K A P I T E L 23

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Song Empfehlung:
The Beach von The Neighbourhood

E l i z a b e t h

Unsicher betrachte ich mich im Spiegel und drehe mich hin und her. „Du siehst wunderschön aus, Kleines." Errötend sehe ich im Spiegelbild zu dem Mann im Türrahmen. „Danke", nuschle ich und sehe wieder auf das weiße Kleid mit den blauen Blumen. Meine Haare habe ich offen gelassen, nur vereinzelt ein paar Strähnen nach hinten gesteckt. Schwach lächelnd betrachte ich die feine goldene Kette, die ich letztes Jahr von unserer Mutter zum Geburtstag bekommen habe. „Sie wären so stolz auf dich...", murmelt er plötzlich ganz nah hinter mir. Ich betrachte ihn, wie sein Blick nur nach unten auf mich gerichtet ist. Sehe ihn in seinem weißen Hemd und der schwarzen Anzughose dastehen. Das ist auf jeden Fall ein Anblick, den ich für immer speichern muss. „Meinst du?" „Ich weiß es", erwidert er und streicht über meinen Arm. Sofort überfällt mich eine Gänsehaut. „Ed...", kichere ich, um meine Verunsicherung zu verstecken. „Happy Birthday", murmelt er und ich drehe mich zu ihm um. Er hält einen bunten Strauß in seinen kräftigen Händen. Er ist riesig und so unfassbar schön. Strahlend nehme ich ihn ihm ab und sehe mir jede einzelne Blüte genau an, sauge ihre Einzigartigkeit in mich auf und verliebe mich in den traumhaft schönen Blumenstrauß. „Danke! Der ist wunderschön!", breit lächelnd sehe ich ihn an. Seine Augen liegen so intensiv auf mir und scheinen mich zu verschlingen. Ich ertrinke beinahe in ihnen. Seine Hand legt sich sanft an meine Wange und streicht über diese. Seufzend schließe ich die Augen und suhle mich in dem geborgenen Gefühl, was er immer in mir hervorruft. „Ellie, ich...", will er anfangen, doch platzt Alex rein.
„Da ist sie ja!!", breit lächelnd kommt er auf mich zu und hebt mich hoch. Wild kichernd zapple ich mit den Beinen. „Alex!", lache ich. „Alles Gute zum Geburtstag, Prinzessin." Er reicht mir einen Sonnenhut und einen riesigen Rucksack. „Für Australien!", lächelt er. „Danke schön!", glücklich nehme ich ihn in meine Arme. Als mir klar wird, dass Ed neben uns steht und absolut verwirrt zu uns sieht, werde ich sofort blass. Oh nein. Ich habe ihm noch nichts davon erzählt. „Australien?", fragt er mich. „Ich wollte es dir erzählen! Wirklich, es ging nur alles so schnell und da hatten sie auch schon eine Gastfamilie für mich und ich... ich habe angenommen", beschämt blicke ich auf den Boden. „Australien?!", knurrt er jetzt lauter. „Es... Es ist ein Auslandsjahr. Ich fliege in zwei Wochen." Sein Körper friert ein, kein Muskel bewegt sich mehr und er scheint mir auch nicht so, als würde er noch atmen. „Eddie?", flüstere ich fragend. „Das... Das...", er atmet tief durch. „Ich freu mich für dich."
Ich kann absolut nicht erkennen, was er denkt. Er scheint mir fast schon gleichgültig, was mich dann doch etwas verletzt. „Eddie, ich...", wollte ich anfangen und ihn am Arm berühren, doch er tritt zurück. „Ich werde mal in den Garten gehen, die Gäste kommen bestimmt bald", und damit geht er. Jetzt weiß ich, was er denkt. Er ist verletzt.
„Das wird schon", versichert mir Alex. Doch da bin ich mir nicht so sicher.

Die kleine Party wird im Garten stattfinden. Meine Brüder haben Lichterketten angebracht und Alex steht bereits am Grill. Der Duft nach Steak und frischgemähten Gras liegt in der Luft. Sanfte Klänge dringen durch die Terrassentür hinaus, in den kleinen beschaulichen Garten. Immer mehr Gäste kommen, überreichen mir ihre Geschenke und umarmen mich, doch ich bin überhaupt nicht bei der Sache. Als Maddy an der Tür klopft, öffne ich diese breit grinsend. „Heey", begrüße ich sie. „Alles Gute zum Geburtstag, Süße!", sie drückt mir ein kleines Paket in die Hand. „Danke schön", lächle ich. Eine Zeit mustert sie mich. „Gott, ich werde nächstes Jahr ohne dich sterben.", beschwert sie sich und zusammen gehen wir in den Garten. Mittlerweile ist schon einiges los. Amber steht bei Alex und auch ein paar Kumpels von ihm sind da.
„Uh... wer sind die denn?", Augenbrauenwackelnd deutet Maddy auf die Typen. „Freunde von Alex, ich kenne sie auch nur flüchtig."
„Okaay... Ich bin gleich wieder da!" Schmunzelnd sehe ich ihr hinterher, als es wieder an der Tür klingelt.
Tony steht davor, mit einer schönen Rose. Mit großen Augen sieht er mich an. „Es tut mir leid, Ellie. So unfassbar leid. Kannst du mir verzeihen?", flehend sieht er mich an. „Da muss schon ein bisschen mehr kommen", ich verschränke die Arme und sehe ihn an. „Ich liebe dich, Ellie. Und auch, wenn ich weiß, dass du bald nach Australien gehen wirst, möchte ich, dass du weißt, dass ich dich liebe. Ich werde warten. Nur bitte verzeih mir, Ellie. Bitte." Ich lege den Kopf schräg und öffne meine Arme. Sofort kommt er der stummen Aufforderung nach und nimmt mich in den Arm. Jedoch reiße ich überrascht die Augen auf, als ich die Frau sehe, die auf unser Haus zukommt. Sie scheint etwas unsicher und hat ein kleines Geschenk in der Hand. „Dr. Monroe!" Ich löse mich von Tony und reiche ihr die Hand. „Was tun Sie denn hier?", frage ich sie freundlich. „Ähm, naja ich dachte... War vielleicht doch keine so gute Idee. Ich sollte gehen..." „Nein!", halte ich sie auf. „Sie können von mir aus gerne reinkommen. Sie haben mir so sehr geholfen!", kurz scheint sie zu überlegen, ehe sie nickt. Gemeinsam laufen wir drei in den Garten und Tony und ich albern etwas herum. Mittlerweile sind vielleicht so zwanzig Leute auf der Party. Es müsste jetzt auch keiner mehr kommen. Ich entdecke Ed mit einem Bier in der Hand, wie er sich mit Jeremy unterhält. Seine schwangere Frau Jenny steht neben ihnen und muss über einen Witz von ihrem Ehemann lachen. Die Stimmung ist locker und alle scheinen sich zu amüsieren. Zusammen essen wir das Gegrillte und setzen uns an den großen Tisch im Garten. Es wird viel gelacht und viele fragen mich über mein Auslandsjahr aus, was sich anscheinend wie ein Lauffeuer ausgebreitet hat. Jedes Mal verkrampft sich Edward und nippt an seinem Bier. Mir ist nicht entgangen, dass er heute kein Wort mehr mit mir gewechselt hat und mir auch keinen einzigen Blick geschenkt hat. Überrascht folge ich deshalb das Geschehen vor mir. Angeregt unterhält er dich mit Dr. Monroe und sie lässt keine Gelegenheit aus, ihn zu berühren. Habe ich etwa was verpasst? Ihre Augen kleben förmlich an seinen Lippen. Immer wieder lacht sie auf und ihre Hand landet auf seinem Oberschenkel. Clair lehnt sich zu mir rüber. „Hat unser Bruder eine Freundin?", fragt sie überrascht. „Nicht das ich wüsste...", murmle ich. „Naja, wird ja auch mal Zeit", kichert sie. Doch mir passt das überhaupt nicht und es ärgert mich, dass es mich so stört. „Übrigens liegt mein Geschenkt auf deinem Bett", flüstert sie. „Öffne es, wenn du alleine bist." Mit großen Augen sehe ich sie an. „Schau nicht so, es ist nichts Großes", sie zuckt nur mit den Schultern und trinkt aus ihrem Glas. Auch, wenn man es nicht glauben mag, Clair kann wirklich liebenswert sein, wenn sie will.
Der strahlend blaue Himmel verwandelt sich langsam in ein klares Schwarz voller Sterne, die wie funkelnde Edelsterne die Nacht erhellen. Viele haben sich auf die kleine Tanzfläche verzogen und tanzen. Ich stehe gerade bei den Jungs, mit Maddy und versuche ihr zu helfen, den einen Kerl, den sie süß findet, auf sich aufmerksam zu machen. Doch so wie er meinen Bruder anschmachtet, der mit meiner Psychologin in einer Ecke steht, kommt mir der Gedanke, dass er möglicherweise keinerlei Interesse an Maddy hat. Und wieder bleibt mein Blick bei ihm hängen. Warum hängen die beiden schon den gesamten Abend aneinander? Und wieso verdammt betatscht sie ihn die ganze Zeit?!
Bis es mir klar wird. Oh nein. Das hast du nicht gemacht! Natürlich hat er! Ahhh Edward! Sie ist meine Psychologin und eigentlich auch deine, obwohl ich schon lange die Vermutung gehabt habe, dass er gar nicht mehr hingeht.
Ohne mich aufzuhalten, gehe ich auf die beiden zu. Sie hält in ihrem Satz inne und sieht mich an, so auch mein Bruder, der jedoch nur lässig von seinem Bier trinkt. „Doktor, könnte ich vielleicht einmal kurz meinen Bruder entführen?", frage ich zuckersüß. „Eigentlich...", wollte sie anfangen, doch ich packe ihn am Handgelenk. „Nur zwei Minuten", versichere ich ihr. Überrascht folgt mir Edward, bis wir etwas abseits von den anderen stehen. Er schaut mir immer noch nicht in die Augen. „Bist du sauer?", frage ich ihn. „Nein. Wie kommst du denn darauf?", seine Stimme trieft nur so vor Sarkasmus. „Eddie-" „Nein! Komm mir nicht mit ‚Eddie'! Wieso hast du das Auslandssemester mit keinem Wort erwähnt?" Schluckend sehe ich in sein wutverzerrtes Gesicht. „Ich wusste nicht wie", flüstere ich. „Weil es ja auch so schwer ist!", ablehnend verschränkt er die Arme und schaut an mir vorbei. „Ich wusste, dass du so reagieren würdest!", zische ich jetzt so laut, dass sich bereits einige Köpfe zu uns drehen. „Du weißt, ich hasse es, wenn wir uns streiten, also habe ich es immer wieder vor mich hingeschoben. Ich wollte auch eigentlich nicht, aber vor ein paar Tagen bekam ich eben diesen Anruf und das konnte ich einfach-" „Einfach nicht ablehnen?", unterbricht er mich. „Ja..." Kurz ist es still. „Es ist dein Leben, Ellie. Das habe ich dir bereits gesagt. Aber was macht dieser Tony schon wieder hier? Nachdem er dich so verletzt hat?" „Das hast du doch auch schon oft genug", kontere ich kühl. „Das ist etwas anderes...", brummt er. „Ach ja. Und wieso genau, fickst du jetzt meine Therapeutin?" Und dann endlich liegt sein Blick auf mir. „Du hast keine Ahnung", knurrt er. „Nein, die habe ich ja nie." „Achte auf deinen Ton", so wütend habe ich ihn noch nie in meiner Gegenwart erlebt. „Du bist nicht mein Vater", spucke ich ihm vor die Füße. „Nein. Der bin ich nicht. Ich bin nicht einmal dein Bruder." Jegliche Farbe weicht aus meinem Gesicht. Schon immer habe ich mich gewundert, warum er mich vor anderen nie als seine Schwester vorgestellt hat, nicht, wenn es sich nicht vermeiden ließ. Ich habe deswegen immer Angst gehabt, dass er mich nicht genug lieben würde, um mich als seine Schwester zu akzeptieren. „Was?", frage ich mit bebender Stimme. Er schluckt, scheint mit sich zu kämpfen, ehe er den Blick abwendet. „Es... Es tut mir leid." „Das sagst du in letzter Zeit oft", mein Kopf scheint zu dröhnen. Ich würde ihm am liebsten eine klatschen, doch so bin ich nicht. „Jetzt weiß ich ja, wie ich bei dir stehe", gerade als ich gehen will, hält er mich am Arm auf. „Du hast absolut keine Ahnung, Ellie."

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