Ich stand vor dem Therapiezentrum und atmete einmal tief ein und aus. Ich öffnete die Tür und das alltägliche Tummeln in einer Artpraxis umgab mich. Die Telefone standen nicht stillt und die medizinischen Fachangestellten liefen kreuz und quer durch die Praxis. Kinder lachten und weinten im Wartebereich und die Eltern unterhielten sich aufgeregt miteinander. Heute war ich ohne Luis hier, da er Schule hatte. Ich versuchte mir einen Überblick zu verschaffen und ging direkt in das Behandlungszimmer von Estella und mir. Sie saß natürlich schon an ihrem Schreibtisch und tippe hektisch etwas in ihren Computer ein. „Guten Morgen!", grüßte ich sie. Sie schaute mich durch ihre halb aufgesetzte Brille an und um ihre Lippen huschte ein kurzes Lächeln. „Guten Morgen Liebes. Bereit für deinen Tag?", fragte sie mich und schob sich ihre Brille wieder ganz auf die Nase. Ich nickte und zog mir meine Jacke aus. „Gut. Gut.", nickte sie meine Antwort ab und verlegte ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Sache im Computer. Ich zog mir meinen kleinen Laptop aus meinem Rucksack und nahm einen großes Schluck Wasser aus meiner Flasche. „Okay, Elia. Ich erkläre dir heute noch den Ablauf und ab nächste Woche werde ich dir jeden Sonntag immer die Liste der Woche schicken.", erklärte sie hektisch. „Welche Art von Liste?", fragte ich. „Die Liste, welchen Patienten du wann mit mir behandeln wirst. Danach möchte ich von dir dann montagmorgens, also sobald du hier mit mir sitzt, einen Plan bekommen, was du vorschlägst, welche Therapie wir machen können. Also welche Stufen und wie du sie umsetzen würdest.", erklärte sie. Ich war sprachlos. „Aber Estella, ich habe sowas doch noch nie gemacht. Mein Studium beginnt erst nächste Woche.", versuchte ich zu erklären. „Ja, Ja. Ich weiß, aber je früher du anfängst, desto besser für dich. Ich werde dir später eine Vorlage zumailen, an der du dich orientieren kannst. Es geht mir nicht darum, dass ich Perfektion erwarte.", sagte sie hektisch weiter. Ich verdrehte kurz die Augen. „Ich erwarte natürlich, dass du Fehler machen wirst, denn nur aus Fehler kann man lernen. Wir werden morgens deine Vorschläge besprechen und korrigieren und dann in der Woche umsetzten.", beendete sie ihren Satz. Ich nickte nur knapp und wollte gerade etwas sagen, als sie aufstand. „Gut, okay. Komm mit. Frau Dumont und der kleine Luuk warten schon auf uns.", gab sie mir Bescheid und war schon auf dem Weg zum Wartebereich. „Irgendwann bringe ich sie um.", sagte ich leise zu mir selbst und nahm noch einen großen Schluck von meinem Wasser, bevor ich mich dann in den Türrahmen stellte. Amilia folgte Estella zu dem Behandlungsraum. Als sie mich sah, bahnte sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht an. „Elia, schön sie wieder zu sehen.", begrüßte sie mich freundlich und hielt mir ihrer freien Hand hin. Mit der anderen hielt sie den kleinen Luuk auf dem Arm. Ich nahm ihre Hand entgegen und mit der anderen stupste ich den kleinen vorsichtig in den Bauch. Luuk begann darauf zu lachen. „Guten Morgen Amilia. Wie geht es dir und Luuk?", begrüßte ich sie dann zurück und schüttelte ihre Hand. Ich entzog ihr danach meine Hand, denn ich bemerkte, dass sie ihre nicht zurückgezogen hätte. „Ach, uns geht es soweit gut. Am Wochenende hatten wir Besuch von meinem Bruder. Er hatte Luuk noch nicht besuchen könne, seit er auf der Welt ist. Er ist beruflich sehr eingeschränkt.", erzählte sie. Ich nickte, damit sie sich angenommen und verstanden fühlte. „Oh, dass freut mich. Da hat sich der Luuk bestimmt sehr gefreut.", antwortete ich ihr darauf und bat sie in den Behandlungsraum, wo Estella uns schon erwartete. Sie ging an mir vorbei, jedoch ließ sich mich nicht aus den Augen. Ich schloss die Tür hinter ihr zu und folgte ihr zu Estella. Luuk wurde auf den Boden gesetzt und konnte sich dort mit einem Kuscheltier beschäftigen, in der eine kleine Klingel verarbeitet wurde. Wenn er dieses schüttelte erklang ein schönes klingeln. „Setzen sie sich Frau Dumont.", bat Estella, die wieder hinter ihrem Schreibtisch saß. Amilia schaute mich erwartungsvoll an, denn sie dachte, dass ich mich neben sie auf den Stuhl setzen würde. Ich stand bewusst neben ihr und setze mich nicht, denn ich wollte den gleichen Fehler wie letzte Woche nicht wiederholen. Obwohl mir meine Mutter erklärt hatte, dass es eher gut war emotional zu sein, wusste ich, dass Estella das nicht gefallen hatte. Ich beschloss deswegen eher auf Abstand mit Amilia zu bleiben, denn ich sah ihr an, dass sie sich eher an mich wendete anstatt an Estella. „Gut Frau Dumont. Ich habe mich am Wochenende die Zeit genommen und habe für sie und den kleinen Luuk mal einen Plan ausgearbeitet. Natürlich ist dieser nur eine Orientierung. Wir werden den Plan an Luuks Fortschritte jede Woche anpassen. Diese Aufgabe wir Frau Willemsen übernehmen. Mein Ziel ist es, dass sie spätestens nach einem Jahr soweit ist, um die Therapie von Luuk ganz zu übernehmen. Natürlich werde ich trotzdem immer dabei sein und ihr helfen, wenn sie mich braucht, jedoch bin ich der Meinung, dass man den Beruf am besten lernt, wenn man aktiv etwas tut.", erklärte sie. Ich runzelte die Stirn. Davon hatte sie mir noch nichts gesagt. Ich war sehr verwirrt in dem Moment, ließ es mir jedoch nicht anmerken. Amilia nickte nur und war komplett still. Estella holte die für Luuk angelegte Akte aus ihrer Schublade und schlug sie auf. In der Akte waren unterschiedliche Berichte über Luuk aufbewahrt, wie Berichte von Ärzten oder bestimmte Ergebnisse, zum Beispiel von dem Hörtest. Die Kinder, die hier zur Therapie angemeldet werden, mussten vorher von Ärzten gründlich untersucht werden. Wir sind eine Praxis, die nicht nur auf Rezept arbeitet. Bei uns kann jedes Kind angemeldet werden. Dennoch sind mache Tests Pflicht. Darunter gehört zum Beispiel der Hörtest. Die meisten Krankenhäuser machen nach der Geburt mit den Kindern ein Hörtest. Dieser wird dann in einer der U Untersuchen noch mal wiederholt, denn wenn das Kind nicht hört, können andere wichtige Entwicklungsziele nicht erreicht werden. Auf die Ergebnisse des Hörtest legen wir hier in der Praxis besonders viel wert, denn für das Sprechen ist das Hören sehr wichtig. Ein Kind wird nicht anfangen zu sprechen, wenn es nicht richtig hören kann. Wir können dann die Schritte besser einplanen. Estella legte eine Art Tabelle vor sich und zog ihre Brille ein wenig nach unten. „Wir werden bei Luuk mit der Ergotherapie anfangen. Da Luuk noch sehr jung ist, werden unsere ersten Ziele sein, dass er grundlegende Entwicklungsziele so schnell wie möglich, aber ohne Zwang, erreicht. Zum Beispiel, dass Umdrehen von Bauch- in die Rückenlage oder das eigenständige Kopf halten.", erklärte sie. Ich wusste, dass Amilia wieder überfordert war, jedoch hielt ich mich zurück. Estela achtete gar nicht auf sie, sondern sprach einfach weiter. „Bei der Ergotherapie wollen wir die größtmögliche Eigenständigkeit durch Selbsthilfetraining und Hilfsmittelversorgung erreichen. Da wir natürlich klein anfangen, werden wir uns natürlich erst auf die kleinen Sachen konzentrieren. Also auf die Entwicklung und dann auf die Verbesserung der Grob- und Feinmotorik. Die Koordination, Aufnahme und Verarbeitung von Sinnesreizen und dann irgendwann auch von den Kommunikationsmöglichkeiten." Amilias Augen wurde ganz groß, denn sie verstand gefühlt nur die Hälfte, was ich ihr nicht übelnehme. Hätte ich mich damit nicht schon seit Jahren beschäftigt, dann hätte ich auch keine Ahnung, wovon Estella da gerade spricht. „Soweit alles klar?", fragte Estella dann noch mal nach. „Ja. Ja, natürlich.", sagte Amilia und schaute runter auf ihre Hände, die sie wegen ihrer Aufregung und Überforderung nicht stillhalten konnte. „Okay, gut. Dann können wir heute Anfangen. Elia?", sagte Estella und stand auf. Ich schaute sie an. „Ja?", fragte ich sie. Sie klatschte in ihre Hände: „Dann können wir jetzt anfangen!".

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Stay fast
RomanceAls Frau ein Formel 1 Fan zu sein, kann ganz schön hart sein. Alle glauben, dass du keine Ahnung von dem Sport hast, sondern es nur schaust, weil die Fahrer so attraktiv sind. Aber das ist einfach nur grundlegend falsch. Man kann auch als Frau ein F...