Licht ins Dunkel

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Nervös und wie ein Tier auf der Jagd, scannte Philipp die Umgebung, die Michael durchfuhr und zuckte immer wieder auf.

„Philipp, wenn du so weiter machst, schmeiß ich dich persönlich aus dem Wagen!", schnaubte Michael und atmete tief durch, „Ich habe auch Angst um die Kleine, aber wir müssen einen kühlen Kopf bewahren!"

„Ich weiß...ich habe aber gesehen wozu die Zwei in der Lage sind Micha...reicht schon, dass Robert schwer verletzt im Krankenhaus liegt..."

„Das weiß ich doch", begann Micha ungewohnt ruhig, „ich weiß auch, dass du und Robert die Kleine sehr mögen. Ihr habt sie eingearbeitet und sie hat schon viel für euch und auch für uns getan...aber wir können nicht erlauben, dass ein dummer Fehler, ihr das Leben kosten könnte!"

Philipp wusste nicht, was darauf erwidern. Nervös, begann er mit der Kette um seinen Hals zu spielen und seine eisblauen Augen waren starr auf die Straße gerichtet.

„Mir will einfach nicht in den Kopf, dass dieser Flückiger von alleine so durchgedreht sein soll. Wieso sich die Mühe machen und so viel Arbeit auf sich nehmen, um eine Strafmilderung oder gar eine Bewährung zu erlangen...nur um das wieder so kaputt zu machen?", dachte Michael laut und Philipp atmete tief durch.

„Ich kann leider nicht sagen, wie er im Jugendamt drauf war. Da war Robert ...", murmelte er und Michael musste mit einem Seufzen recht geben.

„Was aber seltsam ist", fuhr Philipp fort, „wieso hat Streicher immer die Schüsse getätigt. Wenn Flückiger wirklich einfach weg will mit seinem Sohn...wieso seine Geliebte da mit reinziehen? Wieso lässt er sie die Drecksarbeit machen? Wir Männer wollen doch meist solche Dinge aus Rache selbst tun. Ich meine...hat er wirklich den Schuss auf den Jugendarbeiter getätigt?"

In diesem Moment klingelte Philipps Handy und er zog es aus der Jackentasche, bevor er auf den Display blickte.

„Alex", murmelte er und schaltete auf Lautsprecher, so dass Michael mithören konnte. „Alex, wir hören", begrüßte Philipp die Anruferin.

„Leute, Sarah ist gerade bei uns. Ich denke, ihr solltet das hören!", kündigte Alex an. „Leute, ich habe die Obduktion des Jugendarbeiters abgeschlossen. Die Wunde am Hals war ein Streifschuss, aber enorm, so tief, dass die Schlagader getroffen wurde und der Tote alsbald verblutete. Die Schlagader war buchstäblich zerrissen. Mit der Waffe, die Flückiger in den Videoaufnahmen bei sich hatte, hätte nie so ein Schaden angerichtet werden können, es sei denn, Flückiger wäre wirklich direkt vor dem Jugendarbeiter gestanden!"

„Was er nicht war...", sagte Michael.

„Genau. Die Verletzung war ebenfalls von dem Jagdgewehr zugefügt worden. Sprich von Streicher. Flückiger hatte keinen der Schüsse abgefeuert!", stimmte Sarah zu.

„Ich habe etwas rumtelefoniert und mich in Streichers Vergangenheit begeben", meldete sich Dani nun zu Wort.

„Streichers Familiengeschichte ist mehr als dunkel und bizarr. Sie wurde in ein katholisches Internat geschickt, als bei ihrem Bruder schwere Missbrauchsspuren gefunden wurden. Zunächst war ja lange der Vater in Verdacht, doch Streicher wurde mit einem ähnlichen Fall in Verbindung gebracht. Sie wurde daraufhin psychologisch abgeklärt. Sie ist ein hochfunktionaler Soziopath mit sadistischen Zügen. Ihre brutale Natur wurde erst in den Griff bekommen, als ihr Großvater begann, sie mit auf die Jagd zu nehmen. Daraufhin machte sie eine Ausbildung zur Gefängniswärterin und landete bei der JVA. Es schien alles gut zu laufen, doch vor drei Monaten wurde festgestellt, dass aufgrund eines gutartigen Tumors in der Gebärmutter, diese entfernt werden musste. Streicher kann also wirklich keine Kinder bekommen.", erzählte sie weiter und Michael umfasste das Steuer des Wagens fester. „Es scheint", mischte sich nun Alex ein, „als hätte sie in Flückiger, der alles nun tun musste um seinen Sohn zu erhalten, einen Leidensgenossen gefunden. Allerdings wusste Flückiger eins nicht, einer von Streichers Ex-Partner hatte sie bereits wegen häuslicher Gewalt angezeigt, die Klage wurde jedoch aus Mangel an Beweisen, fallen gelassen!"

„Also ist sie, die treibende Kraft hinter allem!", schlussfolgerte Philipp.

„Richtig. Soziopathen verfolgen steht's ihr eigenes Ziel. Sie kümmern sich nicht um Andere und was dabei passieren könne. Es zählt das, was sie wollen. Und Streicher will nun ihre Familie. Komme was wolle. Sie wird erst aufhören wenn sie das hat, was sie will!", fügte Sarah an und Michael, sowie Philipp schluckten schwer.

„Wir müssen sie so schnell wie möglich finden!", zischte Philipp und schlug auf das Armaturenbrett. „Mädels, sagt mir bitte, dass ihr etwas noch herausgefunden habt, was nicht nur im Falle einer Anklage helfen könnte!"

„Streichers größte Bezugsperson war ihr Großvater. Nach dessen Tod erbte sie alles von ihm. Inklusive eines Grundstücks in einem Schrebergarten. Dieser befindet sich im Richtlingerviertel. Allerdings ist nirgends vermerkt, um welches Grundstück es sich handelt und an diesem Schrebergarten sind 50 Grundstücke vermerkt!", erklärte Dani und Philipp gab die Daten sofort im Navi ein.

„Das ist besser als gar nichts. Philipp und ich organisieren den Einsatz dort. Dani, du bleibst bei der Mutter im Falle, dass sich Flückiger doch noch irgendwie meldet. Alex, ich erwarte dich auch am Schrebergarten. Und Mädels, gut gemacht!", lobte Michael und nach einer kurzen Verabschiedung, hängte Philipp auf.

„Die Frau ist eine tickende Zeitbombe...", flüsterte er dann und starrte auf sein Handy, „...was wenn sie..."

„...hat sie nicht. Unsere gute Joschi lebt noch. Ich fühl das!"

Als Michael weiter ausholen wollte, klingelte Philipps Handy erneut und er nahm ab.

„Stehler?", begrüßte er den Anrufer und als Michael kurz zu ihm blickte, bemerkte er eine verwirrte Miene. „Ja der bin ich. Ist etwas passiert?" Immer wieder nickte Philipp und auf einmal presste er die Lippen zusammen und war sichtlich bemüht, weiter zuzuhören.

„Aber er wird wieder, oder müssen wir noch mehr befürchten....okay. Ja, ich danke Ihnen..." Mit diesen Worten hängte Philipp auf, schlug erneut aufs Armaturenbrett und schüttelte mit dem Kopf.

„Ich hätte ihm nichts sagen sollen, ICH HÄTTE IHM NICHTS SAGEN SOLLEN!", schrie er so laut, dass sich seine Stimme beinahe überschlug und Michael sah ihn an.

„Das war das Krankenhaus. Roberts Naht hatte sich geöffnet und er hatte stark geblutet. Die OP-Wunde hat sich entzündet und er hat Fieber."

„Du hattest ihm also erzählt, was passiert ist, bevor du gegangen bist?"

Auf Michaels Frage hin, erklärte Philipp genau, was passiert war. Wie er Robert alles erklärt hatte, nachdem dieser sich fast aus dem Bett gehievt hatte, weil er die Informationen so dringend wollte.

„Dann ist es aber dabei passiert, Philipp und du hast richtig gehandelt. Sonst wäre es schlimmer geworden", beruhigte Michael ihn in seiner gewohnten Art und Philipp hob eine Augenbraue.

„Schreib ihm eine Nachricht und sag, was passieren wird. Glaub' mir, ich kenne Robert viel länger als du und wenn er nicht Bescheid weiß, wird's nur schlimmer. Sag' ihm, dass wir Joschi dort rausholen werden und wir nun wissen, wo sie sind!" 

Nicht ohne meinen Sohn // K11 - die neuen Fälle // German FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt