Kälte

400 21 2
                                    

"Wag es nicht..", seine tiefe Stimme ließ mich meinen Atem anhalten.
Ich bemerkte erst jetzt, dass meine Hand wenige Zentimeter vor seiner Wange war und ich ihn beinahe berührt hätte. Mein Bewusstsein wurde augenblicklich in die Realität zurück katapultiert und ich zog meine Hand schlagartig zurück und stand mit verkampfter Körperhaltung und möglichst flacher Atmung vor ihm.
Ich musste erbärmlich ausgesehen haben.
Meine Kleidung klatschnass, meine Haare klebten in feuchten Strähnen an meiner Stirn und meine Körperhaltung ähnelte mehr einem Stock als einem Lebewesen. Als wäre mir das alles nicht schon unangenehm genug gewesen, bemerkte ich, wie Sukunas Blick mit einer beinahe schmerzhaften Langsamkeit meinen Körper entlang fuhr. Ich blickte ihm in seine tiefroten Augen, die meine Schultern musterten und langsam zu meiner Oberweite wanderten.
Es war mir so unangenehm, dass er mir auf meine Brüste schaute, während mein Oberteil durch die Feuchtigkeit hauteng an meinem Körper lag. Reflexartig verschrank ich meine Arme schützend vor meiner Oberweite.
Doch, ich hätte den unangenehmen Blicken lieber stand halten sollen. Denn das was folgte, war schmerzhafter.

Meine Augen konnten kaum seiner Schnelligkeit folgen. Ohne eine Sekunde zu zögern, schlug mir Sukuna mit voller Kraft mit seiner flachen Hand gegen meine Wange. Ich habe den mächtigsten Fluch als Perversling dargestellt. Ichverlor augenblicklich das Gleichgewicht auf dem rutschigen Untergrund und stürzte den Berg aus Knochen ungeschützt herunter.
Ich spürte, wie die spitzen Hörner der Tierschädel blutige Kratzer an meiner Haut hinterließen, bis ich wieder im eiskalten Wasser landete. Mein Kopf war einige Sekunden unter Wasser bis ich mit schmerzverzehrten Gesicht auftauchte. Meine Rippen schmerzten höllisch und ich spürte, wie an meinen Gliedmaßen Blut aus den Schnittwunden pochte. Das heiße Blut fühlte sich unwirklich auf meinem durchgefrorenen Körper an. Langsam setzte ich mich auf und führte meine kalte Hand unweigerlich zu meiner Wange, die fürchterlich schmerzte.
Schon häufig habe ich beim Jujutsu-Training gegen meine männliche Schulkameraden gekämpft und auch den ein oder anderen Schlag kassiert. Doch noch nie gab mir jemand so hasserfüllt eine Ohrfeige. In meinem Inneren braute sich ein Gemisch aus verschiedenen Gefühlen zusammen. Einerseits war ich wütend und wäre ihm am liebsten an die Kehle gesprungen, aber anderseits fühlte ich mich durch seinen Schlag wertlos und mein Herz zog sich etwas zusammen.

Sukuna stand aus seinem Thron auf und lief langsam den Knochenberg hinunter zu mir. Er trug einen einfachen Kimono, doch durch seine einschüchternde Aura wirkte er wirklich wie ein König. Der König der Flüche eben.
Seine Hände verschrank er vor seinem Oberkörper, sodass seine Handflächen in den Ärmeln des jeweils anderen Armes verschwanden.
Ich spürte, wie ich zu zittern begann, als er sich mir näherte. Meine Schnittwunden brannten höllisch und meine Knochen schmerzten wegen der Kälte. Ich wusste nicht, ob ich nun an diesem Ort sterben musste.

Sukuna stand nun direkt vor mir und kniete sich zu mir runter. Seine Augen verrieten mir nichts über seine Emotionen, sie schienen kaltblütig durch mich durch zu sehen.
Ich hielt meinen Atem an, als ich spürte, wie er grob nach meinem Kinn fasste. Ich war gezwungen ihm direkt in seine Augen zu sehen.
Meine Wangen schmerzten. Seine langen, schwarzen Nägel borten sich in meine Haut und ich glaubte zu spüren, dass mir ein Tropfen Blut über die Wange lief.
"Duu..", seine Stimme war tief und schallte durch die Leere des Raumes, "du wagst es dich ohne meine Aufforderung zu rühren? Du streckst deine schwächliche Hand zu mir, als würdest du nicht wissen, wer ich bin? Weib, kenn deinen Platz in dieser Welt."
Er ließ mein Kinn ruckartig los und ich spürte, wie mir mein Nacken dadurch schmerzte.
Ich hatte damit gerechnet, dass ich nun erneut von ihm geschlagen werde, aber zu meiner Überraschung konnte ich sehen, wie Sukuna wieder aufstand. Er war gerade dabei sich von mir abzuwenden, als er plötzlich stehen blieb. Ich hielt den Stoff seines Ärmels fest und ich spürte seinen irrierten Blick auf mir.

Das Blut in meinen Adern raste, als ich mich ebenfalls langsam aufrichtete und ihm gegenüber stand.
Ich spürte dass Tränen der Wut in meine Augen schossen. Ich hasste ihn dafür, dass er mich behandelte, als wäre ich der letzte Dreck. Er war respektlos und arrogant.
Meine Faust ballte sich und ich schlug mit aller Kraft gegen seinen Arm. Heiße Tränen liefen meine Wange entlang und meine Faust verweilte einige Sekunden an seinem Arm. Ich wusste nicht, was ich hier tat, aber es fühlte sich gut an, ihm einen zu verpassen.

Doch er rührte sich nicht. Zum einen hatte mein Schlag ihm absolut nichts angetan, da es sich für ihn wahrscheinlich eher nach einem leichten Windhauch anfühlte als nach einem hassgetränkten Wutanfall und zum anderen konnte ich seine Verwunderung klar in seinem Gesicht erkennen. Seine Augen waren aufgerissen und seine Brauen waren verwundert nach oben gewandert. Sogar war sein Mund leicht geöffnet.
Ich wusste nicht, was ich tun sollte und krächzte ihm mit gebrochener Stimme entgegen "Schlag mich nie mehr ins Gesicht! Sowas macht man nicht!"
Und da war der Moment. Der Moment in dem ich mich am liebsten in Luft aufgelöst hätte. Ich stand nun wirklich hier in der Sphäre des Königs der Flüche, der mich mit einem Wimpernschlag augenblicklich hätte umbringen können und versuchte ihm eine Moralpredigt über menschliche Gepflogenheiten zu geben. Meine Knie zitterten und ich war mir im Klaren darüber, dass ich eine jämmerliche Gestalt abgab.
Doch Sukuna begann zu Grinsen, was schließlich in schallendem Gelächter endete. Er sah mich an und seine Zähne blitzten zwischen seinen Lippen hervor.
Jetzt war ich die, die irriert war.

"Mutig von dir. Vielleicht könnte es mit dir doch spaßiger werden, als ich gedacht habe", er wandte sich ab und ging wieder in Richtung seines Thrones. Im Gegensatz zu mir, hatte er keinen Mühen den Berg aus Schädeln zu erklimmen, sondern ging ihn zielstrebig nach oben. Schon fast majestätisch.
Ich stand noch immer knietief im kalten Wasser und konnte nicht verstehen, was sich hier vor meinen Augen abspielte.

Sukuna nahm schließlich wieder Platz auf seinem Thron und eine lässige Handbewegung verkündete sein Vorhaben. "Wir werden uns wieder sehen", raunte seine tiefe Stimme durch die Leere und ehe ich mich versah wurde mir erneut schwarz vor Augen.

......

"Y/N!" ertönte es weit aus der Ferne.

"Y/N! HEEEY!", allmählich wurde die Stimme deutlicher und ich brauchte ein paar Sekunden um zu verstehen, woher ich sie kannte.
"Sato..ruu..", verließ es leise meine Lippen und ich öffnete langsam meine Augen. Satorus meeresblauen Augen fixierten mich besorgt, während ich sicher geborgen auf seinem Schoß saß.
Satoru saß im Schneidersitz auf dem Boden und ich lag etwas hilflos auf seinen Beinen. Ich war wohl ohnmächtig.
"Endlich! Du warst gefühlt eine Ewigkeit weggetreten!", ich hörte nur halbherzig die Worte des Weißhaarigen, da ich immer noch Probleme hatte, die letzten Erlebnisse zu verarbeiten und mein Kopf sich anfühlte, als wäre er in Watte gepackt.

Ich hing schlaff in den Armen des Mannes, den ich liebte und genoss es, keinen Muskel anspannen zu müssen. Mein Körper fühlte sich an, als wäre ich einen Marathon gelaufen. Jeder Knochen schmerzte fürchterlich.

"Du warst bei ihm, oder?", Satorus ruhige Worten zogen meine Aufmerksamkeit zurück auf ihn, "Du bist Sukuna begegnet, oder?"
Ich konnte den Blick meines Gegenübers nicht deuten, seine Augen fixierten mich starr und ich konnte keinerlei Emotion erkennen.
Ich nickte nur schwach.

Satoru seufzte leise.
"Scheiße.", seine Wortwahl ließ mich innerlich aufschrecken, "er ist ein Fluch und nicht gerade einer von der netten Sorte. Ich habe keine Ahnung, was passieren würde, wenn er dich in seinen Bann gezogen hat. Die dunkle Aura eines Fluches kann süchtig machen. Sukuna ist bereits ein kleiner Teil von dir und wenn wir nicht aufpassen....", ich hörte Satoru nicht mehr zu. Meine Gedanken schweiften ab und ich konnte mich nur noch an Sukunas Worte erinnern "wir werden uns wiedersehen".
Der Gedanke daran, dass ich ihn direkt berühren wollte, ließ mein Blut in den Adern gefrieren. Mein Herz raste und ich spürte, wie meine Körpertemperatur stieg.
Was ist.. wenn er mich schon in seinen Bann gezogen hat, ohne dass ich es gemerkt habe?

Satoru Gojo × ReaderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt