Kapitel 3 - Jamie

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Sie zog die Augenbraue hoch und musterte mich abschätzig. Offensichtlich hatte ich meine Worte zu harsch ausgesprochen, aber doch nur weil ich so unglaublich nervös war.

„Wenn du Joschka meinst den findest du in seinem Büro, Schätzchen", sagte sie und deutete auf eine schmale Tür. Ich bahnte mir ein Weg durch die Menge betrunkener Mensch, von allen Seiten wurde ich angerempelt doch niemand entschuldigte sich deswegen. Angekommen vor dem vermeintlichen Büro atmete ich tief durch und hörte auf an meinem Kleid zu neseln. Ich hob die Hand und klopfte kurze, aber bestimmt an, woraufhin ein knappes „ Herein!" ertönte und ich vorsichtig die Tür öffnete. Reis dich zusammen und setzt ein bezauberndes Lächeln auf, Schluss mit schüchtern sein. Ich drückte meine Schulterblätter zusammen, richtete mich auf, hob das Kinn ein wenig und lächelte lieblich.

„Guten Abend Sir", sagte ich und ließ mich gegenüber eines rundlichen älteren Mannes auf dem Stuhl nieder und zog die zerknüllte Anzeige hervor. Joschka musterte mich, sein Ausdruck war undurchdringlich und ernst. „So, so du willst also eine Sängerin sein, Fabrikarbeiterin?" Er lehnte sich schmunzelnd ein Stück nach vorne und stützte die Ellenbogen auf die Tischplatte. Ich war so überrascht darüber, dass mir die Worte im Hals stecken blieben. Wie hat er das nur erkannt. Habe ich etwa noch Öl im Gesicht? Ich unterdrückte das Bedürfnis mir ins Gesicht zu fassen, stattdessen ruhten meine Hände weiter in meinen Schoß. Er schien sichtlich amüsiert über meine Reaktion. „Ich treffe jeden Abend so viele Leute, dass ich sie mittlerweile lese wie Bücher. Außerdem Kleines, sehen deine Hände aus wie die eines alten Mannes der schwer arbeiten muss und du trägst keine Uniform, also kannst du auch keine Botin sein", sagte er. Zaghaft lächelte ich und war ehrlich beeindruckt. „Sie haben recht, ich habe mir mindestens jeden Finger einmal gebrochen", gab ich zu und Mitleid trübte für einen kurzen Moment seine braunen Augen. „Genau deshalb bin ich hier, ich werde zu schlecht bezahlt und das einzige worum ich Sie bitte Joschka ist eine Chance mich zu beweisen", erklärte ich ihm, wobei ich nicht verhindern konnte in einen bettelnden Tonfall abzurutschen. Mit ernster Miene starrte er mich an. Es verstrichen einige Sekunden, die sich gefühlt ewig hinzogen. „In Ordnung du bekommst deine Chance, es hat sich sowieso niemand beworben. Aber das heißt nicht das du eingestellt bist, denn wenn du schlecht singst kannst du gleich wieder verschwinden"

Erleichtert atmete ich aus und bemerkte erst jetzt das ich unbewusst die Luft angehalten hatte. „Danke, ich hoffe ich werde sie nicht enttäuschen". „Dann geh jetzt und warte bis du deinen Namen hörst", sagte er und entließ mich somit. Ich stand, bedankte mich erneut und verließ das Büro.

Beschwingt setzte ich mich auf einen Hocker an den Tresen und bestellte mir ein Wasser. Ich versuchte mich zu entspannen, die erste Hürde war geschafft und um meine Nervosität zu kontrollieren, ließ ich mein Blick durch den Raum schweifte. „Du siehst ein wenig aufgeregt aus, vielleicht hilft ein Glas Whiskey?", fragte mich eine bekannte Stimme. Erschrocken riss ich meinen Kopf herum und blickte in das Gesicht meines vermeintlichen Verfolger, der mich charmant anlächelte. Im trüben Schein der flimmernden Glühbirnen wirkte nicht mehr ganz so unheimlich. „Verfolgen sie immer Frauen nur um sie dann mit einem schlechten Spruch zum Trinken einzuladen?", entgegnete ich und rutschte unwohl auf meinem Sitzplatz hin und her. „Außerdem kenne ich sie doch gar nicht", fügte ich eilig hinzu. Amüsiert lächelte er und streckte mir die Hand hin. „Mein Name ist Asran, ich bin Bote aus dem königlichen Haus und gerade auf der Durchreise". Höflich gab ich ihm die Hand und erwiderte: „Jamie, Fabrikarbeiterin aus Rhoa" Als ich meinen Beruf erwähnte, betrachtete er meine Hände, die Narben zeichneten sich weiß auf meiner sonnengeküssten Haut ab. Das gab mir Zeit Asran das erste Mal bei Licht zu betrachten. Mein Blick glitt von seinem schokoladenbraunen Haar über breite Schultern hinzu muskulösen Armen. Er war groß und trotz seiner krummen Nase, die schlampig gerichtet wurde, ein wirklich attraktiver junger Mann. Nachdem er ausgiebig meine Hände begutachtet hatte zog ich sie, etwas zu schnell, wieder zurück. Ich schämte mich nicht für was oder wer ich war, doch meine nervengeschädigten Hände waren ein Schwachpunkt. Die Arbeit in der Fabrik und die Narben die ich davon trug erinnerten mich täglich daran, dass ich machtlos war. Überrascht über meine schnelle Reaktion blickte er auf und schaute direkt in meine Augen. Auch ich erwiderte diesen Blick und verlor mich in Waldgrünen Augen, von denen ich mich nicht losreißen konnte. Sie waren einfach atemberaubend. Umso länger ich ihn anblickte desto klarer wurde mir, sein Blick war getrübt von Schuldgefühlen, worüber ich mich sehr wunderte. Ich brach den Blickkontakt ab und drehte mich weg. Peinliches Schweigen trat zwischen uns und ich betete, dass meine Wangen nicht erröteten.

Nightingales CageWo Geschichten leben. Entdecke jetzt