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Nur 3 Stunden.

Ich hatte nur drei Stunden Zeit mich fertig zu machen und diese letzten traumatischen Stunden zu verarbeiten, ehe Kaden erneut vor meiner Türschwelle stand. Eigentlich hatte ich heute nur den Supermarkt betreten gehabt, um heute Abend Friends schauen und dabei Chips essen zu können.

Mit leeren Händen und mehr Geld hatte ich den Supermarkt betreten gehabt. Und verließ diesen mit Essen, weniger Geld und zusätzlich einem ungewollten Date. Hätte ich heute morgen geahnt, wie dieser Tag ausarten konnte, wäre ich einfach im Bett liegen geblieben. Das Schlimmste war, dass dieser Tag noch nicht einmal vorbei war...

Zu aller erst schleppte ich mich ins Bad, schminkte mich ab, entkleidete mich und begab mich unter die Dusche. Sobald das heiße Wasser meinen Körper hinabprasselte, fing mein Gehirn an, auf Hochtouren sich endliche Szenarien ausmalen, wie dieser Abend schrecklich ausarten könnte.

Was, wenn Kaden erst gar nicht wiederauftauchen würde? Vielleicht sah er es von Anfang an als ein Witz an. Vielleicht befand er sich bereits bei seinen Kumpels, tranken gemeinsam gemütlich ein Bier und erzählte jedem von dem dummen, kindlichen Naivchen, von dem er heute im Supermarkt aufgrund einer Tüte Chips belästigt wurde.

So demütigend sich diese Vorstellung auch anfühlen mag, das wäre das kleinste Übel. So würde ich mich jedenfalls nicht vor ihn und alle anderen Fremden auf die Knochen blamieren können. Immerhin müsste ich es niemanden erzählen und ich könnte die letzten paar Stunden auch einfach getrost vergessen.

Was alles diesen Abend passieren werden würde, falls er tatsächlich auftauchen würde, wollte ich mir erst gar nicht vorstellen...

Dass ich mich blamieren werde, stand schon einmal außer Frage.

Erst als das heiße Wasser ausgebraucht war, stieg ich aus der Dusche und kuschelte mich in ein Handtuch ein. Ein kurzer Blick auf die Uhr verriet mir, dass ich nur noch 2 ½ Stunden Zeit hatte. Da ich mir nicht um mein Outfit, noch um meine Frisur den Kopf zerbrechen musste, hatte ich ja eigentlich noch genügend Zeit.

Nein, warte. Ich musste ja ein Kleid tragen und meine Haarstoppel an den Beinen verrieten mir, dass die letzte Rasur leider auch schon ein paar Tage her war.

Also noch einmal zurück in die Dusche. Ein gutes hat es ja, wenn man klein und dementsprechend kürzere Beine hatte, als diese ganzen Supermodels. Innerhalb von ein paar Minuten war ich mit der Rasur auch schon fertig.

Ein zweites, und hoffentlich ein letztes Mal für heute, stieg ich aus der Dusche und kuschelte mich in ein großes Handtuch. Zunächst föhnte ich mir meine Haare trocken und fing an mich zu schminken. Spektakulärerer als Foundation, einen einfachen Lidstrich und Wimperntusche würde es in meinem Gesicht nicht geben. Nicht, dass ich nicht genügend Zeit für aufwändigen dreifarbigen Lidschatten und Contouring hätte. Die Wahrheit war jedoch, dass ich in diesen Dingen einfach nur miserabel war. Und bevor ich im Nachhinein passend zu meiner Größe wie eine 10-Jährige aussah, die heimlich Mutters Schminksachen gestohlen und an sich herumexperimentierte hatte, ließ ich es doch bei den einfachen Schminktechniken beruhen.

Nach dem ganzen Prozedere hatte ich noch ziemlich genau 1 ½ Stunden Zeit. Zu meiner Überraschung lagen meine Haare mal auf Anhieb so, wie sie mir gefielen und auch mein Lidstich endete nicht in Pandaaugen. Vielleicht hasste mich Gott doch nicht ganz so. Oder hatte einfach Mitleid mit dem, was heute noch alles auf mich zukommen wird.

Je mehr der Zeiger sich auf die halb 8 näherte, desto nervöser wurde ich. Meine Vernunft sagte mich, ich solle vorher am besten noch etwas Kleines Essen, doch mein Magen verkrampfte sich allein schon an dem Gedanken von Essen. Meine Hände waren von kalten Schweiß bedeckt und alle paar Minuten sprühte ich mir erneut Deo unter die Achseln, nur um sicher zu gehen. Letztendlich ging es mir mit jeder vergangenen Minute immer schlechter. Wie genau sollte ich diesen Abend eigentlich überleben? Ich kannte Kaden nicht, wusste nicht einmal, wohin wir gehen würden. Ich war dazu miserabel in Smalltak und tanzen konnte ich erst recht nicht. Also wäre eigentlich Kino das perfekte Date!

Eine halbe Stunde bevor Kaden voraussichtlich auftauchen würde, zog ich das von ihm ausgesuchte Kleid von ihm an. Das Kleid war schwarz, ziemlich hochgeschlossen, aber dafür spitzenbesetzt, sodass man genügend Haut durchsehen konnte. Dementsprechend hatte ich passend dazu schwarze Unterwäsche angezogen.

Nach kurzem Rumgraben in meinem Kleiderschrank, fand ich schließlich meine schwarzen High Heels. Dank diesen schmerzenden Teilen war ich nun ganze 10 Zentimeter größer. Jedoch war ich mit meinen jetzigen 1,60m noch immer kleiner als die restlichen Frauen meines Alters und neben Kaden würde ich noch immer wie ein verlorenes, kleines Kind aussehen.

Nur noch 15 Minuten.

Ich weiß nicht, wie lange es her ist, dass ich den Drang hatte mich so richtig zu betrinken. Eigentlich noch nie. Und was Stärkeres als Hugo hatte ich hier auch nicht. In Anbetracht meiner Größe und meinen leeren Magen, würde mir aber auch sicherlich eine Flasche Hugo reichen, um mich komplett abzufüllen..

Ein schrilles Klingeln riss ich aus meiner innerlichen Diskussion, ob ich wohl innerhalb von zehn Minuten eine ganze Flasche Hugo runterkippen könnte. Mit jedem Schritt zur Sprechanlange, steigerte sich meine Nervosität so weit, dass ich mit zitternden Händen den Hörer abnahm und diesen an mein Ohr hielt.

„Hallo?", fragte ich mit piepsiger Stimme in den Hörer.

Ich meinte ein Lachen zu hören. Doch es war so undeutlich, dass es auch einfach der Wind gewesen sein könnte, der meinen sowieso schon blank liegenden Nerven, einfach einen Streich spielte.

„Mach schon auf, Kätzchen.", drang es fordernd aus der Sprechanlage.

Für einen kurzen Moment spielte ich mit dem Gedanken, mit dem Hörer einfach aufzulegen und Kaden erst gar nicht aufmachen. Selbst wenn er durch die Haustür kommen sollte, meine Wohnungstür sollte ziemlich gut gegen jeglichen unerwünschten Besucher standhalten können.

Nein. Ich werde meinen inneren Schweinehund diesmal nicht nachgeben. Wie oft hatte ich mir gewünscht, so vollkommen frei von jeglichen Ängsten und innerlichen Zwängen zu sein? Wie oft hatte ich mir doch gewünscht einer der Art von Frauen zu sein, die einfach in dem Moment lebten ohne nur eine Sekunde an die möglichen Konsequenzen nachzudenken? Endlich hatte ich mal die Chance so zu sein, wie ich es mir wünschte. Das es dabei so schwer war, meine Wohlfühlzone zu verlassen, hatte mir jedoch keiner gesagt gehabt.

Entschlossen drückte ich auf den Knopf, der die Tür zum Treppengang entriegelte. Ich hatte ca. 30 Sekunden Zeit mich zu sammeln, ehe Kaden vor meiner Wohnungstür stand.

Ein letztes Mal amtete ich tief ein, in der Hoffnung, dass eine innere Ruhe mich erfüllte, die mir sagte, was ich zu tun und zu erwarten hatte. Natürlich erfüllte jedoch die Nervosität jede einzelne meiner Körperzellen.

Gerade rechtzeitig öffnete ich die Tür zu meiner Wohnung, als Kaden schon die letzte Stufe bestiegen hatte. Im Gegensatz zu mir hatte er in den letzten drei Stunden vieles getan – außer sich umgezogen. Noch immer trug er das weißes Shirt unter seiner schwarzen Lederjacke. Noch immer steckten seine Beine in der schwarzen, ausgeblichenen Jeans. Nur seine dunkelbraunen Haare schienen etwas zerzauster zu sein, als noch vor ein paar Stunden.

„Jetzt bin ich extra etwas früher gekommen, um dich, nur in Unterwäsche gekleidet, antreffen zu können." Seine Lippen verzogen sich zu einem Schmollmund, während sein Blick mich noch immer von oben nach unten ausgiebig musterte.

Auch wenn ich zum Glück mehr als nur Unterwäsche trug, so fühlte ich mich vor seinen Blick vollkommen entblößt und nackt. Augenblicklich stieg Hitze in meinen Wangen, zwang mich jedoch seinen Blick zu erwidern.

„Tja. Wärst du weitere zehn Minuten früher gekommen, hättest du Glück gehabt. Vielleicht das nächste Mal."

„Der Abend ist noch lang. Auch wenn ich dir nicht beim Anziehen helfen konnte, so werde ich gewiss derjenige sein, der dir diese Sachen später noch vom Leib reisen wird.", entgegnete er selbstsicher und mit einem spitzbübischen Grinsen auf den Lippen.

A/N: Wie versprochen handelt es sich hierbei um ein komplett neu geschriebenes Kapitel, sowie es auch die weiteren Kapitel sein werden. Deswegen würde ich mich umso mehr über eure ehrliche Rückmeldung freuen! :)

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