14 - rena

48 2 2
                                    

Der Eiffelturm leuchtete in einem dunklen Rot, durchsetzt von schwarzen, lichtlosen Flecken. Der Himmel gänzlich schwarz. Kein Stern zeigte sich und der Mond ging nicht auf.
Die Menschenmenge stand still dort, keine Gespräche drangen an seine Ohren, dass er meinte, das Flackern der Kerzen hören zu können, die zu Tausenden am Fuße des Wahrzeichens platziert waren, den Turm in ein warmes, orangenes Licht tauchten und die neuen Pflastersteine in ein Meer aus Sternen verwandelte. Rosenblüten bedeckten den Boden dazwischen, leuchteten im Kerzenschein geisterhaft weiß.

Chat Noir meinte, das Atmen verlernt zu haben. Paradoxerweise fand er den Anblick wunderschön - und er wusste, dass sie es genauso empfunden hätte. Hier oben, verborgen im Schatten des Eisengerüsts war er nicht Teil der Menschen unter ihm. Er wollte es nicht wagen, sich zu ihnen zu gesellen - zu den Menschen, die um ihre Heldin trauerten und Abschied nahmen. Er wagte es nicht, sich vorstellen zu wollen, wie sie sich wohl fühlten - beraubt von ihrer Hoffnung auf Frieden. Aufgeweckt aus der naiven Ansicht, es könnte schnell wieder Normalität einkehren. Aber er wusste, das viele von Ihnen erst jetzt erkannten, dass dieser Kampf längst in einen Krieg zwischen Magiern ausgebrochen war.
Und er wusste, dass er ihnen ihre Angst nicht nehmen konnte.

Allein das Wissen, das Marinette dasselbe auch für ihn getan hätte, hatte ihn dazu gebracht, heute sein Zimmer zu verlassen und hierher zu kommen.

Marinettes Eltern waren nicht hier - er konnte sie in der Menge ebenso wenig ausmachen, wie ihre Freunde - und er konnte es verstehen. Das hier war für die Pariser. Das hier war nur dazu da, den Leuten eine Möglichkeit zu geben, mit ihrer Trauer abzuschließen. Und bei ihnen würde es funktionierten. Bei ihm nicht.

Ihre Rollen sollten vertauscht sein.

Marinette sollte hier oben sitzen, ihr Lachen in die Welt hinausschicken, so wie sie es immer getan hatte. Ladybug sollte hier oben den Anblick des Kerzenmeeres geniesen können.
Denn wie schön der Ausblick auch war, sein Herz konnte es nicht erreichen.

Der leichte Wind ließ ihn frösteln, trug die Worte des Bürgermeisters zu ihm nach oben, ohne dass ihm die Bedeutung dieser klar wurde. Es kam ihn einfach alles bedeutungslos vor - nichts hiervon hatte einen nachvollziehbaren Grund. Nicht für ihn.

Die kalten Eisenstreben ließen seine Finger taub werden, die Wangen kribbelten unangenehm. Der Bürgermeister beendete seine Rede und einige Bürger traten an seine Stelle. Jeder von ihnen kam Chat bekannt vor - ehemalige Akumaopfer, die ihren Dank für Ladybug ausriefen - und die Menge schwieg, keiner klatschte. Es waren Kinder anwesend. Alte, Jüngere, Leute in Anzügen, Uniformen oder Freizeitklamotten.

Chats Arme zitterten, als er näher zum Rand rutschte, am Eiffelturm hinunter sah, auf den einzig dunklen Fleck inmitten der Kerzenflammen - ein schwarzes Tuch umhüllte die Figur, die nur locker auf einer Plattform stand. Als würde es irgendetwas ändern, eine weitere Statue aufzustellen. Er wollte ihr Gesicht nicht sehen, nicht als starre, leblose Figur aus Stein. Sie würden ihr Wesen niemals festhalten können - Das Tuch raschelte, als es jemand von der Figur zog.
Ladybug war lebensgroß - aus Kupfer gegossen, auf einem schlichten Sockel platziert. Chat konnte die Inschrift von oben nicht lesen. Sie stand einfach nur da, den Blick nach vorne gerichtet, die steinernden Haare wehten leicht nach hinten, die Hände hingen locker neben ihrer Hüfte.

Chat würde der Statue am liebsten das Lächeln aus dem Gesicht wischen, zusehen, wie sie zu Staub verfiel, zu schwarzer Asche zwischen seinen Krallen.

Die Katzenohren zuckten, als von unten der Ruf seines Namens ertönte - ein Kinderschrei, voll Freude und Hoffnung, die Kinderaugen nach oben, auf ihn gerichtet. Der Schatten verdeckte ihn nicht mehr. Instinktiv reagierte sein Körper, stieß sich ab, landete hart auf den Pflastersteinen. Seine linke Hand umklammerte den silbernen Stab, er hörte die lauten Stimmen der Menschen, die ihm Dinge zuriefen, doch er hörte sie nicht an.
Er drehte sich nicht zu ihnen um, fixierte mit den grünen Augen nur das Abbild seiner Freundin - versuchte sich an ihre blauen Augen und rosigen Lippen zu erinnern, das Schimmern der blauschwarzen Haare, den Klang ihres Lachens - das kalte, starre Gesicht der Statue rührte sich nicht.
Eine warme Träne entfloh seinem Auge, Chat hörte sein Herz laut klopfen, die rechte Hand zitterte, als er leise die Worte flüsterte.

Magic can turn people into monsters | Chat NoirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt