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„Ich werde jetzt meine Fähigkeit auf Sie anwenden", warnte ich den Helden vor, als ich mich auf die Bettkante setzte.

Sofort flackerten seine trüben Augen panisch auf.

„Nicht so wie im Fernsehen", erklärte ich ruhig. „Ich will Ihnen helfen."

„Ich muss nicht von meinen Qualen erlöst werden", röchelte er und versuchte sich auf die Seite zu rollen.

„Nein, aber Sie müssen einen trockenen Schlafanzug anziehen und zur Ruhe kommen. Ich bin kein Arzt, also lassen Sie mich tun, was ich kann."

Ich legte meine Hand auf seine glühende Stirn wie zuvor. Ängstlich ergriff er mein Handgelenk, aber er bracht nicht genug Kraft auf, um seine Finger wirklich darum zu schließen.

Der Pakt war ein anderer, als der, vor dem Hawks sich so fürchtete. Ich konnte nämlich auch in die andere Richtung arbeiten. Von nun an würde ich seine Symptome spüren, statt ihm.

Sofort zuckte ich unter den Gelenkschmerzen zusammen. Alles tat weh und ich war versucht, mir selber eine der Schmerztabletten einzuschmeißen, die noch immer in meiner Tasche knisterten.
Aber es würde zu lange dauern, bis die Wirkung einsetzte.

„So. War doch gar nicht so schlimm", zog ich Hawks auf, um darüber hinweg zu täuschen, dass die Erkältungsschmerzen mich mit voller Wucht trafen. Wenigstens kratzte mein Hals nicht. Ich konnte keine Verletzungen übernehmen, die bereits vor dem Pakt bestanden hatten. Zum Beispiel ein wunder Hals.
„Und jetzt durchsuche ich ganz schamlos Ihren Kleiderschrank, nach etwas bequemen und trockenen", warnte ich ihn vor, aber der Held war erschöpft in die Kissen gesunken.

Zu meiner Verwunderung war sein Schrank nicht voller Designer Sachen. Im Gegenteil. Zwei Jeans, zwei Jacken und in einer Schublade einige gefaltete T-Shirts. Die meisten Fächer des wandlangen Kleiderschranks waren leer.

Ich fand eine Jogginghose und nahm eins der T-Shirts. „Ist gerade Waschtag oder was?", fragte ich, während ich zurück ans Bett trat. Ich legte die Klamotten auf den leeren Nachtisch.

„Ich bin gleich wieder da." Dieses Mal fand ich das Badezimmer ohne die Hand an der Wand. So langsam gewöhnte ich mich an die allgegenwärtige Dunkelheit. Ich holte ein trockenes Handtuch und befeuchtete einen weiteren Waschlappen. Der Mann hatte mehr Handtücher, als Klamotten. Wie seltsam.

Ich kehrte zurück und machte mich ans Werk.

Hawks war nicht der erste Mann, um den ich mich kümmern musste, also zögerte ich nicht, sein Shirt über die schweißnasse Brust hoch zu schieben und dann einen Arm nach dem anderen durch die Ärmel zu ziehen. Nur mit seinem Kopf war ich etwas vorsichtiger. Sein unruhiges Atmen und das gelegentliche Seufzen und stöhnen, wenn meine kalten Finger seine Haut berührten, erinnerten mich daran, dass der Held tatsächlich noch bei Bewusstsein war.

Ich bemühte mich, nicht zu genau hinzusehen, während ich ihm Hals, Brust und Arme mit dem sauberen Waschlappen abwusch. Die Anzahl der Narben versetzte mir einen Stich. Auch wenn ich den geflügelten Helden nicht leiden konnte, musste er seine Arbeit doch unter vollem Körpereinsatz machen.

Etwas einfühlsamer als zuvor hob ich Hawks hoch und lehnte ihn an mich, während ich mit dem Waschlappen seinen Rücken von dem klebrigen Schweiß befreite. Bei jeder Berührung zuckte er zusammen, weil der kalte Stoff unangenehm war, aber die meisten der Schmerzen spürte ja ich und nicht er, was meine Arbeit deutlich leichter machte.

Mit dem trockenen Handtuch tupfte ich ihnen wieder ab. Erst jetzt fiel mir auf, dass sein Rücken absolut unscheinbar und normal aussah, wenn er seine Flügel nicht hatte. Hätten nicht wenigstens irgendwelche Male an seinen Schulterblättern zurückbleiben müssen?

Ich spürte den Schmerz in meinen Muskeln, bevor ich genau verstand, was Hawks da tat. Er legte mir eine Hand an die Taille und murmelte: „Gefällt dir, was du siehst?"

Am liebsten hätte ich ihn geschlagen, aber ich wusste, dass ich damit nur mir selber weh tun würde.
Also fragte ich stattdessen: „Wo sind Ihre Flügel?", und schob den Helden einige Zentimeter von mir, damit ich ihm das T-Shirt über den Kopf ziehen konnte.

„Das war dein einziger Gedanke?", fragte er und zog verletzt die Augenbrauen zusammen. Er sah aus wie ein geschlagener Hundewelpe, mit den roten Wangen und den glasigen Augen.

„Dafür, dass Sie eben noch solche Angst vor meinem Quirk hatten, sind Sie ganz schön frech!" Ich drückte ihn zurück ins Kissen, achtete aber sehr genau darauf, nicht zu viel Kraft aufzuwenden. Auch wenn er sich schlecht benahm, war er immer noch krank.

„Wenn Sie noch so einen Spruch machen, während ich Ihnen die Hose umziehe, werde ich die Verbindung lösen und Sie dürfen wieder alleine leiden."

„Ist es das, was du tust?", fragte er, während ich die Decke unter ihm beiseite zog. „Mit mir leiden?"

„Nein", log ich ohne mit der Wimper zu zucken, während ich seine Hose ungelenk über seine Hüfte zog. Diese Art von Arbeit ist sehr viel einfacher, wenn der Betroffene nicht bei Bewusstsein ist. Und wesentlich weniger peinlich, wenn einem dabei nicht direkt in die Augen gestarrt wird.

Plötzlich durchzuckte mich ein stechender Schmerz und ich jaulte auf. Mit einer Hand auf dem Mund wanderte mein ungläubiger Blick zum Gesicht des Helden hoch.

„Haben Sie sich gerade?!" Er hatte sich auf die Zunge gebissen, nur um seine Theorie zu testen. „Bedankt man sich so bei der einzigen Person, die da ist um zu helfen?" Ich riss die Hose mit einem Ruck herunter und warf ihn fast aus dem Bett, weil die Hosenbeine an seinen Füßen hängen blieben.

„Ich muss wissen, was du noch kannst."

Ich bereute, dass er das Kratzen im Hals dank meines Pakts so gut ignorieren konnte.
„Und das müssen Sie jetzt und hier tun? Anstatt sich auszuschlafen?"

„Kannst du spüren, was falsch mit mir ist?" Sein durchdringender Blick ließ mich aufhorchen.

„Falsch? Ist das die Geflügelpest oder so? Muss ich Angst haben, zu sterben, wenn ich mich anstecke?"

Aber Hawks schüttelte den Kopf. Stattdessen rollte er den Bund seiner Shorts gerade soweit herunter, dass ich ein seltsames, rotes Mal sehen konnte. Auf den ersten Blick hätte ich es für einen Bluterguss gehalten. „Ich denke, jemand wollte mich vergiften", erklärte er schließlich und ließ sich zurück sinken.

„Gegen Gift kann ich nichts ausrichten", erklärte ich betroffen und spürte, wie mir flau im Magen wurde. „Soll ich nicht doch den Schacht runter klettern, um Hilfe zu holen?"

Er schüttelte wieder den Kopf. „Ich habe schon ein Gegengift genommen, bevor du hier aufgetaucht bist."

Betroffen blieb ich einen Moment stehen und zerknüllte die Hose in meinen Händen. Das machte mein ganzes Verhalten nur noch schlimmer. Er musste gedacht haben, dass ich her gekommen war, um den Job zu beenden.

Vorsichtig trat ich wieder an ihn heran, konzentrierte mich aber voll und ganz darauf, ihm die frische Hose anzuziehen, während ich sprach. „Ich kann Ihnen das Fieber nicht nehmen. Ihr Körper braucht es wohl gerade um das Gift zu bekämpfen."

„Aber du könntest es?", seufzte er erschöpft in sein Kissen während ich unglaublich umständlich versuchte die Hose über seine Hüften zu bekommen - ohne ihn irgendwo zu berühren, wo es ihm besonders unangenehm sein würde. Das ich jetzt auch noch auf die Einstichstelle achten musste, machte es nicht unbedingt einfacher.

„Ich weiß nicht", gestand ich schließlich, als ich fertig war und ihn wieder so hin schob, dass er bequemer liegen konnte. „Ich hab es nie probiert." Dann schüttelte ich die Decke auf und steckte sie rechts und links unter ihm fest, damit er sich nicht mehr so viel bewegen konnte. Auch wenn es keine Erkältungsschmerzen waren, so fühlte es sich doch so an. Alles fühlte sich wie Sandpapier auf der Haut an und ich hasste wenig so sehr. Wahrscheinlich war nur Zahnschmerz schlimmer.

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