Kapitel 14 - Jamie

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Meine Finger vergruben sich in dem samtigen purpurnen Stoff der Vorhänge und schwungvoll riss ich sie auf, wie jeden Morgen, wenn ich die Erste war. Der Tag dämmerte noch nicht, als ich aus dem Fenster schaute überragten dunkle Schatten die königlichen Gärten und die letzten Sterne schmückten den trostlosen Himmel. Mit jedem Tag mehr der verstrich, ging die Sonne später auf, die Dunkelheit verweilte ein bisschen länger und kündigte den nahenden Jahreswechsel an, den ich nur begrüßte. Dennoch wollte sich die Hitze noch nicht vertreiben lassen, die Tage wurden zwar angenehmer, aber die Sonne strahlte tagsüber nach wie vor an einem wolkenlosen blauen Himmel. Kleine Gruppen von Zugvögel machten sich bereits auf den Weg nach Süden, doch das muntere Gezwitscher kleiner Vögel erfüllte den Tag, ebenso das Zirpen von Insekten im hohen Gras.

Ich raffte meine Gedanken zusammen und konzentrierte mich darauf, weswegen ich hier war. Denn heute morgen war ich mit dem Geschirrwagen aus der Küche geilt, um dem morgendlichen Weckdienst zu entgehen. Nicht weil es eine anstrengende Arbeit war, sondern weil ich noch immer alles vermied bei dem ich Asran begegnen könnte. Ich war nicht mehr wütend, auch nicht traurig, in mir wohnte nur diese leise Stimme, die mich stets daran erinnerte das er der Prinz war und ich dies zu akzeptieren hatte. Dennoch hatte ich keine Ahnung wie ich mich ihm gegenüber verhalten sollte. Natürlich sollte ich die brave unterwürfige Dienerin spielen, eben nur eine von vielen Untertanen seines Landes, doch da war immer noch diese... Zuneigung? Vertrautheit? Sympathie? Ich konnte es nicht einordnen, aber es machte mir es unmöglich ihn so distanziert zu behandeln, wie es angemessen war. Ich vertrieb all diese Gedanken aus meinem Kopf, schlang die Finger stärker um den Griff des Wagens und setzte meinen Weg fort. Das Holz unter meinen Händen fühlte sich weich und abgegriffen an, ein treues Hilfsmittel das sicherlich schon unzähligen Mädchen vor mir die Arbeit erleichterte, denn ein ganzer Tassensatz ließ sich nicht ohne weiteres tragen. Mehrere dutzenden Teelöffel, Kuchengabeln, fein verzierte Unterteller und Tassen wurden poliert und sollten nun zurück an ihren Platz gebracht werden.

Die Tür, die mich in den Damensalon führte, kam in Sicht. Tags über verbrachten die meisten Hofdamen dort ihre Stunden mit Klatsch und Tratsch bei einer schönen Tasse Tee und Gebäck. Den Männern war der Zutritt strengst verboten. Der Damensalon lag, wie ich nun wusste, unmittelbar vor dem Ballsaal, der neben dem Thronsaal den meisten Platz des unteren Stockwerks einnahm. Eben vor dieser Tür hielt ich an. Mit einer Hand drückte ich die goldene Klinke herunter und stieß mit meiner Hüfte die Tür auf und zerrte den klappernden Wagen auf quietschenden Rädern hinter mir her.

Allein an der Einrichtung des Salons konnte man aus machen, dass sich hier keine Männer aufhielten, denn der Raum war das wörtliche Ebenbild einer rosaroten Welt. An jeder Ecke stand ein blühender Strauß Blumen in den verschiedensten Rosa Tönen. Jedoch bei genauerem Hinsehen entlarvte man die wunderschöne Täuschung, denn es waren Papierblumen. Das erklärte auch den unnatürlich süßen Duft der Blumen der die Luft erfüllte. Es macht sie gefährlich berauschend. Die Ränder waren gesäumt von niedrigen, stark gepolsterten Sofas, die einluden sich zu setzten und zu entspannen. Nur zu gern hätte ich mich hingesetzt und mich in den tausend samtigen Kissen versteckt, doch der Tag trieb zur Eile. Es wurde viel getuschelt in der Küche. Meist nur über belanglose Dinge, die es nicht wert waren sich zu merken, anders als heute. Die Anstrengungen wurde auf Befehl des Königs verdoppelt. Jeder wurde angewiesen, den Palast zum Glänzen zu bringen. Dies deutete auf wichtigen Besuch hin, ansonsten hatte der König eine sehr lästige Art seine royale Langeweile auszuleben.

In stiller Einsamkeit räumte ich das Porzellan in ein niedriges Schränkchen und erlebte währenddessen, wie sich die ersten Sonnenstrahlen durch den grauen Morgen kämpften. Munter machten sich die ersten Vögel bereit für den bevorstehenden Tag und stimmten trällernd einen Canon an, dem ich nur allzu gerne lauschte. Doch ich blieb nicht lange still, sondern ließ mich von der fröhlichen Melodie verlocken selbst zu singen.

Nightingales CageWo Geschichten leben. Entdecke jetzt