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Gedankenverloren ging ich den Gang des Supermarktes entlang. Vor mir schob ich den überfüllten Einkaufswagen vor mir her, in meiner linken Hand befand sich der zerknitterte Einkaufszettel. Es war mir ein Rätsel, wie ich die ganzen Lebensmittel zum Auto bringen sollte, geschweige denn in die Wohnung. Aber es war auch schließlich meine eigene Schuld – ich hätte es nicht so vor mir herschieben sollen. Doch ich hasste Einkaufen. Nicht das Einkaufen direkt, ehe die Umstände, die das Einkaufen bereitete. Denn die meisten Dinge, die ich brauchte, befanden sich meistens in den oberen Regalen, wo ich mit meiner zierlichen Größe meistens nicht dran kam, sodass ich dann jemanden Fremden fragen musste, ob er nicht behilflich sein könnte um mir dir unerreichbaren Lebensmittel reichen zu können.

Natürlich könnte man sagen, dass ich mich nicht so anstellen sollte. So hatte ich immerhin eine Entschuldigung gut aussehende, große Kerle anzusprechen und eventuell mit ihnen zu flirten. Aber so ein Mädchen war ich nicht. Ich war die Art von Mädchen, die einen Jungen mit hochrotem Kopf und piepsiger Stimme ansprechen würde und den Augenkontakt so gut es eben ging zu meiden. Meine Größe brachte also viele Nachteile mit sich.

Seufzend blieb ich stehen und schaute auf meine Einkaufsliste. Mit zusammengekniffenen Augen überflog ich meine schlampig geschriebene Schrift und konnte teilweise selbst nicht die Wörter entziffern, die ich selbst geschrieben habe. Mein Blick huschte von dem Stück Papier und meinem Einkaufswagen hin und her, um sicher zu gehen, dass ich auch alle wichtigen Sachen habe. Zufriedenen stelle ich fest, dass ich alles hatte und dabei musste ich diesmal niemanden um Hilfe bitten. Moment. Ich hatte vollkommen vergessen meine Lieblingschips zu holen. Die waren der eigentliche Grund, wieso ich mich dazu aufgerafft habe einkaufen zu gehen, da ich gestern Abend die letzte Packung in mir reingestopft habe, während ich zum wiederholenmale Friends durchgesuchtet habe!

Zielstrebig ging ich weiter den Gang entlang und konnte schon von weitem die ganzen Chipstüten erkennen. Gerade wollte ich freudig nach meinen Lieblingschips greifen, als ich realisierte, dass an der Stelle, wo normalerweise meine geliebte Chipsmarke war, sie Platz mit einer anderen Chipsmarke getauscht hatte. Das bedeutete, dass die Chips, die ich eigentlich wollte, ganze zwei Regalbretter weiter oben war. Ich wusste jetzt schon, dass ich selbst auf Zehnspitzen und Strecken nicht einmal ansatzweise dran kam. Verdammt nochmal – ich brauchte schon die ganze Zeit keine Hilfe, also werde ich sie jetzt auch nicht benötigen!

Ich stelle mich so nah am dem Regal so wie möglich, stellte mich auf die Zehnspitzen, streckte mich so sehr wie ich nur konnte – aber ich kam nicht dran. Selbst das Auf- und Abspringen brachte mich meinem Ziel kein bisschen weiter. Super. Ich musste wohl oder übel doch jemanden fragen.

Kurz schaute ich mich um. Im selben Gang stand ein großer Mann, nur ein paar Meter weiter von mir entfernt und schien irgendetwas zu suchen. Sonst war kein anderer in meiner Nähe. Er stand mit dem Rücken zu mir, aber sein breiter, muskulöser Rücken reichte mir schon, um Wärme in meine Wangen steigen zu lassen und meine Kehle ganz eng werden zu lassen. Ich hatte zwei Möglichkeiten: Die erste war, meinen ganzen Mut aufzuraffen, zu ihm zu gehen und ihn freundlich um Hilfe zu bitten. Die zweite war, wohl oder übel ohne die Chips nach Hause zu fahren. Aber ein kurzer Blick nach oben, ließ mein Mund sehnsuchtsvoll mit Wasser zusammenlaufen. Ich konnte nicht ohne die sündhaften fettigen, leckeren Kartoffelchips gehen!

Du schaffst das! Wem machte ich hier eigentlich was vor? Ich würde mich mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit noch mehr blamieren als sonst auch. Noch einmal atmetet ich tief ein und aus, bevor ich mich langsam auf dem Weg zu dem Fremden machte. Je näher ich ihm kam, desto größer schien er zu werden und desto kleiner und kindlicher fühlte ich mich. Das war eine ganz schlechte Idee gewesen. Viel zu früh stand ich neben ihn und schaute zu ihm hoch, sodass ich ihm vom Profil sehen konnte. Jetzt, wo ich ihn von der Nähe her betrachten konnte, kam er mir irgendwie bekannt vor, ohne genau zu Wissen woher. 

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