Als das warme Licht der Sonne auf sein Gesicht traf und der seichte Wind seine Nase kitzelte, entfuhr seinen Lippen ein leichtes Seufzen.
Mit dem Geruch nach Kaffee aus dem Laden an der Ecke in der Nase und den alltäglichen Geräuschen von Autos und Menschen auf der Straße in den Ohren, strich er sachte mit den Krallen über die von der Sonne heißen Dachziegel. Er konnte das Gurren einer Taube hören, die ganz in der Nähe sein musste und das Lachen von Kindern aus dem Park links von ihm. Sonnenlicht spiegelte sich in den Fenstern der Häuser, die dich an dicht sich aneinander schmiegten, an vielen Fenstern mit Blumentöpfen geschmückt, jede Blüte jeweils bunter als die Andere.
Die letzten Wochen waren für Chat Noir pure Erholung gewesen - sicher hatte er seine Freunde nicht sehen können und musste auch die Gegenwart seiner besten Freundin Ladybug missen. Nichteinmal die sommerliche, heimische Atmosphäre von Paris hatte er erleben können. Der Sommer musste traumhaft ruhig gewesen sein - er hatte kein einziges Mal in die Stadt zurückkehren müssen.
Dennoch hatte er seine Ferien vollends genossen - vorallem durch die ständige Anwesenheit seines Vaters, der sich von ihm letztendlich dazu breitschlagen lassen hatte, mit ihm in den Urlaub zu fliegen und sämtliche Arbeit hatte liegen lassen. Chat Noir hatte ihn in den letzten drei Wochen öfter gesehen und mit ihm geredet, als in den letzten vier Jahren zusammen - Es schien als hätte Gabriel Agreste zu ersten Mal seit dem Verschwinden seiner Mutter wieder frei atmen können.
Das war das Ausschlaggebende daran, weshalb er diese Wochen so sehr genießen konnte und was sie so perfekt gemacht hatten.
Dieses Glück konnte nun nichteinmal das Gefühl toppen, endlich wieder über die Dächer von Paris zu springen, den Wind in den Haaren zu spüren und einfach frei von seinem eigenen Leben zu sein.
Nichts könnte sein Hochgefühl an diesem Spätsommerabend trüben, da war er sich sicher. Mit einem Lächeln im Gesicht setzte er sich direkt hinter die Dachkante, in den Schatten eines Schornsteins und ließ den Blick über die Straßen unter sich streichen.
Gedankenverloren beobachtete derr schwarze Superheld die Passanten, die, ohne sich seiner Gegenwart bewusst zu sein, durch die Straße schlenderten, mal gehetzt, mal gemütlich und entspannt.
Morgen hatte er noch einen freien Tag, bevor das neue Schuljahr starten würde - sein letztes. Auch nach vier ganzen Schuljahren, war er unglaublich froh darüber, diese Möglichkeit zu haben - trotz der Bedenken seines Vaters und seines nachwievor vollen Terminplans, zu dem neben Fotoshootings, Fechten und Chinesisch-Unterricht im Laufe der Jahre auch Spanisch-Stunden und Bogenschießen dazu kam - letzteres auf seinen eigenen Wunsch hin. Das er trotz allem dennoch Zeit fand, seine Freunde zu treffen und zwischendurch maskiert Paris zu retten, kam manchmal einem Wunder gleich. Auch wenn er gerade diese Dinge in seinem Leben nicht streichen wollte - abgesehen von den Akuma-Angriffen.
Chat Noirs Blick fiel auf den kleinen Park am Ende der Straße - er war von einigen Bäumen gesäumt und von hohen Eisenzäunen umrandet. Der Rasen war an eingen Stellen braun von dem warmen Wetter, ungeachtet des Rasensprengers, der kläglich versuchte, das Austrocknen der Pflanzen zu verhindern. Ein sandiger Pfand führte quer hindurch zu einer großen kreisrunden Fläche in der Mitte des Parks, geschmückt mit Parkbänken und einem großen Brunnen aus weißem Stein, in dem das Wasser munter vor sich hin plätscherte.
Auf der gegenüberliegenden Seite glänzte ihm die dunkle Bronzestatue entgegen, getragen von einem Sockel aus Sandstein.
Von weitem musterte er das vertraute Kunstwerk - das Abbild von sich selbst, gerade nach einem Sprung gelandet, mit ausgestreckten Arm um das Gleichgewicht halten zu können, im Kostüm, das einer Katze glich - mit Krallen an den Händen, einer Glocke am Hals, dem Gürtel als Schwanz und die Katzenohren auf dem Haupt, die seine Haare soweit herunterdrückten, dass seine menschlichen Ohren nicht mehr zu sehen waren. Eine Maske bedeckte die Hälfte seines Gesichts, das von einem Lächeln geziert war.
Und das Abbild Ladybugs, eines schlanken Mädchens im Marienkäferkostüm, den beiden Zöpfen, der gepunkteten Maske und einem strahlenden Lächeln, die ihren Parter wie eine Absprungschanze nutzte, das rechte Bein im Flug abgewinkelt und ihr magisches Jojo bereits ausgeworfen. Chat Noir wünschte sich, sie hätten der Statue Farben geben können, auch wenn es dennoch nie der Wirklichkeit hätte gerecht werden können - vorallem das Strahlen ihrer kristallklaren Augen hätte niemand kopieren können, denn das war das Schönste an ihr - das tiefe Himmelblau, in dem man sich verlieren konnte.
Egal wie man es dreht und wendete, Chat Noir konnte sich kein Universum oder Version dieser Welt vorstellen, in der er sich nicht sofort in sie verliebt hätte. Und er liebte sie - darüber würde er niemals hinwegkommen und das wolle er auch gewiss nicht. Er würde Ladybug immer lieben. Nur war er nach all der Zeit vielleicht nicht mehr verliebt.
Denn auch wenn es nie wirklich funktioniert hatte, hatte er in den letzten vier Jahren gelernt, dass es auch Andere gab, die er liebte, gelernt, dass er sich nicht für alle Zeit festsetzen konnte und wollte. Und das war okay so.
Das Lächeln auf seinen Lippen blieb, als er die Personen erkannte, die gerade laut schwatzend unter ihm zum Park liefen, ein Eis in den Händen, lächelnd. Er würde sich gerne zu seinen beiden Klassenkameraden und Freundinnen gesellen, aber er war verwandelt - auch wenn er sich als Chat Noir mit ihnen zumindest etwas angefreundet hatte, vermied er es meist, als Superheld mehr als nur nötig Kontakte zu Zivilisten zu pflegen - für seinen Geschmack waren seine Freunde sowieso schon viel zu oft in Gefahr gewesen ob nun so oder mit dem Schutz eines geliehenen Miraculous. Er würde sie vielleicht ja auch Morgen noch sehen können, oder spätestens in der Schule - als Adrien.
Und vielleicht, nur vielleicht, hielt sein Glück heute noch an und sein Vater war noch in guter Stimmung - wenn er jetzt heimkehrte und mit ihm vielleicht noch etwas mehr Zeit verbringen konnte.
So wandte sich Chat Noir noch lächelnd ab und setzte sich in Bewegung - seine silberne Waffe als Sprunglanze in der Hand und mit dem warmen Sommerwind in den Haaren.
Und vielleicht hielt sein Glück sogar noch länger - und das würde das beste Jahr überhaupt werden, sowohl für ihn als Adrien Agreste - als auch für Chat Noir.
DU LIEST GERADE
Magic can turn people into monsters | Chat Noir
Fanfic"Jemand hat mal gesagt, das der Tod nicht der größte Verlust im Leben sei. Der größte Verlust im Leben ist das, was in uns stirbt, während wir noch leben." Der Sommer ist vorbei und Adrien Agreste beginnt sein letztes Schuljahr - sein Bestes und Sc...