noch immer auf meinem Schreibtisch ausgebreitet waren.

Tabellen, Seelenprofile und mehreren anderen Dokumenten, die ich mir noch ansehen musste. Ich sah zu der alten Uhr auf, die über meinem Schreibtisch hing, welche anzeigte, dass es bereits drei Uhr morgens war. Ich seufzte und ließ meinen Kopf auf den Papierstapel sinken, was sie zum Flattern und Rascheln brachte, einige fielen sogar zu Boden.

Ich rechnete schon damit, dass Kyros hereinkam um mich auszuschimpfen, weil ich alles durcheinandergebracht habe, aber als ich mich umdrehte, um zur Tür zu schauen, brach mein Herz, angesichts der leeren Stelle.

Wenn es eine Emotion gab, die ich vollständig verstehen konnte, dann war es Schmerz.

Ein heißes, zerreißendes Gefühl, das dein Herz vollständig in Dunkelheit und Elend einhüllte. Es schmerzte mehr, als ein Sprung in den Fluss Acheron. Meine Adern würden ganz heiß werden, mein Herz würde sehr heftig schlagen, dass es mir zur Kehle sprang, und ein Klos würde sich in meinem Hals formen, der sich nicht herunterwürgen ließ. Ich wollte nicht weinen. Ich hasste es zu weinen. Ich hasste dieses erstickende Gefühl, den Schmerz, der so heftig zuschlug, dass es mir den Atem raubte. Die heiß brennenden Tränen in meinen Augen, sorgten immer für eine verschwommene Sicht und glitten über meine Wangen wie flüssiges Feuer, das meine Haut versengte. Mein Kopf würde zusammen mit meinem Herzen vor Schmerz pochen.

Die Fähre des Leidens [malexmale] (Übersetzung)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt