Kapitel 4

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Es war ein seltsames Gefühl, wieder mit jemandem zusammenzuleben.

Ich war es nicht gewöhnt, eine andere Person im Haus zu haben. Immer wenn ich von meinem Schreibtisch aufstand und in die Küche ging, fand ich Alexion dort vor, der Essen zubereitete, Tee kochte oder manchmal die Ratte mit Essensresten fütterte, die ihren Weg zurück in die Küche gefunden hatte. Ich war mir nicht sicher, ob ich Unbehagen oder Neugier empfand, oder vielleicht eine seltsame Mischung aus beidem.

Ich stand vor dem Eingang zur Küche, und spähte hinein, um Alexion dabei zuzusehen, wie er Zuckerwürfel in seinem Preiselbeertee siebte. Er nahm einen Zuckerwürfel aus der Tüte und schob ihn über die Theke zur Ratte, die auf die Theke gekrochen war. Sie huschte hinüber, schnappte sich den Würfel und rannte damit davon. Alexion sah dabei zu, wie sie ging und ich versuchte, seinen Gesichtsausdruck zu deuten, was allerdings sehr schwierig war. Seinem Gesichtsausdruck nach schien er immer ruhig, fast schon gelangweilt zu sein, aber seine Augen sprachen vom Gegenteil. Von einer inneren Unruhe, die ich finden und verstehen wollte, aber das würde dauern. Ich würde auch Zeit brauchen, um mit der Tatsache fertig zu werden, dass ich noch immer allein war, obwohl Alexion hier war.

Alexion machte Anstalt sich umzudrehen, und ich wich schnell zur Seite aus, drückte meinen Rücken gegen die Wand und hielt den Atem an und die Augen zu. Es entstand eine kurze Stille.

"Charon, wenn du mich ausspionieren willst, dann komm wenigstens etwas essen." sagte Alexion. Meine Wangen brannten vor Verlegenheit, als ich hart schluckte und gegen die aufkommende Röte ankämpfte. Als ich das Gefühl hatte, dass die Gefahr vorüber war, schob ich mich um die Ecke hinein und sah an ihm vorbei zum Wasserkocher und zu der Stelle, zu der die Ratte gerannt war, bevor ich Alexions intensiven Blick begegnete. Einen Blick, der mir eine Gänsehaut verursachte.

"Ich bin nicht hungrig." sagte ich leise und blieb ein paar Meter von ihm entfernt stehen. Alexion neigte den Kopf zur Seite.

"Durstig?"

"Nein."

"Was ist es dann? Du hast mich zehn Minuten lang beobachtet." fügte er hinzu und zog eine Braue hoch. Er neckte mich, merkte ich nach einem Moment. In seiner Stimme lag ein Hauch eines verspielten Tons. Ich trat von einem Fuß auf den anderen, weil ich es nicht gewöhnt war, auf eine Weise geneckt zu werden, die weder obszön noch schädlich sein sollte. Sogar Kyros hatte es vermieden, so verspielt mit mir umzugehen. Wahrscheinlich hatte er Angst, dass er unbeabsichtigt meine Gefühle verletzen könnte.

"Ich... ähm", ich zögerte und versuchte die passenden Worte zu finden, "Ich schätze... ich habe mich nur gefragt... ob du noch eine Weile bleiben wirst." Alexions Lippen verzogen sich und ich bereute es sofort, ihm das gefragt zu haben. Wahrscheinlich glaubte er, dass ich ihn rausschmeißen wollte... wollte ich das? Ich hatte noch nie jemanden zu Besuch gehabt, der für mich kochte und das Haus putzte. Meine Besucher blieben nie länger als ein paar Minuten, nicht einmal Cerberus. Als ob sie die unangenehme Aura nicht ertrugen, die von mir ausging.

"Möchtest du, dass ich gehe?" fragte er schließlich.

"Nein", platzte es sofort aus mir heraus und ich hielt inne, nicht mehr in der Lage, die Röte auf meinen Wangen zu stoppen. Jetzt konnte ich definitiv die Belustigung in Alexions saphirblauen Augen sehen, als ich versuchte mich schnell zu korrigieren. "I-Ich meine. Ich weiß nicht. Du hast versucht, meine Brüder zu töten und die Welt zu zerstören, und ich weiß nicht, ob ich mit jemandem zusammenleben möchte, der mich töten könnte-- nicht, dass ich dir nicht vertraue, ich meine, das tue ich auch nicht-- Warte, nein. Ich meinte... ich wollte nicht, dass das so herauskommt." Vor Verlegenheit wurde mein ganzer Körper heiß, während ich mir total bescheuert vorkam. Deshalb überlegte ich mir zuerst, was ich sagen wollte, bevor ich sprach. Ich konnte nicht frei heraus sprechen wie meine Brüder oder Hades oder irgendjemand sonst, den ich getroffen hatte. Ich musste mir Zeit nehmen, um darüber nachzudenken, was ich sagen wollte, bevor ich es sagte. Andernfalls, hört sich alles schrecklich an. Es würde mich nicht wundern, wenn Alexion nun beschließen würde zu gehen, weil er mich für bescheuert hielt.

Die Fähre des Leidens [malexmale] (Übersetzung)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt