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Wie ein roter Blitz sprang er von dem Sofa auf. Er hatte so tief in den Polstern gelegen, dass ich ihn nicht gesehen hatte und da ich nicht mit ihm gerechnet hatte, entfuhr mir ein erschrockener Schrei, als seine Finger sich um meinen Kragen schlossen. Wir stolperten zurück, meine Schuhe flogen durch den Raum. Hawks lehnte sein ganzes Gewicht gegen mich und zwang meine wackeligen Beine so zum Nachgeben. Ich sank mit erhobenen Händen auf die Knie.

„Was tust du hier!", schrie er zu Recht verärgert. „Wie bist du hier rein gekommen!" Mit der freien Hand hatte er eine seiner Federn gezückt und hielt sie drohend wie ein Kurzschwert vor mein Gesicht.

„Ich bin nicht - ich habe nicht", versuchte ich zu erklären, aber meine Worte würden keinen Sinn für ihn machen.

Die anfängliche Wut wich Verwirrung. Auch wenn die Hand an meinem Kragen blieb, gab er sich die Blöße, die Feder los zu lassen. Sie schwebte trotzdem bedrohlich vor meinem Gesicht. Hawks schob die wilden Strähnen meiner Haare aus meinem Gesicht. „Lina Mei?", fragte er ungläubig und ließ mich endlich los.

Ich musste mich auf meinen Knien abstützen, um den ersten Schrecken zu verdauen. Mein Herz hämmerte so heftig, das mir schlecht wurde. Seltsam, dass es das nicht schon auf dem Dach getan hatte.

„Was tust du hier?" Ohne den Ärger klang seine Stimme rau und kratzig. „Wie bist du hier rein gekommen?" Und dann räusperte er sich mehrfach, bis er husten musste.

Ich blinzelte durch mein wirres Haar zu ihm auf, ehe ich wieder auf die Füße kam. „Ihr Badezimmerfenster ist offen", sagte ich, als wäre es eine annehmbare Erklärung für den Einbruch. „Ich sollte Ihnen das hier bringen." Langsam, um ihn nicht wieder aggressiv zu machen, holte ich den Umschlag unter meiner Jacke hervor. Ich hatte ihn hinten unter meinen BH geklemmt, damit er nicht knickte, aber das war nur von mäßigem Erfolg gewesen. Ich hielt ihm den großen Umschlag hin.

Nach einigem Zögern nahm er ihn entgegen. „Du stiehlst meine Post und brichst in meine Wohnung ein?", fragte er ungläubig, als er den Brief von hinten und vorne untersuchte. „Weiß Jeanist von deinem Stalking-Problem?" Doch er konnte die Frage nicht so abwertend klingen lassen, wie er wollte, denn ein weiterer heftiger Hustenanfall unterbrach ihn und zwang ihn dazu, sich an dem Sofa hinter sich abzustützen.

„Das klingt ja schrecklich", bemerkte ich und meine Angst ließ nach. „Kein Wunder, dass Sie nicht zu der Show konnten."

„Meinen Tagesablauf kennst du auch noch?"

Frustriert fuhr ich mir durch die Haare. Wenn er es so sagte, klang es noch schlimmer, als es eh schon war.
„Nein. Eine Freundin wollte Sie heute in dieser Show treffen", versuchte ich es wenigstens ein bisschen besser zu machen. „Ich sollte Ihnen die Post bringen und wenn ich ohne Antwort zurück komme, wollte Parola mich feuern - ach ist auch egal." Ich schüttelte den Kopf. Hawks war eindeutig nicht in der Verfassung, zu irgendwas eine Antwort zu geben. Daraus konnte mir nicht mal Parola einen Strick drehen. „Legen Sie sich hin, Sie sehen furchtbar aus. Ich versuch mein Glück mal damit, den Aufzugsschacht runter zu klettern. Die Richtung?", fragte ich noch und deutete mit dem Daumen auf die Richtung, in der ich den Fahrstuhl vermutete.

„Was?", fragte der junge Held noch einmal und versuchte mit zusammengekniffenen Augen meinen Worten einen Sinn zu geben. „Halt, halt, halt", hustete er mir hinterher, weil ich nicht stehen geblieben war.
Stattdessen hatte ich meine Schuhe aufgesammelt, die ich vor Schreck durch die Luft geworfen hatte und war mit hochrotem Kopf weiter gegangen.
„Der Fahrstuhl ist kaputt", versuchte er mir zu erklären.

„Ich weiß", tat ich es ab. Was war eigentlich durch meinen dummen Kopf gegangen? Ich hatte schon zu lange die selbe Rolle gespielt und war unvorsichtig geworden.

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