✔️7. Kapitel - Dumm gelaufen

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Ich hatte schließlich einen schattigen Platz gefunden. Aber dafür musste ich bis zum Waldrand laufen und hoffte dort nun endlich etwas Ruhe und Zeit für mich zu haben. Ich hielt es nicht mehr aus von allen Seiten angestarrt zu werden. Ich war noch nie diejenige, die gerne im Mittelpunkt stand. Eher hielt ich mich im Hintergrund und beobachtete von dort aus die Welt um mich herum. Doch jetzt war eben Schluss damit. Ob ich mich damit abfinden konnte? Nein.

Irgendwie musste ich also dieses riesige Missverständnis klären. Und dazu musste ich wohl oder übel Alec einen Besuch abstatten. Aber während der Pause war es unmöglich auch nur in seine Nähe zu kommen. Entweder hatte er sich irgendwo versteckt, musste Schützer-Aufgaben erledigen, oder war von einer Gruppe hungriger Miezen umzingelt. Also musste ich warten, bis der Unterricht zuende war.

Doch etwas unterbrach meine Gedanken. Und die Ruhe. Eine kleine Gruppe Mädchen kam auf mich zu. Ich sah zur Sicherheit nochmal nach links und rechts um sicherzugehen, dass sie auch wirklich auf mich zuliefen. Doch das taten sie. Ich seufzte und stieß mich von dem Baum ab an den ich lehnte. „Na wenn das mal nicht die Neue ist. Gerade mal wenige Tage da und schon schnappt sie sich den König der Schule", sagte das Mädchen vor mir. Die anderen drei, stellten sich so um mich herum, dass ich mich sofort unwohl fühlte. Ihre Blicke sahen mich hungrig an und ich wusste sie wollten mich nur ärgern.

Das Problem war nur, dass wir mitten am Waldrand waren und hier keiner war. Vielleicht war die Idee hierher zu kommen doch schlechter als ich dachte.

Ich verschränkte meine Arme, um mir nicht anmerken zu lassen das in meinem Kopf gerade alle Alarmglocken läuteten. „Das geht euch nichts an. Wenn ihr Gerüchten mehr glauben wollt, dann ist das eure Sache. Lasst eure Laune an jemand anderem aus, aber nicht an mir." Wow, das war besser als ich dachte. Ich hatte es geschafft das leichte zittern meiner Stimme zu unterdrücken.

„Hm, für deine schwache Aura, hast du eine ziemlich große Klappe. Vorher habe jemand sagen gehört, dass du eine Wölfin bist. Aber jetzt wo ich dich sehe, glaube ich diesem Mädchen immer weniger", sagte sie arrogant. Myra wurde also belauscht. Aber das ist bestimmt nicht ungewöhnlich in einer Schule voller Wandler, die ein Gehör wie ein Tier haben. „Wie schon gesagt, mein Leben geht dich nichts an. Also verschwindet endlich!", sagte ich und trat einen Schritt nach vorne.

„Oho! Von einem Schwächling wie dir lassen wir uns gar nichts sagen. Vielleicht sollten wir ein bisschen mit dir spielen... Was sagt ihr Mädels?", fragte sie in die Runde. Wie auf Knopfdruck begannen sich plötzlich alle zu verwandeln. Jetzt war mir die Panik ins Gesicht geschrieben. Vor mir stand eine Tigerin und um mich herum eine Schneeleopardin, ein Luchs und ein Puma.

Alle fletschten bedrohlich ihre Zähne und kamen langsam auf mich zu. Wäre ich wirklich eine Wölfin, dann hätte ich mich schon längst verwandelt. Selbst als Füchsin hätte ich eventuell noch eine geringe Chance es hier rauszuschaffen. Aber ich konnte mich nicht verwandeln, denn dann wäre meine ganze Tarnung aufgeflogen und jeder wüsste, dass ich gelogen hatte.

Dieses Mal lief ich aber rückwärts, bis ich mit dem Rücken an den Baum anstieß. Mein Herz pochte wie wild und mein ganzer Körper kribbelte wie verrückt. Der Wille der Füchsin in mir war kurz davor die Oberhand zu gewinnen und zu fliehen. Doch ich tat alles was in meiner Macht stand, um die Verwandlung zu verhindern.
Gerade als ich dachte ich schaffte es nicht mehr, sprang ein brüllender Löwe vor mich und drängte alle einige Meter zurück. Zum ersten Mal in meinem Leben, war ich dankbar, dass Alec da war.

Das war meine Chance zu flüchten. Alle waren abgelenkt und achteten nur noch auf den wütenden Löwen. Ich drehte mich um und rannte los in den Wald. Wenige Sekunden später brach die Verwandlung über mich herein, die ich so lange zurück gehalten hatte. Ich rannte weiter und tiefer in den Wald. Als ich nicht mehr konnte blieb ich stehen und sah nach hinten. Niemand, außer das Rascheln der Blätter im Wind. Nichts war mehr zu hören.

Ich atmete erleichtert aus und mein Herz beruhigte sich langsam wieder. Ich ging zu dem kleinen Bach der durch den Wald floss und trank erstmal etwas. Hier im Wald war es noch viel schwüler als auf dem Pausenhof.

„Nisha? Du bist es, richtig?", hörte ich plötzlich jemand hinter mir sagen. Ruckartig sprang ich auf und drehte mich um. Vor mir stand Alec. Seine imposante dunkle Mähne ließ ihn noch viel größer wirken. Woher weiß er das ich es bin? Ich wich langsam zurück und visierte das Gebüsch neben mir an. Er schien jedoch meinen Blick zu bemerken und stellte sich vor meinen Fluchtort. „Keine Angst. Du brauchst nicht wegrennen. Ich tu dir nichts", sagte er nochmal mit ruhiger Stimme. Das sah vor wenigen Minuten aber noch anders aus.

„Rede mit mir. Ich weiß das du es bist. Ich bin deinen Fußspuren gefolgt, nachdem ich die anderen zum Direktor geschickt habe", sagte er. Hoffentlich bekommen sie eine saftige Strafe...
Aber vorerst habe ich jetzt ein größeres Problem. Wenn er meinen Fußspuren gefolgt ist, dann hat er auch meine Fuchsspuren gesehen. „Sag es bitte keinem", war das erste was ich zu ihm sagte. „Warum? Warum verdeckst du deine wahre Gestalt und gibst dich als Wolf aus?", fragte er. Mist, er hat es wahrscheinlich von den Mädels erfahren. Aber trotzdem hätte ich nicht erwartet, dass er so reagiert.

„Ich wollte unauffällig bleiben. Wenn jeder wüsste, was ich bin, dann wäre ich das nächste Opfer der Schule gewesen. Ich bin eben nicht dumm und habe bemerkt, dass ich hier von allen die Schwächste bin", sagte ich leise und sah auf den Boden. Er setzte sich vor mich, aber war immer noch dreifach so groß wie ich. Doch seine großen goldenen Augen waren nun nicht mehr zu Schlitzen gezogen und er sah mich eher mit runden und freundlichen Augen an. Jetzt wo ich ihm gegenüber stehe und ihm in die Augen blicke sieht er mehr wie ein großer Babylöwe aus und wirkte auf einmal viel weniger bedrohlich, als wie aus jener Nacht bei unserer ersten Begegnung.

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