Des Wahnsinns kleine Schwester

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Mit einem lauten Schrei knallte Johanna gegen die Wand des Schrebergartenschuppens und blieb benommen liegen. Ihr Gesicht war mit Kratzern und Flecken übersäht und der Kragen ihrer Jacke ausgeleiert und zerrissen.

„Hören Sie auf!", bat Florian mit Tränen in den Augen an Streicher gerichtet, die mit einem Fußtritt Johanna gegen die Wand drückte, während Gustav Flückiger seine Waffe auf die junge Polizistin hielt.

„Also, ich wiederhole mich ungern", begann Streicher und trat erneut zu, so dass Johanna scharf einatmete und sich krümmte, „gibt es einen Fluchtweg aus der Stadt oder habt ihr Drecksbullen alles unter Kontrolle?"

Johanna spuckte Blut und atmete tief durch. „Ich wiederhole mich auch ungern", antwortete sie keuchend, „aber ich kann es nicht sagen, ich war nicht in diesen Teil der Ermittlungen involviert!"

Streicher schnaubte lautstark, riss Johanna am Kragen der Jacke auf die Füße hoch und drückte dann die Kommissarin so gegen die Wand, dass diese sich nicht wehren konnte.

„PAPA, MACH DAS SIE AUFHÖRT!", schrie Florian nun aus lauter Verzweiflung und er durchbohrte seinen Vater beinahe mit seinem Blick. Doch Gustav Flückiger blieb starr stehen, die Waffe weiterhin auf Johanna gerichtet.

Jedoch fiel Florian auf, dass die Lippen seines Vaters leicht zitterten.

„Dir wird sicherlich bewusst, dass ich den Traum einer Familie mit meinem Geliebten und meinem neugewonnenen Sohn nicht aufgebe. Ich komme aus diesem Land raus und werde endlich mein Leben führen. Das Einzige was noch dazwischen ist, ist eine Stadt voller Bullen, die mich und meinen Schatz wieder in den Knast bringen wollen!"

„Hoffentlich auch", zischte Johanna mit einem Grinsen, so dass ihre blutüberströmten Zähne zum Vorschein kamen, „meine Kollegen und Kolleginnen werden Sie finden und dann wieder zurück in die JVA bringen, dann aber hinter die Gitter und nicht vornedran um sie zu bewachen!"

Keiner im Raum konnte so schnell reagieren, wie Streicher selbst, die mit funkelndem Blick nur kurz an Johannas rechtem Arm zog und dann mit Freude beobachtete, wie Johanna mit einem grellen Schrei zu Boden ging und sich die Schulter hielt.

„So schnell kann ein Arm ausgekugelt werden, faszinierend, nicht?", grinste Streicher und blickte zu Flückiger.

„Wir müssen die Straßenlagen halt via Satellit und Maps checken. Die Kleine hält für ihr Alter erstaunlicherweise gut dicht und mir tun langsam die Hände weh."

Flückiger nickte und sank die Waffe.

„Wir schließen die Türe ab. Fenster hat das Ding ja nicht. Wir sind ja vornedran!" Wieder nickte Flückiger, ging mit Streicher raus und schloss die Türe ab.

„Verdammte Scheiße...", zischte Florian, löste sich aus seiner verkrampften, kauernden Haltung in der Ecke des Raumes und kroch sofort zu Johanna, die auf dem Boden lag und sichtlich bemüht was, wieder etwas Fassung zu bekommen.

„Es tut mir so leid", flüsterte Florian und lege eine Hand auf Johannas Seite, „kann ich Ihnen irgendwie helfen?"

Mit einem tiefen Durchatmen, nickte Johanna. „Hilf mir auf", sagte sie leise und Florian tat wie ihm befohlen. Langsam und behutsam, half er Johanna auf und konnte beobachten, wie die blutüberströmte Polizistin auf einen der Stützpfeiler des Schuppens ging.

„Nicht hinsehen okay? Und mach dir die Ohren zu, das Geräusch wird unangenehm!"

„Aber was wollen Sie...?"

„...tu's einfach Kleiner, ja?"

Florian legte seine Hände auf die Ohren, drückte die Augen zu und konnte so nicht sehen, wie Johanna ihre Schulter mit voller Wucht gegen den Pfeiler schlug und sich die geplatzten Lippen noch blutiger biss, als mit einem knackenden Geräusch sich das Gelenk wieder einrenkte.

Von der Neugierde jedoch getrieben, öffnete Florian die Augen wieder, sank die Hände und konnte im richtigen Moment zu Johanna rennen und sie auffangen, als diese drohte, aufgrund ihrer weichen Knie, zu Boden zu fallen.

„Danke Kleiner", flüsterte Johanna und Florian kniete mit Johanna hinunter und er hielt sie eisern in seinen Armen. „Und wegen vorhin. Das ist nicht deine Schuld. Lass' dir das ja nie einreden. Du kannst nichts für die Entscheidung deines Vaters..." Nach Johannas kleinem Appell, presste Florian die Lippen zusammen und kämpfte mit den Tränen. „Mein Papa war nie ein Heiliger...aber so was hat er noch nie gemacht. Ich dachte, nach den letzten drei Jahren, er würde wirklich auf die Bewährung hinarbeiten, so dass wir uns wieder in Freiheit sehen würden...ich...ich kann einfach nicht glauben dass..."

Während der Erklärung, beobachtete Johanna Florian genau. Die Unfassbarkeit und der Unglaube waren buchstäblich in das faltenfreie Gesicht des Teenagers gemeißelt.

„Du glaubst, dass er das nicht aus freiem Willen tut...", schlussfolgerte sie und Florian nickte langsam. „Seine Lippen haben gezittert, Frau Kommissarin...und das macht Papa nur, wenn er Angst hat..."

Nicht ohne meinen Sohn // K11 - die neuen Fälle // German FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt