Kapitel 7

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Alea blickte in den Spiegel. Orion konnte ihr buntes Spiegelbild erkennen, er selbst war noch nicht in dem Spiegel zu sehen. Aber was für einen Eindruck würde es machen, wenn er einfach hier blieb? Was sollte er darauf antworten? Zögerlich schwamm er nach vorne. Doch keinerlei Farben waren um ihn herum zu erkennen – sehr zu seiner übergroßen Erleichterung.

„Das ist der Wandererspiegel", erklärte Orion. „Meermenschen anderer Stämme konnten hier einmal sehen, was Wanderer sehen."

Gebannt starrte Alea in den Spiegel. Rosafarbene Tupfer, goldgelbe Bläschen, herumschießende kakifarbene Kugeln und dunkellilane Schatten umgaben sie.

Orion betrachtete Alea. „Ich sehe dein Stimmungsspiel zwar, aber ich habe keine Ahnung, was es bedeutet."

Leider. Sie lächelte.

„Das ist wohl den Wanderern vorbehalten." Alea wandte sich Orions Spiegelbild zu. Er selbst sah nur die Auswirkungen des Wandererblockieres um sich herum, doch Alea als Wanderin sah vielleichtt doch noch Farben – mithilfe des Spiegels. Jedoch sagte sie nichts.

„Lass uns weiterschwimmen."

„Der Spiegel ist magisch, oder?", entgegnete sie.

„Ja, klar."

„Wer hat ihn denn gemacht?"

Orion zuckte mit den Schultern. „Wahrscheinlich Gilfen oder Kobolde."

„Kobolde können mehr, als nur Bilder zu malen!", sagte Alea in merkwürdigem Tonfall und er wusste nicht, was er davon halten sollte. Also ging Orion nicht darauf ein.

„Da drüben ist eine Kneipe. Ich zeige sie dir, die ist wirklich urig!" Während sie in schnellem Tempo zu dem Haus eilten, meinte Alea: „Die Meermenschen und die Magischen haben ja anscheinend viel miteinander zu tun gehabt. Wie war das denn so im Alltag? Gehörten die Magischen in Faramont einfach dazu? Gab es Baustellen, auf denen Meermenschen und Gilfen zusammenarbeiteten? Stromerten Finde-Finjas in den Straßen herum, und die Leute konnten sie nach einer Adresse oder so fragen?" Sie lachte, doch Orion tauchte durch den halbrunden Eingang der Kneipe.

„Superschön", fand Alea. „Aber eines würde ich gern noch wissen: Die Magischen und die Meermenschen haben ja anscheinend schon seit Ewigkeiten eng zusammengelebt. Artama hat uns in Rach Turana erklärt, dass es deswegen so viel Magie im Leben der Meermenschen gab. Mit der Zeit wäre einfach alles immer mehr miteinander verwoben gewesen, hat sie gesagt. Es ist ja so, dass jeder Meermenschenstamm irgendwelche besondere Fähigkeiten hat, oder? Fähigkeiten, die richtig magisch sind. Wir Wanderer können die Farben des Meeres sehen. Oblivionen können Landgänger etwas vergessen lassen. Roix sehen in die Menschen hinein und erkennen dabei ihre Krankheiten. Das ist doch magisch! Da habe ich mich gefragt, ob diese Fähigkeiten vielleicht von den Magischen kommen? Haben sie den Meermenschen irgendwann mal Gaben geschenkt oder so?"

Orion ignorierte sie und zweigte ihr eine Flasche, die er aus der Theke gekramt hatte. Sie hatte einen langen, gebogenen Hals und einen Trinkverschluss.

„So haben Meermenschen getrunken", erklärte er und hoffte, dass Alea seine „Abschweifer" nicht bemerkte.

„Die Trankbrauer haben die Getränke ohne Kontakt zum Meerwasser abgefüllt, und man konnte durch diesen Verschluss auch trinken, ohne dabei Meerwasser zu schlucken." Alea blickte auf die Flasche. Dann sah sie Orion an.

„Warum weichen Sie mir aus?"

Er seufzte. Das hatte er geahnt. „Was Magische angeht, bin ich kein Experte."

„Aha. Sie mögen sie nicht besonders, oder?"

Der Doktor klemmte die Flasche wieder an ihren ursprünglichen Platz. „Ich bin ein Mann der Wissenschaft, Alea. Magie ist mir... unheimlich." Das war stark untertrieben. Wenn er da an dieses eine Erlebnis dachte...

Orions Spiel (Alea Aquarius Perspektivenwechsel)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt