Kapitel 5

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Eigentlich sollten heute mal wieder Orions Gretzer in See stechen. Kaum hatte er Lennox und Alea allein gelassen, ging er in den dritten Stock. Den Boss der Gretzerbande fand er schnell. „Ist der ganze Müll auf das Schiff geladen?", fragte er und es war eine willkommene Abwechslung, mal ganz allein und in seiner Muttersprache mit einem seiner Männer zu reden.

Er nickte. „Alles bereit. Wir können jeden Moment losfahren."

Orion gab ihm ein Fläschchen mit Anti-Magikum.

„Lasst das ins Wasser fließen – wir wollen ja nicht, dass wieder so ein Nixenpack kommt und die ganze Aktion versaut."

„Sicher."

„Und noch was. Stecht in der Nacht in See. Keiner von den Kindern soll das hier erfahren, vor allem nicht der Oblivion oder die Elvarion. Gab es vor drei Wochen eigentlich irgendwelche Probleme mit dem Abladen? Irgendetwas... unnormales?"

„Nein, nichts." Orion nickte langsam. „Okay. Alles klar. Dann fahrt ihr also um ein Uhr los?" Wieder nickte sein Gegenüber und verschwand dann.

Schon nach kurzem Überlegen wusste Doktor Orion, dass er etwas gegen Lennox brauchte. Also ging er in den Computerraum und fuhr einen Laptop hoch. Ganz einfache Recherchen brachten nichts. Vor allem nichts, wenn Orion etwas über die Polizeiakte des Jungen lesen wollte. Jahrelange Übung half ihm, sich schnell in das Computerprogramm reinzuhacken. Schließlich musste er noch vor langer Zeit nach der Elvarion der letzten Generation suchen. Die sich dann leider doch nicht als Elvarion herausstellte, sondern als ihre Schwester! Eineiig, so viel Pech auf einmal konnte man doch wirklich nicht haben. Doch nun hatte sich dies wieder ausgeglichen – wenn auch mit einem Hindernis.

Lennox' Akte waren mehr als interessant. Er wurde vom Jugendamt und von der Polizei gesucht! Außerdem war er ein Ausreißer. Das wusste Alea bestimmt noch nicht.

Plötzlich ging die Tür auf und Hagen kam mit Alea rein. Oje, dachte Orion. Wenn sie gleich zu mir kommt, kann das nichts gutes bedeuten.

Er erhob sich. „Ärger?"

„Stimmt es, dass Sie Jinx aufgetragen haben, Lennox zu bewachen?", fragte sie. Er stutzte. Und dann seufzte er.

„Spricht Lennox Isländisch?" Natürlich nicht. Sonst hätte er nicht erst im Internet nachschauen müssen, was Konungur hieß.

„Haben Sie Jinx das gesagt?", beharrte Alea (Orion würde wohl nie erfahren, wer nun wirklich Isländlisch konnte).

„Ja, das habe ich", sagte er und war erleichtert, gerade seine Akte gesehen zu haben. „Leider hatte ich gute Gründe dafür." Gespielt traurig schaute er sie an. „Da es nun nicht anders geht, muss ich dir etwas sagen: ich habe ein paar Recherchen über Lennox angestellt und dabei einige unangenehme Dinge herausgefunden."

Aleas Rücken versteifte sich. „Was für Dinge?"

„In seiner Polizeiakte war zu lesen, dass Lennox mehrmals verhaftet worden ist – wegen Prügeleien und wegen Diebstahls. Deshalb wollte ich ein Auge auf ihn haben. Weißt du, hier stehen ein paar sehr wertvolle Sachen herum." Orion betrachtete sie. „Du wusstest gar nicht, dass er eine Polizeiakte hat, hm? Es tut mir leid, dass ich derjenige bin, der es dir sagt. Lennox ist als Ausreißer gemeldet und wird sowohl vom Jugendamt als auch von der Polizei gesucht – weil er damals wohl von der Polizeiwache getürmt ist und dabei einen Beamten angegriffen hat."

Alea starrte daraufhin ins Leere. „Das wusste ich nicht." Nach einer Weile schließlich fragte sie: „Wie kann Lennox denn beim Klauen erwischt worden sein? Er wird von Landgängern doch gar nicht gesehen, wenn er nicht gesehen werden will!"

„Ja, er wird nicht gesehen – außer, ihn verpfeift jemand, dem er sich vorher freiwillig gezeigt hat", antwortete Orion. „Offenbar haben ihn ein paar andere Straßenjungen verraten." Er machte ein betretenes Gesicht. „Ich nehme an, dass Lennox wegen dieser Sache nicht mehr so gut Vertrauen fassen kann und deswegen gleich unschuldige Leute verdächtigt. Das ist nicht leicht zu verarbeiten, nicht wahr?" tröstend legte Orion ihr seine Hand auf die Schulter. „Wie wäre es, wenn wir etwas machen, was dich auf andere Gedanken bringt?"

„Was denn?"

„Wir könnten zusammen schwimmen gehen." Er lächelte. „Komm, ich zeige dir die Ruinen meiner Heimatstadt." Orion stand auf und reichte Alea die Hand. „Ich zeige dir Faramont."


Anti-Magikum. Zwei Trillerpfeifen. Wandererblockierer.

Anti-Magikum? Wo war es? Orion raufte sich die Haare und wühlte in seiner Schublade herum. Alea wartete sicher schon auf ihn. Wo war es denn bloß?

Es klopfte.

„Ja?", rief er gereizt und öffnete eine andere Schublade. Die Tür ging auf. Jinx kam herein – mit Lennox, Ben, Tess und Knirps. Na super. Was wollten die denn hier?

„Fehlt euch was?", fragte Orion in gezwungen freundlichem Tonfall. Der Oblivion bäumte sich vor ihm auf und verschränkte die Arme. Nichtsdestotrotz konnte Orion auf ihn herabschauen – sehr zu seinem Gefallen.

„Allerdings", knurrte der Junge. „Wir wollen Antworten."

Orion zog eine braue hoch und verschränkte seinerseits die Arme. „Aha. Und die Fragen wären dann welche?"

„Kein Mensch wird durch geschenktes Geld so reich. Sie schicken immer eine Gretzerbande aufs Meer, stimmt's? Sonst würden hier in diesem sogenannten ‚Haus' keine von denen herumlungern." Irgendjemand von den Kindern hatte also einen gesehen. Wie dumm er doch war, sie einfach frei rumlaufen zu lassen. Und wie dumm diese Kinder waren, ihn jetzt vor Rede zu stellen. „Was haben Sie mit Alea vor? Wieso werden wir auf Schritt und Tritt überwacht?", herrschte Lennox ihn an. „Sie sind eine falsche Schlange und spielen hier irgendein mieses Spiel mit uns – mit Alea! Warum?"

„Du hast recht, ich habe so meine Pläne." Orino drückte auf seinen ‚Universalknopf' am Schreibtisch. „Ich habe großes vor mit Alea, und leider Gottes seid ihr dabei nur Störfaktoren. Ich habe schon lange überlegt, ob ich euch nicht einfach loswerden soll. Nun ging das doch schneller als gedacht." Die Tür wurde aufgerissen und Hagen, Rix und Giovanni kamen herein und versperrten den Weg nach draußen.

„Was soll das!?", rief Tess und trat unwillkürlich einen Schritt zurück. Orion lachte.

„Ihr habt euch eindeutig mit dem falschen angelegt. Und nun werde ich euch loswerden – endlich. Du, Skipper." Er deutete auf Ben und gab ihm Stift und Papier. „Du wirst jetzt genau das aufschreiben, was ich sage. Eure Alea soll denken, dass ihr wieder ohne sie losgesegelt seid. Das tust du doch bestimmt?"

„Nein!", rief Ben, doch daraufhin zückte Hagen sein Messer und hielt es drohend auf ihn gerichtet. „Oh doch", sagte Orion. Der Skipper tauschte einen hektischen Blick mit Lennox. Dieser hatte keine Ahnung, was sie nun machen sollten. Also richtete er den Stift auf's Papier.

„Sehr schön. Nun notiere: Liebe Alea, ich schreibe im Namen der ganzen Cru..." Er diktierte ihm nun und am Schluss nahm Orion das Blatt und las es einmal durch. „Netter Versuch. Ändere das." Ben hatte doch wirklich versucht, einen Hinweis zu hinterlassen, der Alea hätte zweifeln lassen können. Anstatt „Alpha Cru" zu schreiben, hatte er „Alfa Cru" geschrieben. Während Ben das jedoch änderte, sprang Lennox blitzartig vor und verpasste Rix einen Kinnhaken. Alle fuhren herum, doch da lag Rix auch schon auf dem Boden und rieb sich das schmerzende Gesicht. Lennox sprang Giovanni an, brachte ihn mit einem flinken Fußkick zu Fall und sprach: „You will forget who your enemy is. You will forget who you have to fight." Dasselbe wollte er bei den anderen auch sagen, doch Jinx zog eine Waffe und Orion brachte Lennox mit einem lauten Kiai zu Fall. Lennox sprang jedoch sofort wieder auf und bombardierte ihn und Jinx mit Tritten und Schlägen. In letzter Zeit hatte Orion zwar sein Karate vernachlässigt, doch es war effektiv genug, um den Jungen nach zwei weiteren sichtlich schmerzhaften Schlägen kampfunfähig zu machen.

Beinahe hätte er die restlichen Kinder vergessen. Doch Knirps, Tess und Ben starrten ihren Freund nur mit schreckgeweiteten Augen an.

„Sperr sie in die Katakomben", sagte Orion zu Jinx. „Und an die Tür des Oblivionen kommt ein extra gesichertes Schloss."

Orions Spiel (Alea Aquarius Perspektivenwechsel)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt