Kapitel 8

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"Du wirst sechs Brüder haben."

Als Hades mir das sagte, war ich sehr aufgeregt gewesen. Ich hatte so lange allein gelebt, selbst bevor Hades für die Unterwelt zuständig geworden war. Die meisten Leute hatten mich gemieden, sogar meine eigenen Eltern. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie es wohl wäre, Geschwister zu haben. Hades stellte mich ihnen einen nach den andren vor, und einer nach dem anderen zerschmetterte einen kleinen Teil von mir, auf unterschiedliche Weise.

Als ich Cerberus zum ersten Mal sah, war er so unglaublich klein gewesen. Hades wollte mir nicht erzählen, wie er Cerberus ohne die Hilfe einer Frau erschaffen hatte. Er verriet mir bloß, dass es sehr schwierig gewesen sei und dass er Cerberus ursprünglich als Erwachsenen erschaffen wollte, es aber zu viel Mühen gekostet hätte, ihm dann eine Persönlichkeit zu geben, und dass er wollte, dass Cerberus eine eigene Persönlichkeit bekam. Etwas, das er wahrscheinlich mehrere tausend Jahre später schmerzlich bereute.

Cerberus wurde nicht als Säugling geschaffen, nein, sondern als Kleinkind. Er war sehr klein gewesen und hatte die Angewohnheit, an seinem Daumen zu lutschen. Anders als die meisten Eltern, die ihren Kindern in süßen Klamotten kleideten und sie mit Spielzeug überschütteten, ihnen Snacks und Leckereien und Geschenke machten, hatte Hades diese Standards nicht erfüllt. Es war immerhin das erste Mal, dass Hades ein Elternteil war.

Ich war von Anfang an dabei gewesen, um dabei zuzusehen, wie er den schwierigen Prozess des praktischen Ausprobierens durchmachte.

Er versuchte, Cerberus mit Muttermilchersatz zu füttern, doch Cerberus kotzte es wieder aus, also gab er ihm Cracker, die Cerberus in Stücke brach und im ganzen Haus verstreute. Schließlich traf Hades die richtige Entscheidung, indem er Cerberus Fleisch zu essen gab. Er hatte hineingebissen und es wie ein hungernder Löwe zerfetzt. Von da an hatte ihn Hades eher zum Krieger trainiert, als ihn wie einen Sohn zu behandeln.

Jahre später hatte er Cerberus und mir mitgeteilt, dass er sich in eine wunderschöne Sirene verliebt hatte und sie zu seiner Königin machen wollte. Cerberus wollte sie überhaupt nicht in der Nähe haben.

"Nein", hatte Cerberus mir bestimmt gesagt, "Ich will hier keine Frau haben. Frauen sind gemein und nervig."

"Cerberus, das sagst du doch nur, weil Hades dich von den Dienstmädchen schlagen lässt, wenn du dich danebenbenimmst."

"Ja, und?"

Das war ein seltsames Gespräch zwischen mir und meinem Bruder gewesen, an das ich mich da erinnerte.

Natürlich lief nie etwas wie geplant. Hades hatte erfahren, dass seine Geliebte schwanger geworden war, und im Gegensatz zu seinen Geschwistern, die ihre Kinder mit offenen Armen begrüßten, war Hades entsetzt gewesen. Er wollte kein richtiger Vater werden. Er hatte keine Ahnung, wie man ein Vater war. Er hatte es kaum geschafft, sich um Cerberus zu kümmern, und Cerberus begann als Kleinkind. Wie wäre es dann erst, sich um ein Baby zu kümmern? Es erschreckte Hades so sehr, dass er, als seine Geliebte das Kind endlich zur Welt brachte, das Kind stahl und es in Tartarus warf.

Eumelia, Hades geliebte Sirene, war von Trauer gepackt und ging nach Tartarus, um ihr Baby zu retten. Zur damaligen Zeit war Tartarus ein wildes Land gequälter, wütender Seelen, die in Fesseln umherwanderten. Sie waren alle in der Dunkelheit und im Elend gefangen gewesen. Als Eumelia auftauchte, hatte sie ein solch helles Licht abgegeben, dass sie alle angelockt hatte, sodass sie sie in Fetzen rissen - ihr Kind war vergessen. Hades fand anschließend heraus, was geschehen war und rettete Eumelias Kind, bevor er in den Palast zurückkehrte.

Ich hatte Hades im Leben noch nie so gequält gesehen. Er weinte zwar nicht, aber es kostete ihm alles ab, nicht in Tränen auszubrechen, als er das kleine Kind in seinen Armen hielt.

Die Fähre des Leidens [malexmale] (Übersetzung)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt