„Du warst im Kerker des weißen Schlosses?" Auch zwei Stunden nach meiner Rückkehr, stapfte mein Vater schwer atmend auf und ab. In der Zwischenzeit hatte ich mich gewaschen und trug wieder eines meiner Kleider. Nur die dunkelbraune Färbung der Haare erinnerte noch an meinen Ausflug. Das würde noch einige Tage dauern, bis die letzten Reste verschwunden waren.
Ich saß auf meinem Thron und beobachtete meinen Vater. Meine Füße waren müde und meine Beine schmerzten von der Wanderung einmal quer durchs Land.
Der General stand so im Raum, dass mein Vater immer wieder an ihm vorbei stapfte.
„Ja, aber doch nur eine Nacht.", versuchte ich ihn ein bisschen zu beruhigen. Meiner Meinung nach sollte er sich nicht mit den Details auseinandersetzen. Ich hatte überlebt. Zählte das gar nichts?
„Für eine Prinzessin ist sogar eine Nacht zu viel.", schnaubte er. Meine Beruhigungsversuche funktionierten also nicht. „General, was schlagt Ihr vor?" Endlich blieb er stehen und beachtete den dicken Mann.
Der Angesprochene stellte sich, wenn das überhaupt möglich war, noch gerader hin. „Majestät, meine Truppen stehen bereit. Ich kann den Befehl geben, das Schloss anzugreifen."
„Nein." Mein Einspruch war lauter, als ich es geplant hatte. Auch war ich aufgesprungen. „Wir werden nicht diejenigen sein, die angreifen. Damit rechnen sie nur. Wir warten bis sie uns angreifen." Ich setzte mich wieder. „Das wird schneller der Fall sein als gedacht, wenn mein Plan aufgeht."
„Dein Plan?", fragte mein Vater nach. Im Augenwinkel bemerkte ich, dass auch der General gerade nachfragen wollte. Statt zu antworten, schüttelte ich kurz den Kopf und schaute zu den Bediensteten, welche auf der anderen Seite des Saals in ihre Aufgaben vertieft schienen. Die beiden Männer folgten meinem Blick und nickten dann gleichzeitig.
Seit ich von dem Spion der Weißen Königin praktisch gerettet wurde, war ich vorsichtiger geworden. Die Gefahr belauscht zu werden, kam mir realer vor als es zuvor der Fall gewesen war.
General Montero verneigte sich tief erst vor meinem Vater und dann vor mir. „Zu Befehl, kaiserliche Hoheit. Ich werde die Truppen in Bereitschaft versetzten und auf den Angriff warten." Dann drehte er sich um und verschwand aus dem Saal.
Mein Vater setzte sich schließlich neben mich. „Ich hoffe, dein Plan wird uns nicht alle umbringen." Eigentlich hatte ich mit einer Standpauke darüber, dass ich keine Entscheidungen treffen sollte, gerechnet. Dass er meinem Urteil plötzlich vertraute, war neu. Allerdings hatte der letzte Streit dieser Art mich in den Kerker des Weißen Schlosses gebracht. Vielleicht versuchte er eine Wiederholung zu vermeiden.
Drei Tage waren seit meiner Rückkehr in den Palast vergangen. Dass ich meine Tage nicht mehr mit Arthus verbrachte, war eine ziemliche Umstellung gewesen. Wie schnell ich mich an die Gesellschaft des Prinzen gewöhnt hatte, war ein Eingeständnis, das mir nicht leichtgefallen war. Er fehlte mir auf die ein oder andere Weise. Mein Leben auf dieser Seite des Landes war eben ein anderes.
An diesem Tag war ich im Thronsaal und betrachtete die Karte der Taktiken. Jede der Armeen stand um ihr Herrscherzentrum. Die Figuren standen immer noch dort, wo ich sie kurz vor meiner Abreise platziert hatte. Der Moment kam mir vor, als wäre er vor Jahren gewesen. Ich erinnerte mich noch genau an die Worte, die mein Vater für die Situation auf der Karte gefunden hatte: es sah aus, als herrschte Frieden. Es ist wohl eher die Ruhe vor dem Sturm., widersprachen meine Gedanken vehement.
Eine Tür in meinem Rücken ging quietschend auf, was mich herumfahren ließ. Es war die Tür zu einem der Dienstbotengänge. Eine Person schob sich in den Saal und schloss die Tür hinter sich. Sie gab wieder einen quietschenden Ton von sich. Der Mann, der eingetreten war, verzog das Gesicht, als er das Geräusch wahrnahm. So unangenehm es auch war, versuchte ich mein Gesicht neutral zu belassen und beobachtete ihn weiterhin.
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Larthetia
FantasiLarthetia war im Krieg - mit sich selbst - und das schon seit mehr als zwanzig Jahren. Ein Ende war nicht in Sicht, auch wenn alle Beteiligten des Kämpfens müde waren. Aleria hat nie eine andere Welt als die des Krieges kennengelernt. Sie sehnt sich...