kapitel 28 - Jamie

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Die Nacht hatte sich schneller herabgesenkt als ich erwartete hatte, jedoch bedeutete das für ich das dieser elendige Tag des Wartens endlich ein Ende haben würde und morgen mit den ersten Sonnenstrahlen würde die Welt bestimmt in einem neuen Licht erstrahlen. Auf Corianas Wunsch hin hatte ich mich kein einziges Mal nach oben gewagt, ganz gleich wie dringend ich mit Asran sprechen wollte. Es gab so viel zu sagen und unendlich viele Fragen zu beantworten, das ich es nicht schaffte meine Gedanken zu ordnen und den wütenden Sturm zu bezwingen.

Ich schlich durch die Küche und genoss die Stille, glaubte sogar fast das gleichmäßige Schnaufen der Belegschaft zu hören, als ich um her ging und die Flammen erstickte, die vergessen wurden. Die große Feuerstelle war nur noch ein Haufen glimmender Glut und würde keine Funken mehr schlagen die gefährlich werden konnten. Eine angenehme Hitze flutete Wellen weise den Raum, davon angezogen ließ ich mich auf einem Stuhl daneben nieder, hielt denn blick in das rot orange Meer gerichtet und hielt meine Hände über die Feuerstelle. Die Wärme kroch durch meine Fingerspitzen über meinen Arm und erfüllte dann meinen ganzen Körper, spendete auf eine unerklärliche Weise Trost. Ich seufzte laut, es war ein kläglicher Laut und übertönte beinah die hektischen Schritte, die nun deutlicher zu hören waren. Fragend zog ich die Augenbrauen zusammen, meine Stirn kräuselte sich und mein Blick schweifte im halbdunklen über meine Schulter. Schwer atmend, als wäre sie gerannt, brach Coriana aus den Schatten und rannte stürmisch die Stufen hinunter.

„Cori...?", flüsterte ich, bedacht darauf die Schlafenden nicht zu wecken. Irgendetwas an ihrem gehetzten Blick der auf mich fiel, sagte mir das seit dem Morgen noch so viel mehr passiert war. Ich stand auf, mein Herz schlug schneller gegen den Brustkorb in böser Vorahnung und die Unwissenheit feuerte die Angst in mir an. Fast schon erleichtert fiel Coriana mir um den Hals und schluchzte an meinem Hals: „Bei allen Göttern sie haben dich noch nicht", dann packte sie ganz plötzlich meine Schultern und starrte mich so ernst an wie ich es noch nie bei ihr gesehen hatte.

„Wer hat mich?", fragte ich und versuchte ihre wirren Worte zu verstehen.

„Die Prinzessin ist weg", sagte sie dann auf einmal und würden ihre dunklen Augen nicht wie Granit funkeln, wäre ich versucht gewesen zu lachen.

„Was?", ich riss die Augen auf und starrte sie ungläubig an. Wie konnte das passieren?

„Ich habe sie überall gesucht, die Wachen haben auch geholfen, doch sie ist nirgendwo zu finden", erzählte sie weiter. „Und dann bin ich auf einen weiteren Trupp wachen gestoßen, um genau zu sein waren es die Leibgardisten des Königs".

„Und?"

„Ich wollte ihnen gerade sagen, dass es zwecklos war weiter zu suchen, als sie mir berichteten sie seien nicht hinter der Prinzessin her, sondern hinter dir. Jamie die wollen dich gefangen nehmen, auf Befehl des Königs!". Auf einmal war ich ganz froh um ihre Hände die sich mit jedem Wort fester in meine Schultern gruben und verhinderten, dass ich einfach zusammenbrach. Der süßliche schmerz ihrer Fingernägel, die sich in mein Fleisch krallten, hielt mich bei Bewusstsein.

„Warum mich? Was habe ich denn getan?", meine Stimme rückte in weite Ferne, mein Gehirn hinkte sieben Schritte hinter her.

„Was auch immer das ist zwischen dir und Asran, dem König scheint es nicht zu gefallen", sagte sie und ich hörte den Vorwurf der darin mitschwang. Ich schluckte schwer, begann zu zittern bei der Aussicht auf eine kalte dunkle Zelle, wegesperrt wie ein Krimineller, weil ich unbewusst Gefühle, die ich nicht einmal einordnen konnte, für den falschen entwickelt hatte. Das erschien mir ungerecht und führte mir einmal mehr vor Augen, wie grausam unsere Welt wirklich war. Ich hatte vieles in meinen siebtzehn Jahren erduldet, hatte mich weder von den Lebensumstände, noch von der ermüdenden Arbeit in der Fabrik unterkriegen lassen, doch die Gefangenschaft würde ich nicht überleben. Nicht in dem Gedanken unschuldig zu sein ohne, dass mir jemand glaubte. Denn was der König sagte, war Gesetzt, ganz gleich wie unmoralisch es war oder nicht.

„Du musst von hier verschwinden und zwar jetzt sofort! Pack nur das Nötigste und versuche deine Familie so schnell wie möglich zu erreichen", riss sie mich mit ihren Worten zurück in die Realität und ich hatte Mühe ihr zu folgen, denn wie so oft zog der Nebel auf und brachte alles zum Stillstand. „Und dann bringst du sie alle weg von zuhause. Ihr müsst irgendwo anders unterkommen, denn dein Dorf wird der erste Ort sein wo sie nach dir suchen werden". Die Worte sickerten nur langsam zu mir durch, kamen dann schließlich an und mit Corianas Hilfe setze ich mich steif in Bewegung um mein weniges Hab und Gut zu holen, als schwere Schritt die Stufen erzittern ließ. Ohne zu zögern drückte Coriana mich hinter sie und baute sich schützend vor mir auf, obwohl sie viel kleiner war als ich. Bereit sich durchtrainierten Wachen entgegen zu werfen, egal wie lächerlich, nutzlos und aussichtslos das ganze wäre. Dennoch war sie bereit sich für mich in Gefahr zu bringen und ich konnte gar nicht ausdrücken wie dankbar ich war sie zu haben. Erleichterung flutete mein Herz und meine Beine gaben ein kleinwenig unter meinem Gewicht nach, denn Stadt Männern in Rüstung und Handschellen blitzen ein paar grüner Augen auf und Asran trat in den Schein der schwachen Glut, die sich sanft auf seinem sorgenvollen Gesicht abzeichnete. Coriana sandte ein kurzes Stoßgebet an die Götter aus und gab mir die Möglichkeit mich an ihr vorbei zu drängen.

„Ich muss dir was sagen", platzten die Wörter wie aus einem Mund aus uns heraus. Ganz gleich wie wenig Zeit mir noch blieb ließ ich Asran den Vortritt, da ich wissen wollte welche unheilvolle Nachricht auf der Zunge trug.

„Ich habe vom König den Befehl erhalten mich in der Kaserne zu melden. Eine ganze Kompanie wird mobilisiert um Riveras Grenzen anzugreifen und ich soll als Offizier dienen". Mein Herz setzte einen Schlag und pumpte dann doppelt so stark beim zweiten, was einen fürchterlichen Schmerz in meiner Brust auslöste. Ein Angriff, aber es tobt doch gar kein Krieg... Ich schaute ihn entgeistert an, alle meine Gesichtszüge entglitten mir.

„Aber ich werde nicht gehen! Ich kämpfe nicht, wenn mein Gegner nichts verbrochen hat. Außerdem will ich dich nicht verlassen. Ich will an deiner Seite sein, denn du bist alles was ich brauche", sagte er voller Zuneigung die sich auch in seinen Augen wiederspiegelte und unterschwellig schwangen die Worte mit, die noch keiner von uns bereit war auszusprechen. Seine Worte rührten mich und am liebsten hätte ich mir ebenfalls die Zeit genommen ihm mein Herz vor die Füße zu schütten, doch die Uhr tickte und jede Minute, die wir hier standen könnte meine letzte sein die ich in Freiheit verbrachte. Ich musste ausbrechen aus diesem goldenen Käfig und flüchten vor diesem unberechenbaren König und ich wusste nun das es nicht unmöglich war, wenn ich Asran hier und jetzt bat mit mir zu verschwinden. Er verdiente besseres, doch konnte ich ihm das bieten? War ich das Bessere, oder würde ich ihm nur Leid bringen?

Ich ergriff seine Hände und schaute ihm tief in die Augen. Himmelblau traf auf waldgrün und eine ungenaue Zukunft zeichnete sich darin ab.

„Wir müssen von hier fliehen, noch heute Nacht"



Ende von Band 1

Nightingales CageWo Geschichten leben. Entdecke jetzt