Parola wären um ein Haar die Augäpfel aus dem Schädel gefallen, als ich die Antwortkarte aushändigte. Kaum hatte sie ihre Fassung zurück, verschwand sie schon im Meetingraum, in dem der Jeanist die letzten Tage fast ausschließlich verbracht hatte.
Best Jeanist hatte mir versichert, dass es sich nur um eine kleine Veranstaltung handelte und das ich mir keine Sorgen machen müsse. Er hatte sogar dafür gesorgt, dass ich ein passendes Kleid bekam und schließlich Make-up und Haare gemacht wurden. Ich erkannte mich selber kaum im Spiegel wieder.
Natürlich hatte er weiterhin darauf geachtet, dass jeder Zentimeter meiner Haut bedeckt war, aber immerhin musste ich dieses Mal keine Maske mehr tragen.
Auch wenn ich mit den glänzenden Satinhandschuhen weitaus weniger Kontrolle hatte, als mit Leder, hatte ich mich doch dazu bereit erklärt, zu tragen, was auch mir der der Pro Hero aussuchte, da er weitaus mehr von Mode verstand, als ich.
„Alles in Ordnung?", fragte Best Jeanist, als er mich nervös an meinem Kleid herumfummeln sah.
"Ich habe Angst", gestand ich gerade heraus. Wenn der Tag bei Hawks mich eines gelehrt hatte, dann dass ich dem Jeanist vertrauen wollte. Egal ob ich weiter für ihn arbeiten würde oder nicht. Er hatte mir einen Platz gegeben, als es sonst keiner getan hatte. „Auch wenn es weniger geworden ist, die Leute erkennen mich immer noch als die Voodoo-Hexe aus diesem blöden Video." Egal wie sehr man es versuchte, sobald etwas einmal im Internet war, gab es keine Möglichkeit, es vollständig verschwinden zu lassen. „Was, wenn ich dem Ruf der Helden schade?"
„Du bist heute nicht als Held hier, du bist in meiner Begleitung da. Bleib einfach in meiner Nähe, dann kann dir nichts passieren."
Wir wussten beide, dass ich genau genommen die Begleitung von Hawks war. Aber seit der Jeanist die Antwortkarte gelesen hatte, hatten wir kein einziges Mal darüber geredet. Ich fragte mich, ob er und Hawks darüber gesprochen hatten? Oder verstanden sich die beiden auch ohne Worte, weil sie beide schon so lange als Pro Heros dabei waren?
Das Hotel war wesentlich größer und glamouröser, als ich erwartet hatte. Wir wurden von einem Mann in aufwendiger Uniform in eine Auffahrt gelotst. Der Jeanist übergab seinen Autoschlüssel und bot mir seinen Arm an, um hinein zu gehen. Dankbar nahm ich an. Auch wenn meine Schuhe nicht besonders hoch waren, fühlte ich mich doch sicherer, mit dem Helden direkt an meiner Seite.
Drinnen war schon einiges los. Überall begrüßten sich die Leute, immer wieder wurde der Jeanist in Gespräche verwickelt, aber seit ich seinen Arm los gelassen hatte und mich einen Schritt hinter ihm hielt, musste ich nicht mehr das ungelenke Vorstellen über mich ergehen lassen. Die Leute reagierten immer gleich, erst höflich und freundlich-interessiert, bis sie erfuhren, wer ich war. Dann wurden sie sofort höflich und distanziert.
Meine anfängliche Anspannung machte einer gewissen Resignation platz und ich nahm dankbar den Drink an, den einer der Kellner mir hinhielt. Ich war nervös gewesen, aufgeregt sogar, weil ich mich gefragt hatte, ob die echten Helden, die Elite über meine Vergangenheit hinweg sehen konnte.
Sie konnten es nicht.Ich verließ Best Jeanists Windschatten und fand mich schnell an der Bar wieder. Alle Getränke waren umsonst, also warum sollte ich die Gelegenheit nicht nutzen.
„Sind alle diese Veranstaltungen so - so", ich lehnte mich über die Bar zum Barmann und deutete auf die steif herum stehenden Helden. Mit den angestrengten Gesichtern, immer zu einem Lächeln verzogen, breit über die dümmsten Witze der großzügigen Sponsoren zu lachen.
Der Barmann lachte schaubend zurück, während er mir unaufgefordert einen weiteren Drink hinstellte. „Neben an läuft Musik. Für alle, die keine Lust mehr auf die Gespräche haben. Nicht unbedingt mein Geschmack, aber gut tanzbar."
Ich nickte dankbar, doch als ich von dem Barhocker aufstehen wollte, verfing sich der Absatz meines Schuhs im Saum des Kleides. Vor den Augen so vieler Pro Heros fiel ich ungebremst mit dem Gesicht voran zu Boden. Das Glas in meiner Hand zersprang, als ich noch vergeblich versuchte, mich abzufangen und der scharfe Schmerz in meiner Handfläche entlockte mir ein betroffenes Stöhnen.
„Shit", knurrte ich, während ich mich aufhockte.„So dankst du mir meine größzügige Geste?" Hawks hockte plötzlich neben mir und fegte die Glasscherben mit einigen Federn zusammen. „In dem du dich so früh am Abend schon betrinkst?"
„Ich bin nicht betrunken!" War ich wirklich nicht. Ein bisschen angetrunken, aber ich würde niemals genug trinken, um nicht mehr alles unter Kontrolle zu haben. Beschämt zog ich einen Splitter aus meiner Hand und sah zu, wie das Blut den Handschuh tränkte. Es versetzte mir einen Stich zu wissen, wie viel Mühe sich Best Jeanist mit meinem Aussehen gegeben hatte und ich hatte sowohl das Kleid, als auch die Handschuhe zerstört.
„Also hast du immer so dünnes Blut?" Hawks machte keine Anstalten, mir weiter zu helfen und es fiel mir wie Schuppen von den Augen. Er hatte nur dafür gesorgt, dass sich sonst niemand verletzte. So wie alle Helden hier, war ich auch für ihn hier fehl am Platz.
Als die Wunde nicht aufhörte zu bluten, befreite ich erst mein Kleid von meinem Schuh, dann stand ich ungelenk auf und lehnte mich wieder gegen die Bar. Hawks hatte mich nicht als Entschädigung hier her eingeladen. Er hatte mir zeigen wollen, wie wenig ich in diese Welt gehörte. Ich zog vorsichtig den Handschuh aus und der Barmann ließ zu, dass ich meine Hand unter fließendem Wasser spülte. Der Schnitt war tiefer, als erwartet.
„Was ist?", blaffte Hawks der von der anderen Seite an der Theke lehnte. „Willst du jetzt weinend nach Hause oder was?"
Der Barmann stellte wortlos ein Erste-Hilfe-Set neben mich, während er sich wieder um andere Gäste kümmern ging. Ich warf ihm einen dankbaren Seitenblick zu und wir nickten beide kurz. Ihm gefiel auch nicht, wie der große Held Hawks mit mir sprach.
Mit der unverletzten Hand öffnete ich das Kästchen und wühlte durch die Pflaster und Verbände, bis ich fand, wonach ich suchte. Hawks sah immer noch dabei zu, behielt seine Kommentare aber für sich, nachdem ich ihn lang genug ignoriert hatte.
Ungelenk und mit der falschen Hand stopfte ich eine Mullbinde auf die Wunde, während ich gleichzeitig versuchte, eine zweite Binde darum zu wickeln. Ich wusste, dass das so nichts werden würde, aber ich traute mich auch nicht, meine Zähne zu benutzen, wie ich es normalerweise tun würde. Der Jeanist hatte es nicht verdient, dass ich ihn noch mehr blamierte.„Ach nun gib schon her!", platzte Hawks heraus, als ich ihn gerade so schön verdrängt hatte und streckte seine Hände nach dem Verband aus.
„Sicher nicht!", zischte ich und schlug seine Finger weg. Natürlich hätte es gereicht, meine Hand einfach nur weg zu ziehen. Aber in mir brodelte es heftig. Der pochende Schmerz erinnerte mich daran, wie ich mich darum bemüht hatte, ihm zu helfen. Wie ich seine Schmerzen ertragen hatte, damit er schlafen konnte. Und er hatte nur daran gedacht, wie er mich am besten blamieren konnte.
Kaum dass sich unsere Finger berührten, schloss ich den Pakt.Ich würde Hawks sicher nicht hier vor allen Helden ernsthaft verletzen, nur weil ich gekränkt war. Aber ich würde alles daran setzen, ihn an diesem Abend so viel wie möglich zu nerven.
Nun doch mit den Zähnen zurrte ich den Verband fest und stapfte wütend davon. Das erste, was ich tun würde, war tanzen. Wild und laut und wenn Hawks davon die Füße weh tun würden - um so besser.Im Gegensatz zum Barmann mochte ich die Musik tatsächlich. Ein heftiger Bass, der meinen wütenden Herzschlag ersetzte, eine tiefe unterliegende Melodie, die einen dazu zwang, zu tanzen.
Der Pakt, den ich geschlossen hatte, war ein viel einfacherer als sonst. Genau genommen, war es einer der ersten, den ich gelernt hatte. Die andere Person würde keine tatsächlichen körperlichen Symptome haben. Keine Wunden oder blauen Flecke. Dafür spürte er alles, was ich spürte. Jeden Ellbogen, den ich auf der Tanzfläche abbekam, jeden Fuß, der auf meinen trat. Ich spürte diese Dinge ebenfalls, ich teilte sie sozusagen nur. Diesen Pakt konnte ich weitaus länger aufrecht halten, als die anderen, da er kaum Konzentration erforderte.
Einmal sah ich Hawks sogar im flackernden Licht, aber da ich ihn zuerst entdeckt hatte, konnte er mich in der Menschenmenge nicht ausmachen. Natürlich hatte er schnell verstanden, was da mit ihm passierte, aber ich weigerte mich, den Pakt zu lösen. Und außerdem hatte er überhaupt keinen Beweis.
Ich drehte mich wild im Kreis und lachte laut bei dem Gedanken, das Hawks sicher nicht oft so schwindelig war. Es war kindisch, aber es war viel besser als deprimiert zu sein.
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Heldenmut
FanfictionIch bin mein Leben lang weg gelaufen. Davor entdeckt zu werden. Mehr haben mir meine Eltern nie erklärt. Wir sind von Ort zu Ort geflohen, immer neue Namen, neue Identitäten. Kein Zuhause, keine Wurzeln. Denn wir sind böse. Kein Held wird je sein L...