Kapitel 2: Taktiken eines Krieges

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Die Sonne war vor einigen Stunden aufgegangen. Sie versteckte sich allerdings hinter dichten Wolken. Es fühlte sich an als würde sie spielen und jemand müsste sie nur finden.

Vielleicht schneit es., kam mir der Gedanke, während ich in den Himmel starrte. Ich stand an demselben Fenster, von dem aus ich bereits den Mond beobachtet hatte. Die Steinmauern waren genauso grau und genauso kalt wie in der Nacht zuvor. Der einzige Unterschied war, dass man bei Tageslicht die schier endlosen Felder sehen konnte, die sich beinahe bis zum Horizont erstreckten. Dahinter waren die Berge, die für den Norden des Landes so typisch waren. Manchmal wünschte ich mir, von diesem Fenster aus, die Stadt sehen zu können. Es würde mir die Gewissheit geben, dass ich in diesem Teil des Landes nicht allein war. Die Stadt Draconis lag aber auf der anderen Seite des Palastes.

Ich löste meinen Blick vom Himmel und ging in die Richtung des Thronsaals. Mein Vater wollte vielleicht nicht, dass ich mich in den Krieg einmischte, doch er bildete mich in allen anderen Dingen aus, die ich als zukünftige Kaiserin des Landes wissen musste. So verlangte er, dass ich jeden Tag pünktlich im Thronsaal auftauchte.

Die Bediensteten, die sich um diese Zeit im Saal befanden, hielten sofort mit ihrer Arbeit inne, als ich diesen so leise betrat, wie es mir möglich war. Sie verneigten sich vor mir, was ich mit einem Nicken zur Kenntnis nahm. Dann nahmen sie ihre Tätigkeiten wieder auf.

Ein Räuspern ließ mich aufsehen. General Mortero stand an einem der großen Fenster und deutete eine Verbeugung an. Dass er sich im Thronsaal befand, ließ nur einen Schluss zu: mein Vater hatte nicht Wort gehalten.

Auch ihm nickte ich einmal zu und begab mich mit schnellen Schritten zu dem Tisch der Taktiken. Auf diesem Tisch war eine Landkarte von Larthetia und der Nachbarländer ausgebreitet. Durch Figuren, die für verschiedene Armeen standen, konnte man sich so einen Überblick über die Situation des Krieges verschaffen. Der General folgte mir schweigend.

Wo sind die königlichen Truppen gerade?", fragte ich ihn ohne meinen Blick von er Karte zu nehmen. Laut dieser waren die gegnerischen Truppen nicht mehr im Wald, sondern am Schloss der Königin.

Königin., spuckten meine Gedanken abschätzig aus. Eigentlich wurde der Süden Larthetias von einem König regiert. Die Macht hatte allerdings seine Frau. Er hatte keine Entscheidungsgewalt und auch der gemeinsame Sohn sollte erst den Thron erklimmen, wenn man die Leiche seiner Mutter fand. So sagten es zumindest die Bauern unten in der Stadt.

Laut meine Spionen immer noch am Schloss stationiert, kaiserliche Hoheit.", informierte der General bereitwillig. Seine Stimme hatte er dabei gesenkt, sodass nur ich ihn hören konnte. Noch nie hatte er ein Geheimnis daraus gemacht, dass er den Bediensteten des Palastes nicht traute. Es könnten sich Spione der weißen Königin unter ihnen befinden. Tatsächlich war dies eine Gefahr, die es nicht zu unterschätzen galt. Immerhin hatten auch wir Spione im Schloss positioniert. Die Königin scheint einen Angriff auf sich selbst zu fürchten."

Sollten die Gerüchte stimmen, kann sie jenen Angriff eher aus den eigenen Reihen erwarten als von unserer Seite." Jene Gerüchte hatte ich ebenfalls von den Bauern in der Stadt erhalten. So wurde gesagt, dass die Königin niemanden wirklich gut behandelte und Bedienstete mehrere Tage im Kerker verbringen mussten, weil sie nicht alles so erledigten, wie es die Königin für richtig erachtete. Strafen, welche das Maß des Vergehens bei Weitem übertrafen.

Wahre Worte, kaiserliche Hoheit.", pflichtete der dickliche Mann mir bei. Ich bezweifelte, dass er mir wirklich zustimmte. Die Gerüchte hatte er nicht gehört. Wo sollen unsere Truppen hin?", fragte er dann. Wahrscheinlich wollte er das Gespräch wieder auf ein Thema lenken, mit dem er vertraut war.

Haltet die Truppen in Bereitschaft, bleibt jedoch noch in Deckung. Erst wenn sich die weißen Truppen bewegen, greifen auch wir an.", verkündete ich mit starker Stimme. Dabei achtete ich darauf, dass nur der General mich verstehen konnte.

General Mortero nickte einmal und verneigte sich. Dann drehte er sich um und verschwand aus dem Thronsaal. Ich blieb stehen und betrachtete die Karte vor mir. Schließlich nahm ich die schwarze Figur und platzierte sie auf dem Palast.

Den Krieg zu planen ist ein Spiel mit dem Zufall." Die Stimme meines Vaters erfüllte den Saal, als wäre dieser nur halb so groß. Er trat an den Tisch und betrachtete die Situation. Schaut man sich jedoch diese Karte an, könnte man meinen, es herrschte Frieden." Ich spürte seinen Blick auf mir und schaute hoch. Deine Entscheidung abzuwarten, war weise.", sagte er schließlich mit sanfter Stimme.

Warum habe ich dann das Gefühl, dass es die falsche war? Der Mond lacht jede Nacht über mich." In einem Krieg war eine falsche Entscheidung schnell fatal. Mehr noch wenn es darum ging das eigene Land zu verlieren. Es verunsicherte mich. Auch das Lob meines Vaters half nicht. Ich wusste, dass ihm meine Entscheidung missfiel.

Der Mond lacht über alles und jeden. Lass' dich von ihm nicht einschüchtern.", erklärte er mir. Es war mutig eine Entscheidung zu treffen, wo ich keine treffen konnte. Du hast einen guten Blick für den Kampf, weshalb ich an deiner Entscheidung nichts ändern werde. Trotzdem muss ich dich darauf hinweisen, dass ich der Kaiser bin und als solcher die Entscheidung zu treffen habe. Noch bestimmst nicht du." Ich verzog während seiner Rede keine Mine. Ich kannte jedes Wort daraus. Er redete immer darüber, dass er der Kaiser war, wenn die Bediensteten meinen Worten mehr Glauben schenkten als seinen. Manchmal glaubte ich, dass er sich durch mich bedroht fühlte. Ob in der Position als Kaiser oder in der als mein Vater, konnte ich nicht sagen.

Irgendwer muss eine Entscheidung treffen und wenn du es nicht tust, wer bleibt dann noch, wenn auch ich es nicht tun soll?" Ich spürte, wie meine Wut sich langsam einen Weg bahnen wollte. Die Fäuste, die ich gebildet hatte, zitterten kaum merklich. Um nicht etwas Unbedachtes zu sagen, stürmte ich aus dem Saal.

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