𝟙. 𝔾𝕒𝕣𝕥𝕖𝕟𝕡𝕒𝕣𝕥𝕪

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 »Zehn, neun, acht!«

»Ist heute Silvester?«, fragte ein verschlafener Typ neben mir und rieb sich die Augen.

»Viel besser«, antwortete ich grinsend, während die Menge näher rückte und einen Kreis um mich bildete. Falsch, um mich und ihn. Mit ihm meinte ich den Idioten.

»Sieben, sechs, fünf!«, schrien die Menschen.

»Was ist denn heute? Habe ich etwas verpasst?«, fragte der Typ genervt.

»Das wirst du gleich sehen«, entgegnete ich.

»Vier, drei.« Mein Herz schlug mit jeder Zahl schneller.

»Zwei, eins. Happy Birthday!« Nun rastete die Menge aus. Statt mich und den Idioten zu umarmen, umrannten sie uns. Lachend rappelte ich mich vom Boden auf und ließ mich beglückwünschen.

Juliette Ahlert, von mir auch manchmal Jules, July oder Juju genannt, zog mich aus der Menge und schlang ihre Arme um mich.

»Alles Gute zum Geburtstag. Ich hab dich lieb, Michael Lustig.« Jules grinste spitzbübisch. Sie wusste genau, wie sehr ich es hasste, wenn sie meinen ganzen Namen aussprach. Ich hasste es so sehr, wie sie es hasste, dass ich jedem einen Spitznamen gab. Besser gesagt, unendlich viele Spitznamen. In dieser Hinsicht spross meine Kreativität.

»Hier bist du!«, rief Levi Andree, neben July einer meiner besten Freunde. »Ich wünsche dir alles Gute zum Geburtstag. Endlich bist du siebzehn!«

Er legte seine Arme um mich. Als er sich wieder von mir löste, fügte er noch etwas zu seinem Glückwunsch hinzu. »Ich finde es immer noch nicht in Ordnung, dass du die Party ausgerechnet heute halten musstest. Du hättest sie auf morgen verschieben können. Übermorgen haben wir nämlich keine Schule.«

»Du weißt, dass ich unbedingt in meinen Geburtstag reinfeiern wollte, Levje. Und morgen haben wir nur noch die Zeugnisausgabe. Das kriegen wir hin.« Ich boxte Levi sanft gegen die Schulter. »Jetzt genieße die Party.«

»Ich muss Anton gratulieren. Bis später.« July schenkte mir ein Lächeln, bevor sie zum Idioten verschwand.

Leider war sie meine und Tonis beste Freundin. Obwohl wir uns hassten, verbrachte July mit beiden von uns sehr viel Zeit.

Die nächsten Minuten gratulierten mir Freunde sowie Fremde zum Geburtstag. Mit manchen plauderte ich noch.

Nachdem jeder mir und Toni das Beste gewünscht hatte, wurde die Musik wieder aufgedreht und die Ersten bewegten sich im Garten zum Takt der Musik.

Tonis und meine Familie wohnten im gleichen Haus, noch. Uns gehörte das obere Geschoss und der Dachboden, Tonis Familie das Erdgeschoss und der Keller. Aus diesem Grund teilten wir uns auch den Garten. Eigentlich hatten wir heute Abend eine klare Grenze mit Steinchen gezogen, doch die Gäste hatten sich vermischt und unsere Grenzen zerstört. Die Steinchen lagen nun verteilt und bildeten keine klare Linie mehr.

Mein Blick wanderte zu den Lichterketten, die sich von Baum zu Baum und zum Haus spannten.

»Worüber denkst du nach?«, fragte Levi neugierig.

»Über nichts und alles, Levi«, antwortete ich.

Er nickte grinsend. »Dann möchte ich dich nicht stören. Ich gehe jetzt tanzen und dann-«, fing er an, doch er beendete seinen Satz nicht.

Verwirrt folgte ich Levis erschreckten Blick. Dominik Winkler tanzte mitten auf der Tanzfläche und ließ alle links liegen. Er trug wie immer einen mitternachtsblauen Anzug und einen Hut in der gleichen Farbe. Dazu hatte er heute eine gelbe Krawatte angezogen. Obwohl Dominik damit aus der Norm fiel, wurde er von allen gemocht. Er traute sich, anders zu sein. Das strahlte er auch aus. Er fühlte sich in dieser Kleidung am wohlsten und dadurch gab er anderen das Gefühl, gerne in seiner Nähe zu sein. Ich versuchte noch, ihn zu durchschauen.

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