Kapitel 10

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Ich kehrte in ein leeres Haus zurück.

Schon wieder.

Und es tat weh. Ich wollte nicht mehr alleine sein und den unheimlichen Geräuschen lauschen. Das Knarren der Dielen, das Knistern des Ofens, der den Rest des Hauses wärmte, und das Huschen der Ratte, die über die Theken eilte, um Krümel aufzusammeln, die von meiner Kochsitzung mit Alexion übriggeblieben waren.

Eigentlich hätte ich wieder an die Arbeit gemusst, aber ich konnte mich nicht dazu überwinden, mich ans Werk zu machen und mich zu konzentrieren. Mein Herz tat so weh, dass ich meine Gedanken nicht sammeln konnte. Nachdem ich eine Stunde am Schreibtisch gesessen hatte, fand ich mich in Kyros Zimmer wieder. Mit angehaltenem Atem blieb ich vor der Tür stehen und sah mich im Raum um.

Alexion hatte Kyros Möbel an Ort und Stelle gelassen und den ganzen Staub und die Spinnweben beseitigt. Er hatte die Laken und Kissenbezüge gewechselt, was den Eindruck machte, als ob Kyros jeden Moment zurück sein würde, oder Alexion. Mein Herz schmerzte, als ich hineinschlenderte, zum Bett ging und mich mit dem Gesicht voran ins Kissen fallen ließ. Alexions dominanter und durchdringender Geruch befand sich darauf. Ein maskuliner Duft mit einem Hauch von Zigarettenrauch, Kräutern und Gewürzen. Ich drückte das Kissen langsam an meine Brust und rollte mich auf dem Bett zusammen.

Ich konnte spüren, wie sich ein Schluchzer einen Weg aus meiner Kehle bahnen wollte, doch ich unterdrückte ihn und kniff die Augen zu.

Ich musste mit diesem unaufhörlichen Weinen aufhören. Es würde nichts bringen und ich würde mich später auch nicht besser fühlen. Es würde Kyros nicht zurückbringen. Und es würde Alexion nicht zurückbringen. Es würde sich nichts ändern. Ich würde mich hinterher nur elendig und erbärmlich fühlen.

Und doch, waren das die Einzigen beide Emotionen, die ich ständig fühlte. Ich wollte nicht mehr allein sein. Ich wollte, dass Alexion hereinkam und mir Essen brachte oder mir das Kochen beibrachte. Ich hatte noch nicht genug gelernt, um allein leben zu können, und obwohl Alexion mir versprochen hatte, zurückzukommen, um mir Mahlzeiten zuzubereiten und um mein Haus zu putzen, reichte mir das nicht. Ich wusste, dass er hier nicht allzu viel Zeit verbringen durfte, ohne erwischt zu werden. Das wäre zu gefährlich.

Ich schniefte und zuckte dann erschrocken zusammen, als ich ein Klopfen an meiner Tür hörte. Ich kochte vor Wut und wischte mir die Tränen mit dem Daumen weg, als ich aufsprang, zur Tür ging, sie öffnete und einen schwarzen, emotionslosen Skelettwächter davorstehen sah.

"Sie müssen mit der Fähre auslaufen." informierte er mich ausdruckslos, bevor er in einer Rauchwolke verschwand. Ich biss die Zähne zusammen und machte mich auf dem Weg zur unheimlich aussehenden Fähre, die wie ein dunkler Schatten über dem Ufer ragte. Sie war die Fessel, die mich hier festhielt und ich hasste es. Ich ging die Stufen zum Steuerhaus hoch, schnippte mit den Fingern, um die Fähre in Bewegung zu setzen und schnappte mir mein Tagebuch, um mich im Kapitänsquartiere zurückzuziehen und über die letzten Stunden zu erzählen, die ich mit Alexion verbracht hatte.

Zwischen uns war definitiv mehr als bloß Freundschaft, aber ich hatte zu viel Angst vor dem, was es sein könnte. Alexion würde das niemals akzeptieren. Niemand würde das. Es war in vielerlei Hinsicht verboten. Er war ein Flüchtling, Hades hasste ihn, Hades hasste mich, Hades wollte, dass ich, wenn überhaupt eine Beziehung mit einer Frau einging. Die Liste war endlos und wir hatten keine Chance.

Und dann war da noch die Tatsache, dass Abel Recht haben könnte. Alexion könnte die ganze Zeit versucht haben, eine Fassade aufrecht zu erhalten und mich zu umgarnen, um aus mir heraus zu bekommen, wie man mir das Herz entnehmen konnte. Aber solange er an meiner Seite blieb, war mir das egal. Er könnte mich misshandeln, und ich würde ihn dennoch nicht hassen können...

Die Fähre des Leidens [malexmale] (Übersetzung)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt