Wie eine Mutter

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Alex sah auf, als sich die Türe zum Büro öffnete und Michael hereintrat.
„Weißt du schon...?"
„Leider nicht, sie operieren ihn immer noch...was Neues von der Fahndung?", fragte Michael zurück und Alex schüttelte mit dem Kopf.
„Auch nichts. Es scheint als wären sie vom Erdboden verschluckt. Manchmal hasse ich das München so verwinkelt ist", ächzte sie und massierte sich die Schläfen.
„Wie geht es Philipp?"
„Der Junge ist völlig fertig. Musste zuschauen wie sie Robert reanimierten. Anscheinend wollte das Herz beinahe nicht mehr mitmachen, weil er so viel Blut verloren hatte!", antwortete Michael ehrlich da er Alex kannte. Seine langjährige Kollegin wollte immer die Wahrheit. Direkt und brutal.
„Ich habe noch Flückigers Therapeutin der JVA kontaktiert. Sie meldet sich, sobald Flückiger sich auch aus irgendeinem Grund bei ihr melden würde.", sagte Alex danach und Michael nickte.
Beide sahen auf, als eine Frau in Alex' Alter am Türrahmen klopfte und hineinblickte. Die kurvige Frau mit langem, dunkelbraunem Haar, blickte mit tränenden Augen ins Büro und war sichtlich bemüht, die Fassung zu bewahren. „Entschuldigung. Ich suche Kommissar Naseband", sprach sie sehr leise und doch hatte der Angesprochene sie gehört.
„Frau Mahler, nehme ich an", stellte sich Michael vor und die angesprochene Frau nickte zögerlich.
„Naseband, das ist meine langjährige Kollegin Alexandra Rietz. Danke, dass Sie sofort gekommen sind."
Frau Mahler nickte und nahm dann dankend den Stuhl an, den Alex ihr bereitstellte.
„Wie geht es Ihrem Kollegen?"
„Er wird gemäß letztem Stand leider noch immer operiert", antwortete Michael ehrlich und Frau Mahler strich sich eine aufkommende Träne aus dem Augenwinkel.
„Es schien endlich alles so gut zu laufen. Gustav schien sein Leben unter Kontrolle zu haben. Ich war beinahe soweit, ihm für den Tod meiner Schwester zu vergeben, weil er ein immer besserer Vater für Florian wurde. Und nun das?", weinend, beugte sich die Frau nach vorne und vergrub ihr Gesicht in den Händen.
„Es tut uns so leid, Frau Mahler. Wir können uns gar nicht vorstellen, was Sie gerade durchmachen", flüsterte Alex nahm eine Packung Papiertaschentücher und gab sie Frau Mahler, die sich mit einem Nicken bedankte.

„Ich konnte selber nie Kinder bekommen, doch ich war so glücklich für meine Schwester. Bis wir natürlich herausfanden, in was für Machenschaften Gustav verwickelt war. Doch meine Schwester war blind vor liebe und hatte es schlussendlich dann mit dem Leben bezahlt.
Ich war eigentlich gar nicht bereit, ein Kind bei mir aufzunehmen, da ich aufgrund meiner gesundheitlichen Vorgeschichte halt auf meine Karriere konzentriert hatte.
Doch...ich würde Florian niemals hergeben und wollte sin Leben so einfach wie möglich machen. Deshalb war es für mich zunächst auch ein Schock, als er seinen Vater kennenlernen wollte, doch ich konnte ihm so etwas nicht verwehren...wenn ich das nur gewusst hätte!"

„Sie sagten, Flückiger hätte sich eigentlich ziemlich human und zivil verhalten in letzter Zeit. Gab es denn Anzeichen, dass er sich ändern könnte?", fragte Michael, nachdem Frau Mahler dankend die Aufmunterungen von Alex entgegengenommen hatte.
„Gar nicht. Ich bin zwar keine Psychologin, aber auch mit den Rücksprachen dieser von der JVA, gab es keine Andeutungen. Es schien wirklich, als wolle Gustav für Florian sein Leben in den Griff kriegen!"
„Wissen Sie, ob es jemand anderes noch in Flückigers Leben gibt? Familie? Freunde?"
„Nein. Flückiger war ein Einzelkind und Waise und seine Freunde hatten sich eigentlich von ihm abgewendet. Sei es von krimineller oder zivilisierter Seite her.", antwortete Frau Mahler anständig und Michael verschränkte die Arme und lehnte sich an seinen Schreibtisch.
„Gibt es einen Ort, wo Flückiger mit Florian zusammen hinkönnte?"
„Das habe ich mir die ganz Fahrt hierhin schon durch den Kopf gehen lassen...aber mir fällt nichts ein...", flüsterte Mahler und Alex strich ihr aufmunternd über den Rücken.
„Kann ich sonst irgendwie helfen?"
Michael nickte auf Frau Mahlers Frage. „Wir werden ihr Telefon verkabeln. Im Falle wenn Florian oder Flückiger anrufen, können wir den Anruf zurückverfolgen. Wir können dies aber nur mit Ihrer Zustimmung tun!"
Sofort, zog Mahler ihr Handy hervor und reichte es Michael. „Sicher! Hier!", sagte sie sofort und Michael hob bremsend die Hand.
„Unser Experte ist gleich im Büro nebenan. Er wird Sie in allem instruieren und Sie zusammen mit unserem Psychologen begleiten. Wir halten Sie auch immer auf dem Laufenden. Wie gesagt, wir sind ja nebenan."

Aufs Stichwort erschien einer der digitalen Untersuchung im Büro und bat Frau Mahler, mitzukommen. Diese nickte sofort und folgte ihm, nachdem sie sich bei Alex nochmals für die Taschentücher bedankte.
„Schon tragisch, wie dieser Junge aufwachsen musste", murmelte Michael und Alex zuckte mit den Achseln.
„Nicht ganz. Ich kann zumindest sehen, dass er eine gute Mutter hatte."
„Aber die ist..."
„Michael, sei kein Nashorn", stöhnte Alex und nickte zur Wand. „Frau Mahler hat hier nicht gesprochen wie eine Tante, die in der Not halt ihr Neffe adoptiert hat. Im Gegenteil. So spricht eine Mutter und du weißt, ich spreche aus Erfahrung!"
„Tu ich", stimmte Michael zu und blickte auf sein Handy, dass auf dem Schreibtisch klingelte. Sofort stand er auf den Beinen und blickte er auf den Display.
„Philipp?", fragte Alex beinahe ängstlich und Michael nickte. „Hoffen wir das beste", fügte er seiner Geste hinzu und entsperrt seinen Bildschirm, um abzunehmen. „Philipp, bitte bring uns ein wenig Positives in die Sache rein, Alex und ich sind hier langsam am durchdrehen!", begrüßte Michael seinen Anrufer und wartete ab.

Nicht ohne meinen Sohn // K11 - die neuen Fälle // German FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt