No More

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Zum ersten Mal war ich erleichtert, als Mark die beiden abholte und sie wieder weg waren. Ich wollte einfach nur noch allein sein und irgendwas kaputt hauen. Was ich dann auch tat. Drei weitere Teller und zwei Blumenvasen mussten dran glauben, weshalb ich Mum sofort schrieb, neue zu kaufen. Sie würde wissen, warum. Wusste sie immer. Aber irgendwie war es diesmal anders. Es war nicht, weil mich irgendwer in der Schule aufregte oder weil mein leiblicher Vater mal wieder versucht hatte, mich zu erreichen. Sondern weil ich wütend auf mich selbst war.

Wieder hatte ich Harry verletzt.

Meine Psychologin hatte mich mal gefragt, wie ich mein Leben in drei Worten beschreiben würde. Ich sagte hammermäßig und einfach. 

Das dritte Wort ergriff in diesem Moment wieder von mir Besitz.

Einsam.

Ich war einsam.

Klar, natürlich hatte ich Liam und Niall und Mum und meine Schwestern, ich hatte auch Danielle gehabt. Aber es reichte nicht, damit ich mich vollständig fühlte. Nichts reichte dafür. Und dann waren da Harrys Augen, die ich nur zu sehen brauchte, um mich sicher und zu Hause zu fühlen. Um mich vollständig zu fühlen. Ein bisschen weniger einsam.

Mum fand mich zitternd auf dem Küchenboden kauernd, in eine Ecke der Kücheninsel gedrängt.

Überall auf dem Boden waren weiße Scherben verteilt. Die, die neben mir lagen, hatten sich inzwischen rot gefärbt, von dem Blut, welches von meinen Unterarmen auf das weiße Porzellan tropfte. Das alles war einfach zu viel für mich. Es war zu viel. Ich wünschte mir, an meinen Tränen zu ersticken oder endlich zu verbluten, was eigentlich meine Absicht gewesen war, als ich eine der Scherben aufgehoben hatte.

Aber ich hatte zu große Angst vor dem Tod, um es durchzuziehen.

,,Ich kann das nicht mehr Mum", schluchzte ich an der Schulter meiner Mutter, ,,Ich kann nicht mehr, ich kann einfach nicht mehr!"

,,Ist okay Liebling", murmelte sie zärtlich in mein Ohr, ,,Es wird alles gut, ich bin jetzt bei dir. Ich lass dich nicht mehr los, fest versprochen. Sag mir, was ich für dich tun kann Boobear. Sag mir, ob ich dir irgendwie helfen kann."

,,Kannst du nicht. Das kann niemand. Ich... Ich kann so nicht weiter leben. Therapiestunden, die mich wütender machen, als die Deppen in der Schule, immer die gleichen hirnlosen Spötteleien von allen Seiten. Das ich niemals wirklich ich selbst werde sein können. Ich kann nicht mehr, ich kann einfach nicht mehr verdammte Scheiße!"

,,Ist okay."

Das sagte sie nur, um mich zu beruhigen.

Und es funktionierte ein bisschen. Zumindest gut genug, um mich dazu zu bewegen, mich von Mum verarzten zu lassen und sie versprach mir auch, meine Therapie zu beenden, die ja doch nichts brachte. Worüber ich mit meiner Psychologin redete, konnte ich auch mit Mum reden, die mich ganz einfach besser kannte, als jeder andere Mensch auf diesem gottverdammten Planeten. Dafür liebte ich sie.

Und auch dafür, dass sie mich für die letzten drei Schultage krank schrieb.

Ich würde ja sowieso nichts verpassen.

Liam und Niall versuchten ein paar Mal, mich anzurufen, aber ich drückte sie weg.

Auch meine besten Freunde konnten mir jetzt nicht helfen. Ich brauchte wirklich einfach den Freiraum und die Zeit für mich, die Mum mir gab, bis sie Georgia vom Flughafen abholte. Vor lauter Harry hatte ich schon fast vergessen, dass sie kommen würde. Sie war ein echt süßes Ding und super nett, keine Frage. Aber ich hatte zu ihr einfach nicht die gleiche Verbindung, wie zu meinen anderen Halbschwestern, die ich alle seit ihrer Geburt kannte und deren Windeln ich jahrelang gewechselt hatte. Georgia war einfach anders.

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